Zur Geschichte der Evangelischen Kirchengemeinde Köln-Rath-Ostheim

Als im Zeitalter der Reformation zahlreiche Staaten die Lehre Luthers bei sich einführten, gehörte das Herzogtum Berg, in dem damals die Dörfer Ostheim, Rath und Heumar lagen, nicht dazu. Herzog Wilhelm V. (1539 – 1592) hielt zwar Reformen im kirchlichen Bereich für notwendig und stand auch der neuen Lehre recht nahe. Aber obwohl er Ostern 1543 das Abendmahl unter beiderlei Gestalt nahm, was in anderen Ländern auto­ma­tisch den Übertritt auch aller Untertanen zur evangelischen Kirche bedeutete, fiel er nicht von Rom ab. Jahrzehntelang schlug er, wie schon sein Vater, Herzog Johann, einen mittleren Weg zwischen den strengen Klerikalen und den Protestanten ein.

Herzog Wilhelm V. (1539 – 1592) – Copyright: wikimedia

Im Herbst 1543 musste Herzog Wilhelm nach einem verlorenen Krieg sich dem Kai­ser gegenüber verpflichten, keine reli­giösen Neuerungen in seinen Landen zuzulassen. Diese Bestimmung des Ver­trages hielt der Herzog jedoch nicht besonders streng ein, so dass es möglich war, dass während seiner Regierungszeit zahl­reiche Geistliche mit ihren Ge­mein­deglie­dern zur neuen Lehre über­traten, in unserer Nachbarschaft z.B. in den Orten Volberg, Honrath, Wahl­scheid und Seelscheid, die seitdem eine evangelische Enklave im katholischen Umland bildeten.

Andere evangelisch gewordene Gemeinden der Kölner Umge­bung, wie Bensberg, Lülsdorf, Sieglar, Immekeppel wurden im Zeitalter der Gegenreformation wieder katholisch.

Sogar im Kirchspiel Merheim mit den Dörfern Ostheim, Rath und Brück nahm kurz vor 1580 der dortige Pfarrer – er hieß Oliverius – das Augsburgische Bekenntnis (ev. – lutherisches Bekenntnis) an. Nach seinem alsbaldigen Tode entfernte sein Nachfolger Engelbert Westphal jedoch schon 1585 die Neu­erung.

Die ersten Evangelischen im Gebiet unserer Kirchengemeinde erschienen dann erst wieder im 19. Jahrhundert. Nach der Volks­zählung von 1830 hatte das Dorf Rath zwei Evangelische, 1840 jedoch keinen. In Ostheim gab es 1840 einen einzigen. Vermutlich war es Friedrich Theis aus Ründeroth, der 1829 die Ostheimerin Margarethe Mettmann heiratete und 1847 starb.

Innerhalb der Kölner Stadtmauern durften bis 1802 kein evangeli­scher Kultus ausgeübt und damit auch keine Gottes­dienste gefeiert oder gar Kirchen errichtet werden. Erst die napole­onische Besatzungsmacht mit ihren gesetzlichen Vorga­ben, die von der französischen Revolution herkamen, ermög­lichte den dortigen Evangelischen die volle Glaubens- und Kultus­freiheit.

Die evangelische Kirchengemeinde jener Zeit für das rechtsrheini­sche Vorgelände Kölns war Mülheim am Rhein.

Abb. 1 In diesem Brauhaus in der Schildergasse wurde 1802 der erste öffentliche evangelische Gottesdienst innerhalb der Kölner Stadtmauern (copyright: wikimedia)

Die Stadt war damals eigenständig und gehörte somit nicht zum Kölner Stadtgebiet. Das Gebiet der evangelischen Gemeinde Mülheim umfasste das heutige rechtsrheinische Köln. Aus ihrem südlichen Teil wurde 1855 die Vikariatsgemeinde Deutz gebildet, die schon zwei Jahre später Pfarrei wurde. Als dann die Industrialisierung des Ortes Kalk voranschritt und sich zahlrei­che evangelische Arbeiter ansiedelten, errichtete man zunächst auch hier eine Vikariatsgemeinde mit einem Betsaal und einem Hilfsprediger, mit einem provisorischen Kirchenvor­stand und eigenen Kirchenbüchern für die Aufzeichnungen der Amtshandlungen (1870).

