Lasst uns gehen, den HERRN anzuflehen und zu suchen den HERRN Zebaoth; wir wollen mit euch gehen.
Sacharja 8,21
Als sie den Lobgesang gesungen hatten, gingen sie hinaus an den Ölberg.
Markus 14,26
„Willst Du mit mir gehen?“ – so sagte man in meiner Jugendzeit, wenn man mit einem Mädchen zusammen sein wollte. Menschen, die ihre Goldene Hochzeit feiern, sagen mir rückblickend oft: „Wir sind durch dick und dünn gegangen.“ Von der Weg-Gemeinschaft, von dem gemeinsamen Gehen ist auch hier in den Bibelversen die Rede. Auch hier ist das Gehen als ein Miteinander-Gehen, als ein Mitgehen in gegenseitiger Solidarität verstanden. Und in beiden Versen verbindet sich das gemeinsame Gehen mit der Bewältigung einer leidvollen Herausforderung. Bei Sacharja ist es die Erfahrung Israels von Verschleppung und Leben in der Unterdrückung im Exil in Babylonien. Im Markusevangelium ist es der Moment, wo Jesus gerade das letzte Abendmahl mit seinen Jüngern gefeiert hat und mit ihnen nun auf den Ölberg in den Garten Gethsemane gehen will, also der Beginn seines Leidensweges, wo all das bevorstehende Leid im Raum steht und beim Namen genannt wird. Das ist das eine, was wir diesen beiden Versen als Gedankenimpuls entnehmen können: Leid lässt sich im gemeinsamen Gehen besser bewältigen, als wenn jeder seine eigene Wege geht. Das muss wohl auch für uns zu Zeiten der Corona-Krise besonders in Erinnerung gerufen werden. Das andere ist, dass die hier in den jeweiligen biblischen Kontext betroffenen Weggefährten nicht nur gerade gemeinsam unterwegs sind, sondern sich auch gemeinsam auf Gott ausrichten. Vom „Anflehen“ ist bei Sacharja die Rede. Und wir wissen, dass auch Jesus in seinem Gebet Gott angefleht hat. Anflehen ist intensives Beten, ist Gott förmlich ins Gespräch ziehen, schütteln, rütteln und nicht loslassen, ist das Bewusstsein, dass er meine letzte Adresse und Hoffnung ist. Mir fehlt bei vielen Menschen unserer Zeit dieses Bewusstsein. Und es bleibt eine Tragik, dass viele erst dann zu beten und zu flehen beginnen, wenn das Elend sie schließlich selbst vollständig erreicht hat und gerade verschlingen will, wie etwa in der Kriegs- und Nachkriegszeit (da waren die Kirchen voll), statt das Gespräch mit Gott auch in der übrigen Zeit zu pflegen und als Teil eigener gelingender Lebensgestaltung zu begreifen. Es bleibt eine Tragik und es bleibt dennoch eigene Verantwortung. Das führen uns die Menschen der Bibel und ihr Erlebtes deutlich vor Augen. Ihr Erzählen bleibt provozierende Einladung. (Pfarrer Dr. Gerhard Wenzel)