170 Jahre CVJM Köln

Gründung des ersten YMCA vor 175 Jahren in London

Gerade komme ich zurück aus London, wo sich über 3.000 Delegierte – vornehmlich junge Erwachsene – aus über 100 CVJM-Nationalverbänden anlässlich des 175. Geburtstags des Christlichen Vereins Junger Menschen (CVJM, engl. YMCA) getroffen haben. Nicht, um sich selbst und die zurückliegende Erfolgsgeschichte des CVJM zu beweihräuchern, sondern um die Energie, die kreative Vision und den lösungsorientierten Ansatz tausender junger Menschen zu nutzen, um die Herausforderungen der globalen Gesellschaft anzupacken, Modelle der Hoffnung kennen zu lernen und in der Begegnung mit anderen neue Ideen und Strategien zu entwickeln.

Diese Dynamik erinnert gleichsam an die Anfänge des CVJM in der Zeit der Industrialisierung und damit verbundener radikaler Umbrüche des gesellschaftlichen Gefüges der damaligen Zeit. 1844 kam es in London zur Gründung des ersten CVJM. George Williams, ein junger Angestellter in einem Londoner Handelshaus, verband sich mit weiteren Angestellten in dem Anliegen, christlichen Werten unter jungen (damals nur) Männern zur Geltung zu verhelfen:

„In [Zimmer] Nr. 14 fand eine Zusammenkunft statt um eine Gesellschaft zu gründen mit dem Ziel die bekehrten Männer in den verschiedenen Tuchhandelsgeschäften der Metropole wachzumachen im Sinne ihrer Verpflichtung und Verantwortung als Christen damit sie unter denen die um sie herum sind religiöses Wissen ausbreiten entweder durch Gebetsgemeinschaften oder andere Mittel die sie für geeignet halten…“ – Schatzmeister Valantine (Fischer, Siegfried (1982): Die Größe des kleinen Anfangs, Aussaat, Wuppertal, S. 63)

Von Beginn an war der CVJM jedoch nicht auf bloße fromme Zusammenkünfte beschränkt. „Wenn wir uns diese mutige Gründung noch etwas genauer anschauen, dann stellen wir mit Erstaunen fest, dass George Williams und viele andere Christen in der Firma in der sie arbeiteten für bessere Arbeits[bedingungen] kämpften. Sie mussten sechs Tage die Woche und 13 Stunden am Tag arbeiten und lebten unter erbärmlichen Bedingungen. Sie waren in der Bewegung für den frühen Ladenschluss (Early Closing Movement) organisiert und innerhalb von zwei Jahren wurde die tägliche Arbeitszeit […] reduziert. […] Aus dieser eher gewerkschaftlichen Bewegung entstand der CVJM, der sich ganzheitlich nach Lk 10,27 um Geist, Seele und Körper der Männer kümmern sollte. Was daraus wurde ist der größte Jugendverband der Welt, in dem wir heute stehen. […] Umbrüche [sind] immer auch Aufbrüche. […] Mut Neues auszuprobieren, Übergänge zu gestalten, am Fremden zu lernen und trotzdem nicht alles Gute und Bewährte über Bord zu schmeißen – darin liegt wohl eine Schlüsselaufgabe unserer heutigen Zeit. Die Quadratur des Kreises!? Und nicht wenige denken dabei: „Halten wir erstmal still, vielleicht kommt es nicht so schlimm wie befürchtet“. Und nennen wir die Gefahr, in der wir dabei auch im CVJM stehen beim Namen: „Wir sterben langsam, aber in großer Sorgfalt.“ Zu pessimistisch? Einfach falsch? Vielleicht? Pauschalisierend? Bestimmt! Aber mir geht es gar nicht um Pessimismus, ganz im Gegenteil. Mir geht es um die Gestaltung des Neuen, aber genau dafür müssen wir die Beharrungskräfte überwinden und mutig Neues ausprobieren. Denn geistliche Vitalität, organisatorische Strukturen und sozialer Wandel bedingen und beeinflussen einander. Dabei können alle drei unterschiedliche Rollen einnehmen und sind immer wieder herausgefordert aufeinander zu reagieren.“ (Faix, Tobias (2019): “Happy Birthday CVJM! Was wir von der Gründer DNA für heute lernen können!” URL: http://tobiasfaix.de/2019/06/happy-birthday-cvjm-was-wir-von-der-gruender-dna-fuer-heute-lernen-koennen/ [Stand:29.08.2019])

Der Vorgänger-Verein des heutigen CVJM
Köln wurde vor 170 Jahren am 11.11.1849 gegründet. Orte der Vereinsarbeit waren zunächst in der Innenstadt, an der Antoniterkirche, später in der Boltenstern- und Machabäer Straße, bevor der Verein 1994 die heutige Immobilie am Hansaring beziehen konnte. Ein Blick in die Vereinschronik verrät, wie der CVJM Köln im Laufe der Geschichte versucht hat, den gesellschaftlichen Herausforderungen der jeweiligen Zeit im Blick auf junge Menschen Rechnung zu tragen: Ein Landschulheim, eine psychosoziale Wohngruppe für Suchtkranke, Hühnerfarm und Bootsverleih, eine Reformgaststätte, die Arbeit mit Soldaten früher, mit Flüchtlingen heute, Gefängnis-, Binnenschiffer- und Bahnhofsmission, Freizeiten und Sport tauchen unter vielen anderen Angeboten in der wechselvollen Geschichte des CVJM Köln auf.

Anlässlich des 175 bzw. 170 jährigen Bestehens des CVJM laden wir herzlich zu einem Gottesdienst am 17.11.2019 um 9.30 Uhr in die Ev. Auferstehungskirche in Ostheim ein. Musikalisch wird der Gottesdienst vom CVJM-Posaunenchors St. Augustin mitgestaltet.

Gerd Schmellenkamp