Abb. 2 Chemische Fabrik Kalk im Jahre 1859 (copyright: Wikimedia)

1877 wurde sie zur Pfarrgemeinde Kalk. Diese umfasste noch immer ein riesiges Gebiet: Sie reichte vom Rhein bis zum Königs­forst und im Süden bis zur Wahner Heide, oder, wie man damals sagte: Sie erstreckte sich drei Stunden in der Länge und ein bis eineinhalb Stunden in der Breite. Auch Ostheim, Rath und Heumar lagen in ihr.

Das Gotteshaus der Gemeinde Kalk war die Presbyterkirche in der Victoriastraße (heute Vietorstraße). Ihr außergewöhnlicher Name rührte daher, dass zur Finanzierung ihres Baues alle deutschen Presbyterien angeschrieben und um eine Spende von wenigstens drei Mark gebeten worden waren. 1400 Gemeinden hatten 8000 Mark erbracht. Diese oder ähnliche Strategien wie Kollekten und Lotterien waren in früheren Zeiten durchaus ver­breitet, um einen Kirchbau durch überregionale Hilfe voran­zutreiben.

Blättert man in den alten Kalker Kirchenbüchern, so erscheinen Gemeindeglieder aus Rath-Heumar zunächst nur ganz verein­zelt. Die evangelischen Kinder Ostheims besuchten die katholi­sche Elementarschule des Ortes. Bei 12 evangelischen Kindern gab es gewöhnlich auch evangelischen Religionsunterricht. 1890 hatte die Schule neben 69 katholischen nur zwei evangeli­sche Kinder (Johann Grün und Karl Schultheis). Als es nun im Jahr 1904 neun Schüler(innen) aus Ostheim und Höhenberg waren, beantragte der Kalker Pfarrer Vietor vorzeitig die evangeli­sche Unterweisung. Er war bereit, dazu seinen Lehrvi­kar ohne Bezahlung zur Verfügung zu stellen. Pfarrer Vietor bat le­diglich um einen Raum und um Heizung im Winter. Dem Wunsch wurde entsprochen, und seit dem 10. Februar 1904 kam der Vikar aus Kalk nach Ostheim. Er konnte dabei sogar die kurz zuvor eröffnete Straßenbahnlinie benutzen. Das Presbyte­rium bewilligte das Fahrgeld.

Ein Jahr später war die Schlüsselzahl 12 erreicht, und nun kam für eine längere Zeit ein (bezahlter) Lehrer, Wilhelm Frentzen, aus Kalk und erteilte an jedem Mittwochnachmittag zwei volle Stunden evangelischen Religionsunterricht. Nach Fertigstellung der Schule in Höhenberg mussten die neun evangelischen Schüler Ostheims ab 1912 in den Nachbarort wandern, denn dort waren es 16.

Um diese Zeit hatte Ostheim 48 evangelische Einwohner insge­samt. Da waren die Familien Baumann (aus Ostpreußen), Ponto (Prov. Posen), Rehtanz, Teschner, Jakobs, Student, Grob, Schreiber, Berger. In Rath gab es 1910 nur 35 Evangelische, darunter die Familien Buckow, Liebelt, Pauli, Gebauer, Kachel­mus, Berndtgen.

Abb. 3 Evangelisches Krankenhaus Kalk im Jahre 1905 (copyright: wikimedia)

Ein großes Projekt der Gemeinde Kalk stellte in jener Zeit der Bau des Evangelischen Krankenhauses in Kalk dar, das 1904 zunächst mit 56 Betten errichtet wurde.

Als die Kirchengemeinde Kalk durch Zuzug vieler Evangelischer immer größer wurde, trennten sich zunächst die im Süden liegenden Gebiete der Bürgermeistereien Heumar und Wahn von Kalk und bildeten die neue Kirchengemeinde Porz (1902 / 1909).

Im Stadtteil Humboldtkolonie wurde 1908 zur ausreichenden kirchlichen Versorgung der Evangelischen ein Filialbezirk der Gemeinde Kalk eingerichtet, und zwar unter Einschluss der Ort­schaften Poll (bis 1928), Vingst, Höhenberg, Ostheim und Rath, mit insgesamt 2000 Gemeindegliedern. Im Hinterhaus der Esserstraße 7 mietete man eine ehemalige Schreinerwerk­statt als Betsaal, der allerdings nur 6 x 9 m groß war und höchstens 120 Personen fasste. Gleichzeitig wurde ein Hilfspredi­ger angestellt, der die Aufgabe hatte, die Gemeinde­glie­der zu sammeln, kirchlich zu versorgen und die Bildung einer eigenen Gemeinde in die Wege zu leiten.

