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Gedanken zur Tageslosung, Samstag 6. Juni 2020

Wie groß sind Gottes Zeichen und wie mächtig seine Wunder! Sein Reich ist ein ewiges Reich, und seine Herrschaft währet für und für.
Daniel 3,33

Weil wir ein Reich empfangen, das nicht erschüttert wird, lasst uns dankbar sein und so Gott dienen.
Hebräer 12,28

Als die Nationalsozialisten 1933 durch Wahl an die Macht gekommen sind, hatte der damalige deutsche Evangelische Oberkirchenrat in seiner Osterbotschaft dies und die nationale Erweckung fröhlich begrüßt, ähnlich naiv wie manches , was die Kirchenleitungen heutzutage von sich geben. Zur Minderheit der kritisch politisch-denkenden Pfarrer und Kirchenmitglieder gehörte damals Georg Fritze, der in der Evangelischen Kirchengemeinde Köln (Kartäuserkirche und Trinitatiskirche) seinen Dienst tat. Der als “roter Pfarrer” von Köln verschriene, den Menschen der Arbeiterviertel sehr zugetane Seelsorger, hatte hingegen das Ereignis des Wahlsiegs  in seiner damaligen Predigt so kommentiert: “Wir Christen glauben nicht an das Dritte Reich, sondern an das Reich Gottes.” Er spürte und wusste genau, worauf das alles hinauslaufen würde. Gottes Reich sieht anders aus als die Reiche der Welt und der Allmachtsfantasien der Menschen. Es ist so wie in dem Kirchenlied aus Taizé (in Frankreich): “Ubi Caritas deus ibi ist”. “Wo die Liebe ist, da ist unser Gott”. Gottes Reich ist nicht durch Grenzen und Machtinteressen oder Besitz definiert, sondern durch Liebe, Frieden und Gerechtigkeit. In  Christus wurde das besonders greifbar.

Für Menschen, die wie Rußlanddeutsche unter der Diktatur der Sowjetunion leiden mussten, Zwangsarbeit und Verbot der eigenen Sprache und Religionsausübung über sich ergehen lassen mussten, war genau das ein großer Trost, dass Gottes Reich sich unterscheidet von dem dieser Welt. Es war keineswegs einfach nur eine Vertröstung auf ein Leben nach dem Tod, sondern dieser Trost eines anders gearteten Reiches, das von Gott her Wirklichkeit werden will, war Hoffnung und Motivation, ihr Leben trotz allem möglichst angstfrei und zuversichtlich zu gestalten. Viele haben an dieser Hoffnung festgehalten und auf diese Weise überlebt und einige von Ihnen haben schließlich in Deutschland neue Beheimatung gefunden. Manche von ihnen erleben sich aber auch hier manchmal wie Fremde. Denn gerne beschimpft man sie als “olle Russen”.

Ihren Glauben haben einige Jüngere von ihnen längst verloren oder nie gehabt. Aber andere halten ganz stark daran fest, sind darin tief verwurzelt – eben durch Familientradition nicht nur über Jahrzehnte, sondern schon über Jahrhunderte und halten all das aus. Ihr Glaube hilft ihnen. Ihr Glaube, dass sie in Gottes Reich keine Fremden sind, sondern zuhause. Dieses Reich kann in der Tat durch nichts und niemanden erschüttert werden und es kann ihnen und uns durch niemanden genommen werden. In unserer Gemeinde leben viele Rußlanddeutsche, besonders im Bezirk Ostheim. Sie begegnen uns in Gemeindeveranstaltungen und Gottesdiensten und gehören zu uns.

Wir Deutsche bezeichnen Gottes Reich, also seine “basileia” ( griechisches Wort  im Neuen Testament, das man eigentlich mit “Königreich” übersetzen muss)  gerne als Himmelreich oder Himmel. Wir unterscheiden in unserer Sprache auch nicht zwischen dem Himmel, den man blau vor Augen sieht und dem Himmel Gottes im übertragenen Sinn, die Engländer hingegen schon. Den ersteren Himmel nennen sie “sky”, den Himmel im Sinne von Gottes Reich dazu in Abgrenzung hingegen “Heaven”  nehmen.  Egal, wie wir den Himmel Gottes nennen wollen und egal, ob wir Russlanddeutsche, Russen, Engländer oder Deutsche sein mögen. Der Himmel Gottes ist für uns alle gleich – gleich offen und von gleichbleibender Qualität. Da steckt Gottes Liebe drin.

(Pfarrer Dr. Gerhard Wenzel)