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Predigt für den 19.04.2020 (Quasimodogeniti) zu Jesaja Kap. 40, 27 – 31

(von Pfarrer Dr. Gerhard Wenzel)

Die Gnade und der Friede Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen! Amen

Liebe Schwestern und Brüder in Christus,

„Ich fühle mich wie neu geboren“ – das sagt man manchmal, wenn man frisch aus dem Urlaub zurückkehrt oder gerade eine wunderbar erfrischende Dusche genommen hat oder auch von einer schweren seelischen Last befreit wurde oder aber eine Krankheit hinter sich hat, in der das Leben im wahrsten Sinne des Wortes auf Messers Schneide stand und man noch mal vor dem Tod bewahrt wurde.

So unterschiedlich können die Situationen sein, wenn wir sagen: „Ich fühle mich wie neu geboren“ und doch haben sie alle eins gemeinsam: Wir spüren neues Leben. Ganz so, wie auch der Name des heutigen Sonntag im Kirchenjahr es sagt: quasi modo geniti – wie neu geboren.

Ich fühle mich wie neugeboren – diese unterschiedlichen Situationen drücken ein Glücksgefühl aus und verweisen uns darauf, dass das Leben ein Geschenk ist, das uns gewissermaßen von außen zukommt. Wir erwerben uns das nicht selbst. Da geschieht etwas an uns oder mit uns. Natürlich kann ich mich selbst duschen. Aber das Wohlgefühl, das sich danach einstellt, ist ein Geschenk. Und erst Recht ist es mit den anderen Dingen so.

Bei all diesen Dingen geht es um neues Leben in unserem Leben. All diese Dinge verweisen uns darauf, dass auch die Auferstehung, die wir zu Ostern feiern, nicht etwa nur ein einmaliges Geschehen wie die Auferweckung Jesu meint und sich nicht nur auf das Leben nach dem Tod bezieht, sondern sie meint das Handeln Gottes an uns, das uns auch in diesem Leben neu zum Leben führt.
Auch in diesem Leben erleben wir Tod oder Todgefahrenes und unsere eigenen Grenzen, insbesondere in Zeiten von Corona. Aber auch hier in diesem Leben soll der Tod seine Macht verlieren. Auch und gerade hier sollen wir erleben dürfen und sagen können: „Ich fühle mich wie neugeboren. Das Leben ist ein Geschenk. Gott ich danke Dir.“ – nicht erst nach dem Tod.

Zur Predigt für den heutigen Kirchensonntag ist in der Perikopenordnung der Kirchensonntage (also der Ordnung, die festlegt, über welche Bibeltexte gepredigt werden soll) ein Text vorgesehen, den man im ersten Moment nicht mit Ostern verbinden würde. Da begegnet keine Auferstehungsgeschichte im Sinne einer Begegnung mit dem Auferstandenen. Der Text ist auch nicht aus dem Neuen Testament, sondern aus dem Alten. Und doch geht es hier um Auferstehung im eben zuvor beschriebenen Sinne. Jeden Tag kann Ostern sein. Jeden Tag kann das Leben neu erblühen, können wir Gottes Sieg über den Tod feiern. Wir schenken dem nur nicht genügend Aufmerksamkeit. Wir lassen uns eher von Nachrichten über Tod und Gewalt bestimmen, als von den Guten Nachrichten, wo das Leben siegt.

Eine solche Gute Nachricht hat das Volk Israel im Jahr 539 vor Christus empfangen, als es noch im Exil, in der Gefangenschaft in Babylonien lebte. Fernsehen gab es damals noch nicht, auch keine SMS, die mal eben übers Netz geschickt wurde, aber eine prophetische Stimme, die die Menschen mitten in ihrer Verzweiflung und in ihrem Herzen traf. Sie haben schon nicht mehr an eine Wende in ihrem Leben geglaubt, an das Geschenk eines Lebens in Freiheit, da erschallte die mächtige Stimme des Propheten. Im Buch Jesaja, Kap. 40, Verse 27 – 31 heißt es:

„Warum sprichst du, Jakob, warum sprichst Du Israel und sagst: »Mein Weg ist dem HERRN verborgen, und mein Recht entgeht meinem Gott?« Weißt du nicht? Hast du nicht gehört? Der HERR, der ewige Gott, der die Enden der Erde geschaffen hat, wird nicht müde noch matt, seine Einsicht ist unerforschlich.
Er gibt dem Müden Kraft, und Stärke genug dem Unvermögenden.
Männer werden müde und matt, und Jünglinge straucheln und fallen; aber die auf den HERRN harren, empfangen immer wieder neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler, dass sie laufen und nicht müde werden, dass sie wandeln und nicht matt werden.“ Amen.