Im Jahr 1914 stand man kurz davor, das dringend benötigte Kirchengebäude in der Humboldtkolonie zu errichten, als der Erste Weltkrieg ausbrach, wodurch sich die Ausführung des Plans um fast eineinhalb Jahrzehnte verschieben sollte. Erst im Juli 1928 konnte das Gustav-Adolf-Haus in der Hachenburger Straße eingeweiht werden.

Auch die Errichtung einer Pfarrstelle in der Humboldtkolonie wurde immer dringlicher. Die Vielzahl der Tätigkeiten konnte nur von einer ständigen Kraft bewältigt werden. Nur ein ansässi­ger Pfarrer konnte den Bezirk gründlich kennenlernen, während ein Hilfsprediger oft schon nach dem vorgeschrie­benen Jahr weiterzog und ein neuer sich erst wieder einarbeiten musste.

Auch hier verzögerte der Erste Weltkrieg die Entwicklung erheblich. Nach Regelung der finanziellen Seite stimmte aber schließlich der evangelische Oberkirchenrat in Berlin der Umwandlung der Hilfspredigerstelle in eine Pfarrstelle zu.

Abb. 4 Gustav-Adolf-Haus in der Humboldtkolonie (copyright: Prof. Heinz Wedewardt)

Seit dem 1. April 1921 hatte die Gemeinde Kalk somit ihren dritten Pfarrbezirk, in dessen Mittelpunkt zunächst noch allein der Arbeiterstadtteil Humboldt stand, während die Außen­posten Ostheim und Rath wegen ihrer geringen Zahl an evangelischen Bewohnern bis dahin eher stiefmütterlich behan­delt worden waren. Das sollte in den kommenden Jahren anders werden.

Nach einigem Abstand vom verlorenen Krieg und nach Einführung einer stabilen Währung begann in den rechts­rheinischen Kölner Vororten eine rege Bautätigkeit mit An­siedlung auch zahlreicher Evangelischer. Im Rather Ortsteil in der Siedlung Königsforst, der heute sogenannten „Göttersied­lung“ (die Straßenzüge wurden nach germanischen Göttern benannt), wurden gezielt preußische Staatsbedienstete angesie­delt, die zu einem nicht geringen Teil protestantisch waren.

Im Frühjahr 1924 ging bei der Gemeinde Kalk ein 24 Unterschriften tragender Antrag aus Rath und der Siedlung Königsforst ein mit der Bitte um Abhaltung von Gottesdiensten in diesem Vorort an jedem vierten Sonntag. Pfarrer Spickmann schlug auf der Presbytersitzung vom 2. Mai unter dem Beifall der Versammlung vor, zunächst im Sommer ab und an einen Waldgottesdienst zu veranstalten und für den Winter einen Saal zur Abhaltung von Gottesdiensten ausfindig zu machen.

Im Jahre 1924 fand also erstmals evangelischer Gottesdienst in Rath statt und zwar in der Waldschule Königsforst und – nach einer mündlichen Überlieferung – bei einer Familie Bachmann am Rather Mauspfad.

Ein Jahr später wurde Pfarrer Spickmann beauftragt, sich mit dem Vorstand der Siedlungsgenossenschaft Königsforst in Ver­bin­dung zu setzen und ihn zu bitten, der Gemeinde Kalk schon jetzt innerhalb der Siedlung einen geeigneten Platz für die spätere Errichtung eines kirchlichen Gebäudes vorzumerken.

Als im Jahr 1926 auf einer Presbytersitzung über die Benutzung eines Privatraums zur Abhaltung von Gottesdiensten im Königsforst und über die Miethöhe diskutiert wurde, machte der Rather Presbyter Wilhelm Becker einen kühnen Vorschlag. Er empfahl der Gemeinde Kalk den Erwerb eines Eigenheims mit Hilfe der Siedlungsgenossenschaft.

