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Ein meditativer Klanggruß zu einem seltsam-extremen Osterfest

Pfarrer Dr. Gerhard Wenzel und ich sind seit vielen Jahren herzlich miteinander verbunden und haben schon einige gemeinsame Projekte durchgeführt. Angefangen von musikalischer Begleitung von Gottesdiensten, Bibellesungen oder Buchvorstellungen über Chor-Auftritte beim Gemeindefest bis hin zu den intensiven theologisch-philosophisch-politisch-musikalischen Themenabenden im Pavillon von Schloss Röttgen. Überaus dankbar bin ich Gerhard und der Gemeinde, dass wir im Gemeindehaus Platz für Chorproben bekommen oder dass er „seine“ Kirche so bereitwillig-herzlich für Konzerte von uns öffnet, vor allem, aber nicht nur, für unser alljährliches Weihnachtsprogramm „Spuren im Schnee“.

Keine Chorproben, keine Konzerte, nicht einmal Gottesdienste oder Andachten können zur Zeit stattfinden; dies sind Einschränkungen, die noch vor wenigen Wochen für uns alle undenkbar waren. In diesen düsteren Zeiten lässt sich aber auch durchaus Positives feststellen, zum Beispiel eine große Welle von Hilfsbereitschaft und Solidarität, die ich unserem scheinbar so von Ellbogenmentalität geprägten Land kaum mehr zugetraut hätte. Schön, hier eines Besseren belehrt zu werden! Als ich am Gründonnerstag einen kleinen Abendspaziergang durch die Straßen Rath/Heumars gemacht hatte, wurde ich von so vielen fremden Menschen so freundlich gegrüßt (natürlich unter Einhaltung des Mindestabstands), dass ich dachte: „Sieh an, die Corona-Maßnahmen wirken offenbar tatsächlich!“ – Viel wird in diesen Tagen von einer „Rückkehr zur Normalität“ geredet. Aber wäre diese „Normalität“, wie wir sie noch vor kurzem kannten, denn tatsächlich wünschenswert? Durch die Pandemie bekommen wir aufs Heftigste vor Augen geführt, wie zerbrechlich unsere Gesellschaft ist. Aber auch, wie lebendig sie sein kann, wenn wir zusammenhalten. Und das nicht etwa auf eine Region oder ein Land beschränkt, sondern weltweit!

Als ich jüngst die so schön gestaltete “Corona-Homepage” der Evangelischen Kirchengemeinde besuchte, kam mir die spontane Idee, einen kleinen Teil dazu beitragen zu wollen, als Gruß und als Dankeschön für die vielen schönen gemeinsamen Stunden. Und biete daher hiermit die meditative 10-Minuten-Komposition GRASMOND meines Projekts „norrut“ als Pause zum Durchatmen an.

Wer unsere Programme „Spuren im Schnee“ oder „Mondnacht“ kennt, weiß, das wir als Musikerfamilie in sehr vielen Stilen und Genres zuhause sind. Und manchmal muss man, um Verwirrung zu vermeiden, speziellen Projekten eigene Namen geben. Unter „norrut“ veröffentliche ich sogenannte Ambient Music, eine Musik, die sich nicht in den Vordergrund spielen, sondern eher subtilere Stimmungen erzeugen will. Oft „passiert“ in diesem Kompositionen (scheinbar) nicht viel, was den Hörerinnen und Hörern dann aber umso mehr Platz lässt für eigene Projektionen. In einer Meditation konzentriert man sich auf einzelne Empfindungen, zum Beispiel auf den eigenen Atem oder auf eine Kerze, und lauscht dabei ins Innere. Die oft sehr ruhig fließenden Klänge der Ambient Music sind ein Angebot, auf diese Weise „ins Innere“ zu horchen.

Der Name „norrut“ (Schwedisch für „nordwärts“) ist nicht nur ein geographischer, sondern auch ein musikalischer Hinweis: Die nördlichen Landschaften mit ihrer immensen Weite, vom Wattenmeer bis über den Polarkreis hinaus, sind Inspirationsquelle für die Musik von norrut, ebenso wie das sowohl glasklare als auch mystisch anmutende Licht des Hohen Nordens. Dass der nördlich inspirierten Musik, namentlich dem Skandinavischen Jazz, stets auch eine gewisse Melancholie nachgesagt wird, mag auch hier durchaus zutreffen.

„Grasmond“ ist einer der alten Namen für den Monat April (wie auch „Wandelmonat“ oder „Launing“). Der Track besteht aus neun Synthesizer– und Sampling-Spuren und einer stetig aufsteigenden musikalischen Linie, was mir passend zum Ostergedanken erschien. Als besonderer Stargast tritt ein schwedischer Gebirgsbach auf, den ich vergangenes Jahr während einer Radtour im tiefsten Värmland aufgenommen habe; ich dachte dabei an das alte Brauchtum des „Osterwassers“.

Über interessierte Ohren freue ich mich sehr und hoffe, dass diese (für manche vielleicht ungewohnten) Klänge Euch Freude bereiten.

Mit österlich-solidarischem Gruß,
Dr. Georg Sachse, Rath/Heumar