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Ausschnitt aus dem Wandbehang im Ordens­haus der Christusbruderschaft Selbnitz © Christusbruderschaft Selbnitz

Streit ums Abendmahl (Teil 2)

Die Wende im 13. Jh. –eine neue Lehre gewinnt die Oberhand (Wen)

Im ersten Teil meines Beitrags über „Streit ums Abendmahl – ein Beitrag zur Ökumene“ habe ich dargelegt, wie die Lehre von der Wandlung der Substanz des Brotes im Katholizismus nicht etwa eine schon uralte Lehre darstellt, wie viele meinen könnten, sondern sich erst im 11. Jh. verbreitete und durch den endgültigen Beschluss des vierten Laterankonzils 1215 dann endgültig als Neue Lehre eingeführt wurde. Dort wird der Begriff der „Transsubstantiation“ ausdrücklich genannt und definiert als das Übergehen der „wahren Substanz des Brotes in die wahre Substanz des Christusleibes“. Allerdings meinte der Begriff „Substanz“ im Mittelalter gar nicht unbedingt „Materie“ wie im heutigen Sprachgebrauch, sondern so etwas wie „Wesenheit“. Nach katholischem Verständnis wird also das Wesen des Brotes (erst durch den Priester) gewandelt, nicht etwa die Materie des Brotes, auch wenn das letztere Verständnis (also Missverständnis!) heute beim katholischen Kirchenvolk sehr verbreitet ist und von katholischen Kirchenleitungen auch wenig unternommen wird, dieses Missverständnis ein für alle Male aufzuklären und theologisch eindeutig zu reden.

Die Abendmahlslehre der Reformatoren – Rückkehr zu ihrer geistlichen Dimension Was passiert im Abendmahl? Was nehmen wir da in uns auf und auf welche Weise? Auf welche Weise ist Christus im Abendmahl gegenwärtig?

Diese Fragen beschäftigten auch die Reformatoren und die im 16. Jh. gerade neu entstandenen reformatorischen bzw. evangelischen Kirchen. Auf den Punkt gebracht kann man sagen: so unterschiedlich auch die Akzentsetzungen der einzelnen Reformatoren und evangelischen Traditionslinien (reformiert und lutherisch) im Blick auf die Abendmahlslehre waren, prinzipiell stellten sie eine Rückkehr zu ihrer geistlichen Dimension dar, die durch die im 13. Jh. neu eingeführte Lehre vom Wandel der Substanz und vor allem ihre missverständliche und falsche Auslegung zunehmend in den Hintergrund getreten war, ebenso wie Christus selbst als der Einladende durch die rituelle Funktion des Priesters beim Wandel und seine Worte zunehmend verdrängt wurde. Bis zur Zeit der Reformation, war das noch ein innerkatholischer Streit, der mit Setzung eines neuen Dogmas vorerst beendet worden war. Mit dem Ausbruch der Reformation distanzierten sich die Reformatoren aber nicht nur von dieser neuartigen Lehre der Wandlung der Substanz, sondern gerieten auch untereinander in Streit um das rechte Verständnis des Abendmahls. So gab es einen folgenreichen Konflikt zwischen den Reformatoren Martin Luther und Ulrich Zwingli sowie ihren beiderseitigen Anhängern um das Sakraments­verständnis des Abendmahls. 1524 – 1529 wechselten Luther und Zwingli sowie deren Anhänger eine Reihe von Streitschriften. 1529 traf sich Zwingli mit Luther und Landgraf Philipp von Hessen. Er war – was die Rechtfertigungslehre betraf – mit Luther einig. Eine Rechtfertigung vor Gott sei nicht durch gute Werke zu erlangen, sondern allein durch den Glauben an den einen Gott und den Sühnetod Christi.