Das zu erbauende Haus sollte auf einem 1040 qm großen Grundstück an der Wodanstraße / Ecke Freyastraße liegen und in Unter- und Obergeschoss je vier Räume enthalten. Unten sollten zwei Räume durch Entfernen der Mittelwand in ein für kirchliche Versammlungen hinreichend großes Sälchen verwan­delt werden, ein Raum als Amtszimmer für den Pfarrer oder als Kleiderablage dienen, der vierte Raum und das Obergeschoss sollten vermietet werden, wodurch sich die finanzielle Belastung stark verringern würde.

Die größere Gemeindevertretung bezeichnete das Projekt als günstig, konnte sich aber letztlich nicht zur Durchführung entschließen, auch deshalb nicht, weil der dritte Pfarrbezirk bis dahin noch immer kein eigenes Gotteshaus in der Humboldt­siedlung besaß.

So entschied Wilhelm Becker, obwohl schon über 60 Jahre alt, das Haus auf eigene Kosten zu errichten. Nach Fertigstellung im Jahr 1927 bot er der Gemeinde die Übernahme des Hauses Wodanstraße 47 oder die Mietung des Betsaals in demselben an.

Abb. 5 Das Innere des Hauses Wodanstraße 47: Der Betsaal (copyright: Klaus Weisshaar)

Das Presbyterium beschloss einstimmig die „Mietung zu einem monatlichen Mietsatz von 50 M“ und behielt sich das Vorkaufsrecht vor. Ein Harmonium wurde angeschafft, ein fester Predigtturnus mit monatlichem Gottesdienst eingerichtet.

Bereits im Oktober 1928 verstarb Wilhelm Becker, und nun war guter Rat teuer – und, wenn man so will, auch gutes Rath. Nach längerem Zögern kaufte die Gemeinde Kalk das Haus im Frühjahr 1929 schließlich doch, um sich den Betsaal zu erhalten, ohne den 500 Evangelische kirchlich heimatlos geworden wären. Nachträglich gesehen eine glückliche Entscheidung!

Auch in Ostheim wurde in den 20er Jahren viel gebaut. Die Einwohnerzahl verdoppelte sich zwischen den Volkszählungen von 1925 und 1933, die Zahl der Evangelischen stieg von 110 auf 417.

Pfarrer Dr. Söhngen rief Anfang 1930 eine evangelische Vereinigung ins Leben (in Rath-Königsforst gab es sie schon), die alle Evangelischen zusammenschließen sollte. Schwierig war es, einen geeigneten Raum für Zusammenkünfte zu finden. Eine Zeitlang traf man sich im Saal einer Gaststätte, dann erwies sich der von der Stadt gemietete Schulraum als unzureichend, der in den Abendstunden kein Licht hatte, schließlich stellte ein Gemeindeglied, der schon über 70-jährige ehemalige Werkmeister Friedrich Blackert, ein Zimmer seiner Wohnung in der Ostmerheimer Straße 18 (heute Werntgenstraße) zur Verfügung. Alle 14 Tage fanden hier bis zum Sommer 1934 Bibelstunden statt.

Es war vor allem das Verdienst des Ostheimer Presbyters Hans Waltz, dass endlich ein größerer Raum gefunden wurde: Man mietete eine Werkstatt im ehemaligen Maschinenhaus der Ringofenziegelei Kuhlmann am Buchheimer Weg 40 und ließ sie von der Baufirma Hermann Janssen zu einer Stätte gottes­dienstlicher Verrichtung umbauen.

Am Sonntag, dem 23. September 1934 fand die Eröffnung des neuen Betsaals in Ostheim statt. Lange vor Beginn waren sämtliche Stühle besetzt; viele Besucher konnten nur noch einen Stehplatz vor den geöffneten Türen draußen im Freien einnehmen. Den Gottesdienst hielt Pfarrer Walter Wilke.

An der Ausstattung fehlte zunächst noch einiges: Die 85 Stühle waren geliehen, und der Gemeindegesang wurde an diesem Tag von zwei Geigen begleitet. Bald darauf kaufte man ein Har­monium.

Die Gottesdienste fanden in Zukunft am ersten Sonntag im Monat statt (9.00 Uhr), die Kindergottesdienste an jedem Sonntag (10.15 Uhr). Bibelstunden waren an jedem zweiten Dienstag (20.30 Uhr). Fast der gleiche Turnus bestand in Rath, nur dass dort seit dem Anfang der 30er Jahre der Gottesdienst alle 14 Tage war.