Liebe Schwestern und Brüder in Christus, eine im wahrsten Sinne des Wortes beflügelnde Botschaft für die, die im Exil waren und schon alle Hoffnung aufgegeben hatten. Aber ob sie wirklich daran glauben konnten, an ein Leben, das bald ganz anders aussehen würde als das jetzige?

Ich kann mir vorstellen, wir der Prophet die Menschen zwar im Herzen berührte, aber doch nur schallendes Gelächter erntete: Gott ist am Werke? Er will das Schicksal wenden? Wir erleben Tag ein Tag aus nur die Schikanen der Babylonier: Bestimmung des Aufenthaltsortes, Bemächtigung des Eigentums, Eingesperrtsein, Unfreiheit. Und das soll auf einmal alles aufhören? Da kann man doch nur drüber lachen.
In der Tat kann man da drüber lachen. Man kann den Tod tatsächlich verlachen – so wie es zu Ostern üblich ist, wo das Leben siegt. Im Mittelalter und teilweise bis in die Neuzeit hinein wurden zu Ostern auf der Kanzel Witze erzählt, um die Menschen zum Lachen zu bringen. Sie sollten die Angst und den Respekt vor dem Tod verlieren und sich an dem erfreuen, was Gottes Liebe zu den Menschen möglich macht, ja, dass diese Liebe neues Leben schafft und Tod besiegen kann.
Ende der babylonischen Gefangenschaft, Ende des Exils, Ende des Unrechts. Was für ein Witz!
Auch jetzt, wo wir Corona erleben, tun sich viele Menschen schwer, an einen gnädigen, lebensstiftenden Gott zu glauben. Die Naturkatastrophe oder wie man das auch immer bezeichnen möchte, wird, wenn überhaupt, eher Gott angelastet als der Folgewirkung menschlichen Tuns. Und dass sich Gott in das Vernichtungsgeschehen einmischen würde, können die wenigsten glauben, geschweige denn seine Spuren wahrnehmen.
„Da kann man doch nur drüber lachen.“ – das hätten wohl auch die Menschen 1988 in der ehemaligen DDR noch gesagt, wenn man ihnen prophezeit hätte, dass nur ein Jahr später die Mauer fallen würde und das auch noch ohne jegliche Anwendung von Gewalt oder militärische Auseinandersetzung. Auch sie konnten sich nicht vorstellen, dass es noch ein Leben jenseits des von ihnen bis dahin erlebten geben würde. Aber es blieb kein Witz. In den Kirchen, also dort, wo das lebensstiftende Wort Gottes gepredigt wurde, fanden die Menschen damals Orientierung und Mut zur friedlichen Revolution. Die Vision blieb kein Witz. Weder auf Deutschland bezogen noch auf die Rückkehr Israels in sein Heimatland bezogen.

