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Gedanken zur Tageslosung, Samstag, 23.05.2020

Mose sprach: Siehe, ich lege euch heute vor den Segen und den Fluch: den Segen, wenn ihr gehorcht den Geboten des HERRN, eures Gottes, die ich euch heute gebiete; den Fluch aber, wenn ihr nicht gehorchen werdet den Geboten des HERRN, eures Gottes.
5.Mose 11,26-28

Dient dem Herrn Christus! Denn wer unrecht tut, der wird empfangen, was er unrecht getan hat; und es gilt kein Ansehen der Person.
Kolosser 3,24-25

Viele kennen das Alte Testament nur als Negativfolie zum Neuen Testament. Das Neue Testament sei das Testament des liebenden Gottes, das Alte das des strafenden Gottes. Ich habe schon als Jugendlicher diese Gegenüberstellung nicht verstanden, denn nach dieser Logik müsste unser Gott ja ein Identitätsproblem haben. Warum sollte er sich auf einmal von einem strafenden zu einem liebenden Gott entwickeln? Nein, das sind Zuschreibungen von schlechten Theologen, die recht oberflächlich auf beide Teile der Bibel schauen und in polemisch-apologetischer Absicht das Alte Testament abwerten möchten, um die Überlegenheit des Christentums gegenüber dem Judentum darzustellen.

Hier der strafende, da der liebende Gott ist eine völlig falsche Zuschreibung, die sich einer judenfeindlichen und das Alte Testament verachtenden Leseweise verdankt. In dem alttestamentlichen Bibelvers aus dem 5. Buch Mose werden wir darüber aufgeklärt, dass dem Halten der Gebote nicht Belohnung folgt und dem Nicht-Halten der Gebote nicht Strafe, aber dass die Einhaltung der Gebote Segen nach sich zieht und der Verstoß hingegen Fluch. Dem Alten Testament geht es also nicht um Strafe oder Belohnung, sondern schlicht um die Folgewirkungen des Tuns. Und wie man am Beispiel des Verses aus dem Kolosserbrief sieht, ist genau diese Vorstellung durchaus auch im Neuen Testament zu finden.

Und dafür dürften wir doch heute ganz nachvollziehbare Beispiele vor Augen haben, sowohl, was Corona betrifft als auch unseren Umgang mit der Umwelt. Bestimmte Verhaltensweisen haben irgendwann ihren Bumerangeffekt. Die Folgen des Tuns holen uns ein.

Ehrlich gesagt: Genau so muss es sein, damit der Mensch anfängt, nachzudenken und zur Räson kommt und damit den Schädigenden und den Schäden Grenzen gesteckt werden.  Nur so lernen Menschen Verantwortung zu übernehmen, indem man sie mit den Folgen ihres Tuns konfrontiert. Strafe und Belohnung würden rein gar nichts bewirken, jedenfalls nicht zu einem verantwortungsbewussten Menschen führen. Denn der würde ja nur immer dann reagieren, wenn er gerade einen Vorteil (Lohn) davon hat oder einen Nachteil (Strafe) befürchten muss.

(Pfarrer Dr. Gerhard Wenzel)