1938 wurde aus den Stadtteilen Ostheim und Rath ein Hilfspredigerbezirk gebildet, der jeweils von einem jungen Bruder verwaltet werden sollte, den die Bekenntnissynode des Rheinlandes der Gemeinde zuwies. Dies war von 1938 –1941 Pastor Ernst Dietrich.

Dazu muss man wissen, dass in der Evangelischen Kirche zur Zeit des Nationalsozialismus hauptsächlich zwei verschiedene Strömungen bzw. Parteiungen existierten. Die Mehrheit stellten die sogenannten „Deutschen Christen“ dar, die in ihren theologischen und kirchenpolitischen Zielen voll und ganz der Ideologie des Nationalsozialismus nahestanden und suchten, diese innerhalb der Kirche umzusetzen (z. B. Zerschlagung synodaler und presbyterialer Strukturen und Gleichschaltung der Ev. Kirche unter der Leitung eines Reichsbischofs, Befreiung der Gottesdienste von allem „Undeutschen“ – es sollte kein „Halleluja“ mehr erklingen, Geltung des Arierpara­graphen in der Kirche etc.).

Die „Bekennende Kirche“ hingegen wollte die Kirche ideolo­giefrei halten und auch organisatorisch in ihrer Form aufrechterhalten. Sie wehrte auf der Grundlage des Evangeli­ums dem Anspruch des totalitären Staates das erste Mal öffentlich und nachdrücklich durch das auf der Synode in Barmen 1934 verfasste Bekenntnis. Die Kalker Gemeinde gehörte zu den wenigen bekenntnisorientierten evangelischen Gemeinden Kölns, deren Pfarrer, Pastoren, Vikare, Diakone und auch ehrenamtliche Verantwortungsträger von der Gesta­po bespitzelt und zu Verhören abgeholt wurden.

Die Konfirmationen des dritten Pfarrbezirks fanden seit 1929 im Gustav-Adolf-Haus in Humboldt-Gremberg statt. Der Kirchliche Unterricht zur Vorbereitung auf die Konfirmation betrug traditionsgemäß zwei Jahre. Als 1939 im Hitler-Staat der Religionsunterricht an den Volksschulen abgeschafft wurde, auf dem der kirchliche Unterricht aufbaute, führte die Evangelische Kirche ein drittes Vorbereitungsjahr ein, das sogenannte Vorkatechumenat (in Kalk ab Pfingsten 1940). Für jeden Orts­teil konnte eine eigene Lehrkraft gefunden werden; in Ostheim war es Frau Dr. Meder.

Nach den Sommerferien 1941 wurde auch eine biblische Kin­der­lehre für die 6 – 11 jährigen aufgenommen. Hierfür stellte man eine hauptamtliche Kraft ein.

Im zweiten Weltkrieg, in dem fast alle kirchlichen Gebäude Kalks durch Fliegerbomben zerstört wurden, blieben die beiden Betsäle in Ostheim und Königsforst erhalten. Gottesdienste durften jedoch sonntags nicht mehr vor 10.00 Uhr stattfinden, wenn nach Mitternacht noch Luftalarm gewesen war. So wich man 1941 auf die Nachmittagsstunden aus, 1943 auf den Samstagabend.

Luftaufnahme Rath (copyright: wikimedia)

Während der Kampfhandlungen im Frühjahr 1945 im rechts­rheini8schen Köln mussten die Gottesdienste natürlich ausfallen. Aber bereits auf der zweiten Presbytersitzung nach dem Kriege, am 30. Juli 1945, heißt es: „Auch Ostheim wird wieder bedient.“ Ab August 1945 fanden in Ostheim und Königsforst an jedem Sonntag Gottesdienste statt.

Nachdem in Ostheim das Haus, in dem sich der Betsaal befand, an seinen Eigentümer zurückgegangen war, fragte Pfarrer Wilke auf der Suche nach einem geeigneten Raum auch vorsichtig bei seinem katholischen Kollegen, Pfarrer Knoche (Ostheim), an, ob er nicht den kleinen Saal des katholischen Jugendheims neben der Servatiuskirche für den evangelischen Gottesdienst benutzen dürfte. Pfarrer Knoche sagte ganz spontan: „Das ist doch selbstverständlich, dass Sie hier bei mir Ihre Gottesdienste halten können!“ [1] Der Kirchenvorstand von St. Servatius stimmte im Februar 1948 zu, und so hatte man für die nächsten Jahre wieder einen vernünftigen Raum in Ostheim.

