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Gedanken zur Tageslosung, Dienstag 26. Mai 2020

Der HERR schaut vom Himmel auf die Menschenkinder, dass er sehe, ob jemand klug sei und nach Gott frage.
Psalm 14,2

Stellt euch nicht dieser Welt gleich, sondern ändert euch durch Erneuerung eures Sinnes, auf dass ihr prüfen könnt, was Gottes Wille ist, nämlich das Gute und Wohlgefällige und Vollkommene.
Römer 12,2

Wer nicht fragt, bleibt dumm – das vielzitierte Sprichwort gilt umso mehr auf Gott bezogen. Es ist nicht nur klug, nach Gott zu fragen, statt ihn permanent zu ignorieren, wie das in unserer Gesellschaft zunehmend der Fall geworden ist mit der Folge, dass sich die Menschen von Gott genauso entfremdet haben wie von seinem Überlieferungsträger, der Kirche. Es ist auch klug und vor allem weise, nach Gott zu fragen, bevor man überhaupt von Gott redet. Innerhalb der Kirche reden wir oft viel zu viel von Gott und über Gott und fragen zu wenig nach ihm. Formelhaftes Reden von Gott hat noch niemanden zum Glauben gebracht, ebenso wenig wie dauerhafter Moralinsalvenbeschuss in seinem Namen. Ehrliches Fragen und Suchen hingegen führt uns ihm nahe. Und tatsächlich ist mancher Atheist, der nicht in Klischees stecken bleibt, mit seinem kritischen Fragen und Suchen Gott näher, als manch einer, der mit daher geplapperten Plattituden vermeintlicher Glaubensgewissheiten oder besser Glaubenslehren letztlich einen Bogen um Gott macht. Eine Lehre von Gott kann sich schnell als Gottesleere entwickeln, wenn ihr kein Fragen mehr inne wohnt. Im Lateinischen haben interessanter Weise “fragen” und “beten” denselben Wort-Ursprung (“rogare”). Ein Beten, ein Im-Gespräch-mit-Gott-Sein, ist auf gut lateinisch also immer auch ein Fragen. Wo mir die Welt und mein Erlebtes zur Frage wird, da darf Gott nicht weit sein. Da muss auch er mir zur Frage werden. Im Augenblick wird vielen von uns das Leben als solches erneut zur Frage – der Sinn des Lebens ist durch Corona nicht nur erneut zur Frage geworden, weil es Kranke und Tote gibt, was schlimm genug ist, aber de facto schon immer unser Lebensbegleiter ist, sondern vor allem ist der Sinn des Lebens als solcher in Frage gestellt: Alles Miteinander ist durch Kontaktsperren etc. begrenzt, eingeschränkt, menschliche Nähe eingefroren, auf Sparflamme gesetzt – ja, nicht zugelassen. Das, was Leben ausmacht, nämlich das menschliche Miteinander (ohne dem würden und könnten wir unser Leben nicht als Leben bezeichnen) kann /darf momentan nicht sein, jedenfalls nicht in dem Maße, wie wir es brauchen würden. Mir stellt sich da die Frage: Gott, wo bist Du da? Du hast uns das Leben mit seiner Sinnbestimmung geschenkt, da hinein gestellt. Worauf läuft das Ganze nun hinaus? Kannst Du uns retten? Willst Du uns retten? Können wir uns selbst retten? Dieses kostbare (Miteinander-) Leben retten und bewahren? Oder haben wir es nun womöglich endgültig ausverkauft und verloren?

Und das führt mich zu dem, was im Römerbrief ausgedrückt ist: Das Fragen nach Gott ist nämlich immer zugleich auch Fragen nach dem sinnvollen bzw. sinnerfüllten Leben. Und das war in vielen Lebensbereichen schon lange vor Corona doch sehr in Frage gestellt, wo wir unbedingt einer Erneuerung unseres Sinnes bedürfen und uns der Welt in der Tat nicht gleich stellen dürfen. Als Gottsuchende und nach ihm Fragende dürfen wir nicht gedankenlos dabei zusehen, wie das Leben in unserer Gesellschaft zunehmend verroht und sinnentleert wird und seiner eigentlichen Bestimmung nicht mehr gerecht wird, weil in ihr ein reiner Wirtschaftsfundamentalismus und eine stupide Fortschrittsgläubigkeit gepaart mit der Bereitschaft zur Ausbeutung der letzten Ressourcen nur für uns selbst regiert und die Technokratie mittlerweile die Seelenleben bestimmt, statt dass die Seelen die Technik und den Fortschritt bestimmen. Ich brauche nicht jedes halbes Jahr ein neues Smartphone. Wer braucht das? Da wäre es in der Tat angemessen und notwendig,  zu prüfen, was Gottes Wille ist und was für uns tatsächlich gut und wohlgefällig ist. Da die Verdummung in unserer Gesellschaft aber schon lange Schule macht, wird es schwierig sein/bleiben, der Frage nach Gott und damit auch der Frage nach einem sinnvollen Leben in unserer Gesellschaft angemessen nach zu gehen – kurz: Gott und das sinnvolle Leben nicht aus dem Blick zu verlieren. (Pfarrer Dr. Gerhard Wenzel)