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Gedanken zur Tageslosung, Donnerstag 18.06.2020

Noah tat alles, was ihm Gott gebot.
1.Mose 6,22

Es ist der Glaube eine feste Zuversicht dessen, was man hofft, und ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht.
Hebräer 11,1

Zwei Verse, die auf den ersten Blick nichts miteinander zu tun haben. Hier Noah, der auf das Wort Gottes hört, in dem ihm angekündigt wird, dass eine Sintflut das Leben zunichte machen würde und dass er zur Rettung von Mensch (seiner selbst und seiner Familie) und Tier eine Arche bauen soll, was er dann auch befolgt. Da die Empfänger des Hebräerbriefes, die im Glauben bestärkt werden sollen, indem ihnen zugesagt wird, dass der Glaube immer auch Hoffnung ist, nämlich auf eine andere, noch nicht sichtbare, noch ausstehende Wirklichkeit, die anders ist als die, die man gerade erlebt.

In einem Kinderfilm zur Legende von der Arche Noah sieht man das, was in der Bibel nicht erzählt wird, nämlich wie Menschen mitbekommen, dass Noah eine große Arche bauen und sich darüber kaputt lachen, wo aus ihrer Sicht weit und breit kein Wasser zu sehen ist oder ein Anzeichen einer Sintflut. Daran wird deutlich, wie absurd das Handeln Noahs gewirkt haben muss.

Und da haben die beiden Verse dann doch starke Berührungspunkte. Die Menschen in der Noahgeschichte dürften nur eine kurzsichtige Sicht der Wirklichkeit gehabt und geglaubt haben, es bleibt immer alles gleich. Warnende Anzeichen haben sie nicht ernst genommen und haben gewiß diejenigen lächerlich gemacht, die anders dachten und warnten, wie eben Noah. Für sie gilt nur das, was sie unmittelbar vor Augen haben. Die Geschichte hat erstaunlich aktuelle Bezüge, wenn wir uns bewusst machen, wie heute gerne ebenso diejenigen lächerlich gemacht werden, die vor der drohenden Klimakatastrophe warnen und auf bereits veränderte Klimaverhältnisse und Zerstörungen des Ökosystems verweisen. Wie dem tatsächlich wirksam zu begegnen ist, ist freilich dabei noch eine ganz andere Frage. Für Noah jedenfalls war dabei leitend das Vertrauen auf eine Wirklichkeit, die man nicht sah – auf die Wirklichkeit Gottes, die alle Wirklichkeit hier relativiert und uns Schlüssel in die Hand gibt, wie wir uns in oder gegenüber dieser vorläufigen Wirklichkeit verhalten können oder müssen.

Und genau zu solcher Haltung werden ja auch die Leser des Hebräerbriefes ermutigt, für die – anders als in der Noahgeschichte – das Grauen der Wirklichkeit allerdings längst greifbar im Raum stand. Sie selbst waren als Christen zu Verfolgten geworden und erlebten ein Gewaltsystem, ein römisches Kaiserreich, das Menschen und Völker befriedete, indem es sie unterdrückte und knechtete. Wer glaubt, das sei Wirklichkeit von gestern, täuscht sich. Auch das ist heute für viele Menschen gegenwärtig. Wir fühlen uns noch vergleichsweise sicher in diesen Corona-Zeiten. Aber es ist ganz deutlich, dass diejenigen, die an den Rand gedrängt sind oder wenig haben  in dieser Welt diejenigen sind, die wie bereits bei anderen Epidemien oder Wirtschaftskrisen am meisten unter dieser Pandemie zu leiden haben – nicht nur die osteuropäischen Fremdarbeiter in unseren Fleischfabriken z. B., auch diejenigen in deutschen sozialen Brennpunkten oder in den brasilianischen Slums oder anderen Erdteilen dieser Welt. Deren Leben scheint weniger wert zu sein. Was sind die Hoffnungen und Perspektiven dieser Menschen, die sich nicht das “bürgerliche Spielzeug einer Corona-App”  leisten können und ohnehin immer schon ausgeschlossen waren?

Für sie bleibt nur die Hoffnung auf eine andere Wirklichkeit, auf die Wirklichkeit Gottes, die unsere Wirklichkeit wandeln kann und will.

Mag sein, dass sie lange Letzte bleiben werden. Aber schon Jesus hat im Blick auf die Wirklichkeit des kommenden Reiches Gottes  gesagt: “Die Ersten werden Letzte sein und die Letzten Erste…Da wird bei den darüber Lachenden Heulen und Zähneknirschen sein.” Glaubende und die Gebote Gottes Achtende sind Menschen die von einer anderen Wirklichkeit her leben. Sie sehen mehr und müssen diese Angst nicht haben. (Pfarrer Dr. Gerhard Wenzel)