Inzwischen war die seit mehreren Jahren vakante erste Pfarrstelle der Gemeinde Kalk wieder besetzt worden. Im Juli 1947 hatte das Presbyterium Pfarrer Herbert Noelle aus Daaden bei Betzdorf / Sieg gewählt. Es dauerte jedoch noch fast ein Jahr, bis Pfarrer Noelle am 6. Juni 1948 im Gustav-Adolf-Haus in sein Amt eingeführt werden konnte, da die vorgesehene Dienstwohnung in der Wodanstraße 47 über dem Betsaal nicht eher freigeworden war.

Schon kurz nach der Wahl von Pfarrer Noelle hatte man die drei Bezirke der Kalker Kirchengemeinde neu eingeteilt. Der dritte Pfarrbezirk verlor die Humboldtkolonie und bestand jetzt nur noch aus Merheim westlich der Autobahn (bis 1954), Ostheim und Rath. Herbert Noelle wurde Pfarrer dieses dritten Bezirks.

Seit dem 1. Dezember 1947 hatte der neugebildete Bezirk auch eine eigene Gemeindeschwester, die Diakonisse Hanni Hiltner vom Bergischen Mutterhaus Aprath bei Wuppertal. Sie wohnte im Haus Wodanstraße 5, sammelte schon bald einen Mäd­chenkreis um sich, mit dem sie Lieder einstudierte, und spielte in den Gottesdiensten auf dem Harmonium.

Am 1. Oktober 1950 kam der Ortsteil Heumar durch Umge­meindung wieder an die Gemeinde Kalk zurück. 41 Jahre lang hatte er die Geschicke der Kirchengemeinde Porz geteilt, wo schon 1883 die Lutherkapelle und 1916 (1922) die Lukaskirche errichtet worden waren. Aber durch die große Nähe zu Rath-Königsforst war eine Zugehörigkeit zum dritten Pfarrbezirk der Kalker Gemeinde natürlich praktischer. Bereits nach dem Krieg wurden die Heumarer zusammen mit den Rather Jugendlichen in der Kalker Gemeinde konfirmiert. Klaus Weißhaar, ein Zeitzeuge, aus Heumar erinnert sich: „Pfarrer Wilke, der bei uns nach dem Krieg wohnte, hat 1945 bereits den Konfirman­denunterricht bei uns im Haus aufgenommen, und alle sind dann auch bis 1948 im Gustav-Adolf-Haus in der Humboldt-Siedlung konfirmiert worden.“ Allerdings war dies zugleich der letzte Jahrgang, dessen Konfirmationsfeier im Gustav-Adolf-Haus stattfand. Ab 1949 fanden die Konfirmatio­nen dieses Bezirks nur noch vor Ort im Betsaal in der Wodanstraße 47 statt.

Bei der Volkszählung 1950 hatte Ostheim 4170 Einwohner, darunter 867 evangelische (20,8 %).

Damit ergab sich die Notwendigkeit des Baus einer Kirche in Ostheim. Der große Tag der Einweihung der Auferstehungs­kirche war der 21. März 1954, der Sonntag Oculi.

Abb. 7 Von links nach rechts: Gerhard Langmaack, Oberkirchenrat Boué und Pfarrer Herbert Noelle bei der Einweihung der Auferstehungskirche (copyright: Gemeindearchiv)

Nur 14 Tage später, am 04.04.1954, fand die erste Konfirma­tions­feier in der neuen eigenen Kirche statt. 1949 und 1950 hatten sie im Betsaal Wodanstraße, 1951 aus Platzgründen im Gustav-Adolf-Haus, 1952 in der Jesus-Christus-Kirche in Kalk stattgefunden.

Abb. 8 die Auferstehungskirche in Ostheim (copyright: Gemeindearchiv)

In der Gemeindearbeit wurde die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen ein wichtiger Schwerpunkt. Eine der bekannte­sten Aktionen war die „Stadtranderholung“ im Königsforst bei Kleineichen, an der oft mehr als 100 Kinder teilnahmen. Die Aktion wurde 1955 begonnen und begeisterte bis 1964 jährlich Kinder und Betreuer.