Bei dem Treffen in Marburg (Marburger Religionsgespräch) zeigte sich jedoch, dass die Kontroverse um das Abendmahlsverständnis nicht überwunden werden konnte. Luther sah im Abendmahl das tiefste Erlebnis der sichtbar gewordenen Gnade Gottes. Denn in der Einsetzung des Abendmahls komme es zur praedicatio identica, zu „Leibsbrot“ und „Blutswein“, wie Luther es in seiner Schrift „Vom Abendmahl Christi. Bekenntnis“ 1528 formuliert. In, mit und unter Brot und Wein werde der wahre Leib und das wahre Blut Christi ausgeteilt und mit dem Mund empfangen (Realpräsenz). Auch Luther versteht das nicht wirklich materialistisch. Der humanistisch geprägte Zwingli sah im Abendmahl und seinen Elementen eine symbolhafte Kraft, die Erinnerung an den Auferstandenen wecken sollte. Nur im gläubigen Gedenken der Gemeinde sei Christus auf geistliche Weise gegenwärtig. Gemeinsam abgelehnter Ausgangspunkt beider war jedoch die katholische Lehre der Transsubstantiation, also des Wandels von Brot in Fleisch Christi und von Wein in Blut Christi. So hält Luther in Abgrenzung zu der neuen Lehre, die sich im Verlauf von drei bis vier Jahrhunderten in der zeitgenössischen katholischen Kirche etabliert hatte, fest, dass sich das Brot selbst nicht verändert und auch nicht gewandelt werden muss, da es so oder so von Gott kommt. Neben dem Brot, ist das begleitende Wort für ihn entscheidend, da erst darin Christus vollends gegenwärtig, greifbar wird. Damit soll einerseits der Unterschied zu irgendeinem normalen Abendessen und andererseits zur Magie markiert werden. Luther und Zwingli haben die von Jesus bei der Einsetzung des Abendmahls als von ihm gesprochen überlieferten Worte allerdings unterschiedlich gedeutet. Luther verstand „Das ist mein Leib“ im Sinne des lateinischen „est“ (ist), Zwingli im Sinne von „significat“ (bedeutet). Der eine mehr vom gnädigen Heilshandeln Gottes her gesehen, dem wir unmittelbar anteilhaft werden. Der andere mehr aus der Sicht des Gläubigen, der sich Christus vergegenwärtigt. Letztlich wird Christus auf beide Weisen gegenwärtig. Und das ist das Entscheidende, was uns auch durchaus mit den Katholiken verbindet. Auch dort wird/ist ja Christus gegenwärtig.

Die weitere Entwicklung des Abend­­mahlstreits zwischen den evange­lischen Lagern

Nach Zwinglis Tod 1531 wurden neue Versuche unternommen, den Streit zu überwinden. Vor allem Martin Bucer und Philipp Melanchthon bemühten sich um einen Ausgleich. Es gelang aber nur, mit der Wittenberger Konkordie 1536 die Vertreter der sogenannten „oberdeutschen“ Reformation in das lutherische Lager zu integrieren. Zwinglis Nachfolger blieben ausgeschlossen. Der Genfer Reformator Jean Calvin lehnte Zwinglis Auffassung ab, dass es beim Abendmahl vor allem auf das Handeln der Gemeinde ankomme. Nach seiner Lehre sind Brot und Wein Gnadenmittel, durch die der Gläubige Christus und in ihm die Fülle der Gnadengaben empfängt. Für Calvin ist neben Brot und Wort Gottes Geist anwesend und wesentlicher Motor der geistlichen Aufnahme Christi. Die Gleichsetzung der Elemente Brot und Wein mit Christi Leib und Blut bestritt Calvin, weil Christi Leib materiell im Himmel anwesend sei. Luther akzeptierte Calvins Auffassung zunächst. 1549 einigte sich aber Calvin mit Bullinger im Consensus Tigurinus und näherte sich dabei der zwinglianischen Abendmahlslehre an. Darauf kam es in den 1550er Jahren zum so genannten zweiten Abendmahlsstreit, den der Lutheraner Joachim Westphal 1552 mit einem Angriff auf Calvin eröffnete. Sodann gab es selbst innerhalb des lutherischen Lagers Auseinandersetzungen. Die Leuenberger Konkordie – vom Streit zur Übereinstimmung Ein wesentlicher Schritt zu einer Annäherung im Abendmahlsverständnis innerhalb des Protestantismus war dann schließlich erst in unserer Gegenwart die sogenannte Leuenberger Konkordie: Vom 12. – 16. März 1973 wurde auf dem Leuenberg bei Basel der endgültige Text der Übereinstimmung reformatorischer (= evangelischer) Kirchen in Europa erarbeitet und den beteiligten Kirchen übergeben. Mit der Übereinkunft wurde die Kirchen- und Abendmahlsgemeinschaft zwischen den lutherischen, reformierten und den aus ihnen hervorgegangenen unierten Kirchen sowie den ihnen verwandten vorreformatorischen Kirchen der Waldenser und der Böhmischen Brüder ermöglicht. Dies schließt Kanzel- und Abendmahlsgemeinschaft und die gegenseitige Anerkennung der Ordination ein. Zitat: „Im Abendmahl schenkt sich der auferstandene Jesus Christus in seinem für alle dahingegebenen Leib und Blut durch sein verheißendes Wort mit Brot und Wein. Er gewährt uns dadurch Vergebung der Sünden und befreit uns zu einem neuen Leben aus Glauben. Er läßt uns neu erfahren, daß wir Glieder an seinem Leibe sind. Er stärkt uns zum Dienst an den Menschen. Wenn wir das Abendmahl feiern, verkündigen wir den Tod Christi, durch den Gott die Welt mit sich selbst versöhnt hat. Wir bekennen die Gegenwart des auferstandenen Herrn unter uns. In der Freude darüber, daß der Herr zu uns gekommen ist, warten wir auf seine Zukunft in Herrlichkeit.“