Liebe Schwestern und Brüder, wenn ich mir mit Euch all das so bewusst mache, wenn wir all das so vor uns sehen, dann kann man eigentlich nur feststellen, dass das alles in der Tat eine Glaubenssache ist wie bei der Auferstehung Christi. Die Auferstehung im Leben ist genauso eine Glaubenssache wie die Auferstehung nach dem Tod. Glaubenssache im Sinne von Vertrauenssache. Vertraue ich darauf, dass Gott am Werke ist oder nicht. Vertraue ich darauf, dass es in unserem Leben eine Wende vom Tod zum Leben geben kann oder nicht? Vertraue ich mich in dieser Hoffnung Gott an oder nicht? Traue ich ihm selbst etwas zu oder nicht? Im Augenblick werden die Kirchen nach wie vor geschlossen gehalten, so haben die Kanzlerin und die Minister zumindest zunächst beschlossen. Dabei könnte gerade von hier aus Hoffnung erblühen und Kraft zum Umgang mit dem tödlichen Virus.
Traue ich Gott oder unterwerfe ich mich den Todesmächten? Der Prophet bringt das auf den Punkt, wenn er sagt: „Warum sprichst du, Jakob, warum sprichst Du Israel und sagst: »Mein Weg ist dem HERRN verborgen, und mein Recht entgeht meinem Gott «? Weißt du nicht? Hast du nicht gehört? Der HERR, der ewige Gott, der die Enden der Erde geschaffen hat, wird nicht müde noch matt, seine Einsicht ist unerforschlich.“ Es gilt also im wahrsten Sinne des Wortes darauf zu vertrauen, dass Gott im doppelten Sinne des Wortes eine Einsicht hat, dass er mich wahrnimmt, meine Not, mein Leid und aber auch Wege sieht, weiß und eröffnet, die ich bisher vielleicht noch nicht sehe, damit sich die Not abstellt.

Wir empfinden Gottesferne in bestimmten Momenten unseres Lebens. Der Prophet verurteilt das nicht, aber er erinnert uns und lädt uns ein, dennoch auf Gott zu vertrauen. „Weißt du nicht? Hast du nicht gehört? Der HERR, der ewige Gott, der die Enden der Erde geschaffen hat, wird nicht müde noch matt.“ Die Zeile soll erinnern, dass diese Welt und ihre Menschen demjenigen, der diese Welt geschaffen hat, nicht egal sein kann. Wer einmal Kinder in die Welt gesetzt hat, also Vater oder Mutter von Kindern ist, ähnlich wie es die Geschichte von Adam und Eva von Gott selbst erzählt, wird das gut nachvollzeihen können, was der Prophet hier anspricht. Mit den eigenen Kindern mag man auch Einiges an Enttäuschung erleben und sie werden ihren eigenen Weg gehen müssen. Aber liebender Vater oder liebende Mutter bleibt man das ganze Leben und es würde einem doch sehr schwer fallen, sie sich ganz selbst zu überlassen oder auf ewig zu verdammen, wenn sie in Not sind und uns brauchen.

Zwei Adjektive stechen im Textabschnitt besonders hervor, auf die ich schließlich unsere Aufmerksamkeit lenken möchte. Zunächst wirken sie scheinbar nebensächlich. Es sind die Adjektive „müde“ und „matt“. Das Auffällige ist: Sie begegnen in den wenigen Versen ganze drei Mal. Das ist Absicht und kann kein Zufall sein.
Einmal heißt es: „Der ewige Gott, der die Enden der Erde geschaffen hat, wird nicht müde noch matt.“ Dies ist auf Gott selbst bezogen. Dann heißt es: „Männer werden müde und matt, und Jünglinge straucheln“.
Mit anderen Worten: Menschen stoßen an die Grenzen ihrer Kraft und ihres Vermögens. Und dann heißt es schließlich: „Aber die auf den HERRN harren, empfangen immer wieder neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler, dass sie laufen und nicht müde werden, dass sie wandeln und nicht matt werden.“
Es geht dem Propheten also hier um zwei Seiten – einmal um Gott selbst, der nicht matt noch müde wird, dann aber auch um Israel, um die Menschen, die nicht matt noch müde werden sollen. Wir sind keine Supermenschen. Wir stoßen alle an die Grenzen unserer Kraft, spätestens dann, wenn wir die Alarmzeichen zuvor übersehen haben, so wie auch jetzt zu Corona-Zeiten. Dann mag da auf einmal der Zusammenbruch oder was auch immer kommen. Hier beim Propheten wird nicht diese Müdigkeit und Mattigkeit kritisiert. Sie wird nur festgestellt. Ganz realistisch sagt uns der Prophet aber: Wenn wir Grenzwesen sind und bleiben, kann das nicht alles aus uns selbst kommen, sondern die nötige Lebensermutigung, die nötige Kraft und lebenswirksame Veränderung in unserem Leben kann uns nur von Gott aus zukommen.