In der Kirchengemeinde Kalk mit ihren inzwischen fast 30 000 Gläubigen kam 1956 erstmals der Gedanke der Teilung auf. Man dachte dabei an eine Verselbständigung der vier bestehen­den Pfarrbezirke Kalk, Kalk-Humboldt, Rath-Ostheim und Höhenberg-Vingst. Diese Überlegung wurde einmal durch den enormen Zuzug in den Pfarrbezirken Rath-Ostheim und Höhenberg-Vingst ausgelöst.

Zum andern war es in der Frage der Abendmahlspraxis zu erheblichen Auseinandersetzungen gekommen. Schon 1910 hatte das Presbyterium aus Gründen der Hygiene den Gebrauch von Einzelkelchen in vier „Nebengottesdiensten“ im Advent, in der Passionszeit, an einem Ostertag und in der Trinitatiszeit zugelassen. Diese Praxis nahm Kurt Butterweck, Pfarrer in Kalk von 1941 bis 1966, auf Anregung eines Presbyters wieder auf. Dieses sorgte jedoch in den anderen Pfarrbezirken für Unverständnis und Ärger, da man offenbar die Einführung des Einzelkelches in den anderen Bezirken befürchtete. Der Einzelkelch war – besonders für die vielen zugezogenen Ostflüchtlinge – undenkbar. Die Fronten schienen so verhärtet, dass man Superintendent Encke und den landeskirchlichen Dezernenten Boué um Vermittlung bat, denen im April 1956 auch ein Kompromiss gelang.

Die Auseinandersetzungen waren offenbar aber so schmerzlich gewesen, dass eine fruchtbare Zusammenarbeit kaum zu erwar­ten war. Im Oktober 1956 beschloss jedenfalls das Presbyterium dann die Teilung, das Landeskirchenamt in Düsseldorf stimmte mit Schreiben vom 29. Juli 1957 dem gestellten Antrag zu. Auf der letzten gemeinsamen Presbytersitzung am 2. September wurde der Grenzverlauf der neuen Pfarrgemeinden festgelegt, ferner bestimmt, dass Grundstücke, Inventar, Kassen usw. in das Eigentum der neu gebildeten Gemeinden in der Weise über­gehen sollten, wie sie den bisherigen Bezirken zugehörten. Das Evangelische Krankenhaus Kalk sollte gemeinsames Eigentum bleiben. Das Presbyterium legte auch fest, dass alle vier Gemeinden „uniert“ seien, dass in den Gemeinden Rath-Ostheim und Höhenberg-Vingst jedoch der lutherische Kate­chis­mus verwendet wird.

Am 1. Oktober 1957 trat die Zustimmung der Landeskirche zur Selbständigkeit in Kraft. Es war der Geburtstag der Gemeinde Köln-Rath-Ostheim.

Am 1.10.1957 hatte sich also der bislang 3. Pfarrbezirk Rath-Ostheim der Gemeinde Köln‑Kalk verselbständigt. Es wurde nicht sogleich ein neues Presbyterium gewählt, sondern die bisherigen Presbyter des dritten Pfarrbezirks (u. a. Erich Werner, Gottfried Töppe, Max Weißhaar) in einen Bevoll­mächtigten-Ausschuss unter kommissarischem Vorsitz von Pfarrer Noelle vom Kreissynodalvorstand berufen. Der Aus­schuss wurde durch Zuwahl ergänzt und schließlich in ein Presbyterium umgewandelt. Zur ersten Pfarrstelle wurde Rath, zur zweiten Ostheim ernannt.

Letztere war jedoch noch landeskirchlich zu genehmigen und zu besetzen. Die Besetzung erfolgte am 1. August 1958 durch Pfarrer Hermann Steinhoff, der vom Landeskirchenamt zu­nächst als Pfarrverweser eingesetzt, am 2. April 1959 zum Pfarrer des zweiten Pfarrbezirks gewählt und dann am 24. Mai 1959 in sein Amt eingeführt wurde.

Eberhard Herrmann

(Skript weitestgehend übernommen aus: „Geschichte der Evangelischen Kirchengemeinde Köln-Rath-Ostheim“ zum 50-jährigen Jubiläum der Auferstehungskirche in Ostheim, dort derselbe: Von der Reformation bis zur Gemeindeerrichtung. S. 9-26; Ergänzungen, Kürzungen und geringfügige Abänderungen: Pfarrer Dr. Gerhard Wenzel)

[1] So mündlich von Alt-Presbyter Karl Schneider überliefert
(* 20.11.1902, … 09.03.2000)