Wo stehen wir heute im Blick auf das Abendmahlsverständnis? Solch positive Botschaft ist weit werbewirksamer für den Glauben als die Fortsetzung von Abendmahlsstreitigkeiten und anderen Unversöhnlichkeiten. Es ist zu hoffen, dass das als Bewusstsein auch heute weiter um sich greift und auch Menschen anderer Konfessionen ergreift. In diese Richtung gehend hat auch der Pfarrgemeinderat des katholischen Pfarrverbandes Roncalli (also unserer katholischen Nachbargemeinde) im September 2018 mehrheitlich folgende Erklärung verfasst, die wir hier gerne im Originalwortlaut zur Kenntnis geben: „Dafür stehen wir ein“ – Erklärung des Pfarrgemeinderates des Roncalli Pfarrverbandes Als notwendige Reaktion auf die Diskussion im Erzbistum, ob auch evangelische Ehepartner katholischer Christen unter Umständen die Kommunion empfangen dürfen, und anknüpfend an die Predigt von Pfarrer Breidenbach zum Fronleichnamsfest in Ostheim, dass alle Christen, die glauben, dass Jesus Christus unter den Gestalten von Brot und Wein wirklich anwesend ist, zur Abendmahlgemeinschaft von Christus eingeladen sind, veröffentlichen wir als Mitglieder des Pfarrgemeinderates im Roncalli-Land die folgende Erklärung, für die wir um Ihre Zustimmung bitten. Denn wir stehen dafür ein, dass nicht nur evangelische Ehepartner katholischer Christen die Kommunion empfangen dürfen, sondern alle Christen, denen die Eucharistie etwas bedeutet. Alle sind durch die eine Taufe in den Leib Christi eingegliedert und gehören zu Christus. Dieses einzig Wahre zählt: Alle Getauften gehören voll und ganz und ohne jegliche Einschränkung zur Gemeinde der an Christus Glaubenden. Es genügt der Glaube, in Brot und Wein Gemeinschaft mit Jesus Christus zu haben. Jesus ist in, mit und unter Brot und Wein gegenwärtig. Er selbst lädt zum Abendmahl ein und nicht kirchliche Gesetze. Wir als katholische Christen können und wollen nicht akzeptieren, dass gläubige Christen ausgeschlossen werden, denen die Eucharistie etwas bedeutet. Unsere Erfahrungen in der Ökumene im Roncalli-Land zeigen, dass wir voranschreiten und nicht stehen bleiben sollen. […]