Und das führt mich zu dem Beflügelnden in diesem Text, genauer gesagt zu dem Flügeltier, dem Adler.
Liebe Schwestern und Brüder in Christus, wisst Ihr eigentlich, was die „fette Henne“ ist? Also, das ist jetzt so eine ähnliche Glatteisfrage wie die nach dem „halven Hahn“. Das ist ja bekanntlich gar kein Hahn, sondern ein halbes Käsebrötchen und leitet sich ab vom kölschen „ n halven will ich hahn“ „ein halbes will ich haben“, nämlich ein halbes Brötchen. So wenig wie der „halve Hahn“ ein halber Hahn ist, ist die „fette Henne“ eine Henne. „Fette Henne“ gibt es als Bezeichnung für eine Pflanze. Aber auf die will ich nicht hinaus. Als „Fette Henne“ wird im Volksmund liebevoll-spöttisch auch der Bundesadler genannt, der im Plenarsaal des Bundestages hängt, im alten wie im neuen. Fette Henne nennt man ihn wegen der Form, die als etwas gedrungen empfunden wird.
Der Adler ist für uns Deutsche ein wichtiges Symbol. Früher war er auf der D-Mark zu sehen, heute ist er auf dem deutschen Euro zu sehen. Der deutsche Bundesadler kommt aus der Tradition des brandenburgischen Adlers und der wiederum geht schon zurück auf Karl den Großen. Der stand natürlich immer für Kraft und Stärke. Früher vor allem für Siegesstärke. Das verband man in früheren Zeiten in Deutschland oft mit Militärstärke und entsprechenden Siegen. Gewissermaßen siegte in diesem rein nationalistischen Verständnis der Tod über das Leben.

Aber eigentlich ist der Adler von jeher ein Symbol für den Sieg des Lebens über den Tod. Viele wissen es nicht, aber der Adler ist seit den Anfängen des Christentums ein Ostersymbol. Nicht nur der Schmetterling steht seit jener Zeit für die Auferstehungshoffnung, sondern eben auch der Adler. Der Adler ist auf vielen alten römischen Katakombengräbern abgebildet. Wir würden das aber missverstehen, wenn wir das erst auf die Zeit nach dem Tod beziehen, sozusagen als die Zeit des ewig dauernden Lebens. Auferstehung ist nicht Lebensverlängerung. Auferstehung ist Lebensverwandlung. Hoffnung der damaligen Christen für ihr von Verfolgung geprägtes Leben und über den Tod hinaus. „Ihnen wachsen Flügel, wie Adlern“ – so heißt es ja im Text von Jesaja auf die Angesprochenen bezogen. Da geschieht also etwas an uns. Wir werden verwandelt. Die Begegnung mit dem Auferstandenen macht aus Saulus einen Paulus, aus einem Verfolger einen Nachfolger, macht aus der trauernden rückwärtsgewandten Maria eine neu dem Leben zugewandte Maria. Immer bedeutet Auferstehung Veränderung und gerade nicht die Fortsetzung des Lebens, so wie es ist und immer bleiben soll. Auferstehungshoffnung verspricht Verwandlung von Gott her, wie sie auch Jesaja zusagt.

Mit nicht sehr viel anderen Worten hatte vor einigen Jahren mein damals noch kleiner Neffe das mal meinen Eltern zugesagt – also Oma und Opa. Die haben sich nämlich über den Tod unterhalten und dass sie mal sterben müssen. Da hat Stefan dann gesagt: „Ja, aber Ihr braucht nicht traurig sein. Da kommt Ihr doch in den Himmel und im Himmel da ist doch der liebe Gott. Und weil der so lieb ist, sorgt der doch für Euch und gibt Euch Essen. Und vor allem: Im Himmel könnt Ihr doch fliegen!“ Eine Trostbotschaft, eine Hoffnungsbotschaft – ganz ähnlich liebevoll, wie die von Jesaja. „Im Himmel könnt Ihr doch fliegen“ Der kleine Stefan, weiß etwas von der Auferstehungshoffnung, die wir manchmal vielleicht schon vergraben haben, nämlich dass wir fliegen können, dass Veränderung von Gott aus möglich bleibt. Wir müssen nicht Krieg führen, wir können auch Frieden stiften. Und wir müssen den Verstorbenen nicht auf ewig Tribut zahlen, uns von unserer Trauer bannen lassen, wir dürfen auch leben. Und wir müssen uns Corona nicht schicksalhaft unterwerfen. Wir können auch kämpfen und hoffen. Wir können auch fliegen. Und dazu möchte ich gerne eine Geschichte von einem Adler erzählen:

