Freizeit macht süchtig!

 

Gruppenbild Achensee 2010

 

56 Kinder, 10 Betreuer, zwei Wochen zusammen am Achensee, Wetter – zunächst einmal durchwachsen, später besser, Spaßfaktor hoch, Lärmpegel hoch, Kinder total nett, Betreuer – prima Team: Einer kocht, eine bastelt, eine organisiert, zwei kaufen ein, einer für die Technik, eine für den Spaß und drei als Trampolin, Mitspieler, Bademeister… Und am nächsten Tag auch mal anders herum.

Was reizt daran mitzufahren und sich das alles „anzutun“? Den Lärm, die Verantwortung, die Anstrengung, zu wenig Schlaf, viel Arbeit? Die Eltern sind immer glücklich, dass Ihre Kinder gut versorgt sind, sich gut fühlen, Spaß haben und von einem verantwortungsvollen Team begleitet werden. Finden es prima, dass wir das machen, könnten es sich aber für sich nicht vorstellen.

In der Festschrift schrieb Anemone Gärtner: „Freizeit macht süchtig!“ Stimmt voll und ganz. Seit vielen Jahren sind wir dabei. Unsere Kinder waren anfangs als „Mitfahrer“ dabei, in diesem Jahr dann auch als Betreuer. Die ganze Familie, gepackt von der „Sucht“?

Nicht so ganz, aber ein wenig stimmt es. Schon beim ersten Mal 2001 hat mich die besondere Welt der Freizeit komplett in ihren Bann gezogen. Auffälligstes Merkmal, trotz oder gerade wegen starker Arbeitsbelastung im normalen Leben: Das alles war plötzlich weg. Kein Gedanke mehr an den stressigen Alltag, nervige Kunden, schwierige Projekte, heraus aus all dem. Hinein in eine neue Welt, die Welt der Freizeit. Nicht unbedingt einfacher, ohne Anstrengung und vor allem nicht leiser. Aber ganz etwas anderes, eine Welt mit eigenen Regeln, besonderem Verständnis, anderem Umgang miteinander. Es hat Spaß gemacht! Und es war wunderschön. Die besondere Belohnung bei all dem – Vertrauen und Zuneigung! Ich kannte das schon ein wenig, Jahre zuvor war es einfach das unvoreingenommene Vertrauen der Kinder im Kindergottesdienst, die mich Mitarbeiter werden ließ. Und nun: Zwei Wochen eigene Welt. Die Beanspruchung während dieser Zeit nimmt man so gar nicht wahr, erst nach der Rückkehr, wenn alles von einem abfällt, man zurückkommt, „seine“ Kinder, die einem allesamt (oh ja, auch die nicht so lieben!) ans Herz gewachsen sind, wieder an ihre Eltern zurückgeben muss. Und dann kommt die Leere, die Stille und die Erschöpfung. Aber – die ist schnell vorbei. Wie toll, alle noch einmal wiederzusehen zum Nachtreffen, Geschichten erzählen, Erinnerungen mit Fotos und Filmen und aus Erzählungen wieder auftauchen lassen!

Für die Kinder andererseits ist das Dortsein eine riesengroße Erfahrung! Nicht einfach nur Spaß haben, viele Spiele mit anderen spielen, toben, schwimmen und ähnliches. Vielmehr sich in der Gruppe einfinden, sich mit Gruppenprozessen auseinander setzen, wachsen(!), Verantwortung übernehmen und vielleicht auch einfach etwas mehr dürfen. Weil Ältere dabei sind, weil die Betreuer nicht überall sind, oder weil die Gruppe ganz viel mehr möglich macht. Und wenn‘s mal nicht so gut läuft, es Probleme gibt, das Kuschelbedürfnis zunimmt oder gar Heimweh kratzt… Es ist immer jemand da: Andere Kinder, Betreuer und die jugendlichen HiWi‘s als Brücke zwischen Jung und Alt. 

Ich stelle immer wieder fest, dass die Kinder während der Freizeit viel größer und älter scheinen als sie in ihrer normalen Umgebung tatsächlich sind. Und so werden sie auch angenommen, mit viel Eigenverantwortung und Selbstentscheidung. Drumherum eingebettet in das soziale Netz und die eben wichtigen Regeln der Gemeinschaft.

Auf jeden Fall und ganz sicher ist: Alle Eltern kriegen größere, gewachsene Kinder zurück.

Und ich komme gut erholt und erfüllt zurück – aus unserer Freizeit-Welt!

Martin Kischkoweit-Lopin