Ein junger Adler war aus seinem Nest gefallen. Ein Bauer kam des Weges und fand den jungen Vogel; er erbarmte sich seiner, nahm den Vogel mit sich nach Hause und steckte ihn zu den Hühnern auf seinem Hof. Dort lebte das Adlerjunge, wuchs auf unter Hühnern, lernte sich zu bewegen wir ein Huhn und zu denken wie ein Huhn. Mit allen anderen Hühnern pickte es das Futter auf und suchte die Würmer im Boden. Langsam vergaß es seine Herkunft und sein Wesen. Eine lange Zeit verging. Eines Tages kam ein Naturforscher in die Gegend und entdeckte den Adler, der nun schon zu stattlicher Größe herangewachsen war, unter den Hühnern. Was um Gottes Willen, macht denn der hier? fragte er den Bauern. Dieser erzählte ihm die Geschichte des Adlerjungen und meinte, dass der Adler nun ein Huhn sei. Er lebe unter Hühnern, fresse wie ein Huhn und verhalte sich auch wie ein Huhn. Der Naturforscher protestierte dagegen und sagte: Das ist unmöglich! Ein Adler ist ein Adler. Er hat das Herz und die Seele eines Adlers. Überlass den Vogel mir, und ich werde es dir zeigen. Der Bauer willigte ein. Am nächsten Morgen ging der Naturforscher zum Adler in das Hühnergehege, nahm ihn auf den ausgestreckten Arm und sprach: Adler, der du ein Adler bist, Du bist kein Huhn! Flieg! Der Adler hob nicht einmal den Kopf, sondern sprang vom Arm herunter, um sich zu den Hühnern zu gesellen, und er machte sich sofort auf Futtersuche. Na siehst du, sagte der Bauer, er ist ein Huhn – was habe ich gesagt? Am zweiten Morgen versuchte es der Naturforscher erneut, aber wieder erfolglos.
Am dritten Morgen, noch ehe die Sonne aufgegangen war, nahm der Naturforscher den Adler mit sich und ging mit ihm einen nahe gelegenen Berg hinauf. Ganz hoch hinauf trug er den Adler. Als sie die Bergkuppe erreichten, ging gerade die Sonne auf. Der Naturforscher streckte wieder den Arm aus und sagte zum Adler: Adler, der du ein Adler bist – flieg! Besinne dich auf dein Wesen – flieg doch! Der Adler aber reagierte nicht. Da zog der Naturforscher den Adler fest an sich und ließ ihn in die Sonne blicken. Adler, der du ein Adler bist! Schau in die Sonne, entsinne dich deines Wesens und flieg! Jetzt endlich reagierte der Adler. Er hob seinen Kopf, sah in die Sonne, entfaltete seine Schwingen und flog der Sonne entgegen. Und der Adler zog seine Kreise himmelwärts, höher und höher, hinauf der Sonne entgegen.“

Wir können fliegen! Was man dazu braucht ist die Sonne. Als Christen bilden wir eine Hoffnungsgemeinschaft, die von dieser Sonne lebt – von dem Licht und der Liebe Gottes. Nichts beflügelt und befreit mehr als das Licht und die Liebe Gottes. Durch die Taufe sind wir in dieser Hoffnungsgemeinschaft gut aufgehoben. Wir bleiben in dieser Hoffnung verbunden und tragen dafür Verantwortung, dass wir auch tatsächlich auffahren mit Flügeln wie Adler.
Wer von diesem Licht und dieser Liebe begleitet ist, lebt auf wie ein Adler und bleibt nicht am Boden wie eine fette Henne. Und wo es uns an Glauben fehlt, da dürfen wir Gott selbst bitten, dass er uns die Kraft dazu gibt. Er ist die Sonne in unserem Leben – das Licht und die Liebe. Er wird uns die Kraft geben, zu glauben – darauf zu vertrauen, dass er das Leben wenden kann, dass er Tod in Leben verwandeln kann. Amen

Adler im Flug – Copyright: skeeze, via pixabay