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Gedanken zur Tageslosung, Donnerstag 28. Mai 2020

Wende dich zu mir und sei mir gnädig; denn ich bin einsam und elend.
Psalm 25,16

Der Kranke antwortete Jesus: Herr, ich habe keinen Menschen, der mich in den Teich bringt, wenn das Wasser sich bewegt; wenn ich aber hinkomme, so steigt ein anderer vor mir hinein. Jesus spricht zu ihm: Steh auf, nimm dein Bett und geh umher!
Johannes 5,7-8

“Wende dich zu mir und sei mir gnädig; denn ich bin einsam und elend” – diese Verszeile aus den Psalmen spricht nicht nur vielen Trauernden aus dem Herzen, sondern auch Menschen, die ich in diesen Tagen ebenso besonders vor Augen habe – Senioren in Seniorenwohnheimen, die Corona bedingt nicht besucht werden durften oder dürfen. Besonders schlimm in den Fällen, wo sie sich selbst kaum noch artikulieren können und deshalb noch nicht einmal mit ihren Angehörigen per Telefon oder Skype kommunizieren könnten. In einem mir bekannten konkreten Fall durfte der Sohn erst das Heim betreten, als seine Mutter bereits gestorben war. Setzen wir da nicht die falschen Akzente? Die Sicherheit über die Menschlichkeit?

Regulierte Besuche mit Anmeldungen und Sicherheitsvorkehrungen müssen möglich sein – das hat man wohl inzwischen erkannt und in vielen Seniorenheimen (mir ist nicht bekannt, in wie vielen) umgesetzt. Wer macht sich zum Anwalt dieser Menschen, die eher durch Einsamkeit als durch Corona sterben?

Der oder die Betende ruft hier im Psalm Gott selbst an. An wen sollten sich die Betroffenen auch anders wenden, wenn sie bei Menschen kein Gehör finden. Das war schon immer so, zu allen (oft überwiegend von Menschen selbst gemachten) Notzeiten wie Kriegen usw. Da ist nur noch der Eine, auf den man hoffen oder sein Vertrauen setzen kann. Wo der Mensch den Menschen aus dem Blick verloren hat, muss Gott seine Solidarität zeigen und auf den Plan treten und die Pläne durchkreuzen. Eine große Herausforderung, wo er uns das Leben ja eigentlich anvertraut hat. Und dann gibt es die, die sich da noch beschweren und wundern und behaupten, dass Gott das Elend zulässt. Das meiste Elend existiert nicht, weil Gott es zulässt, sondern weil der Mensch es zulässt und verursacht.

Die Bibel zeugt durchgehend davon, und so auch in diesen beiden Versen, dass Gott auf der Seite derer steht, die in Not sind. Und während wir als Menschen oft nur die im Blick haben, die zu den Ersten oder Vorletzten gehören  und nicht zu den Letzten und Allerletzten (das Elend der von Corona Betroffenen hat in anderen ärmeren Ländern dieser Erde noch mal ganz andere Ausmaße als bei uns), gilt die Solidarität und Zuwendung Gottes genau diesen Betroffenen. Das ist die Hoffnung und das Bekenntnis der Bibel – beides in einem – in Versen wie sie uns hier und an anderer Stelle immer wieder im Alten und Neuen Testament begegnen. Und so gesehen ist Gott immer parteiisch. Er stellt sich nämlich auf die Seite der Einsamen, Chancenlosen, Vergessenen,  an den Rand Gedrängten und im wahrsten Sinne des Wortes Liegengelassenen – genau davon erzählt die Geschichte der Heilung des Gelähmten am See bei Bethesda, wo der Betroffene Jesus sein Elend und seien Not beschreibt. Er war der Chancenloseste. Alle anderen waren vor ihm am Wasser mit heilender Wirkung – ein wahrer Kampf um gesundheitliche Versorgung wie wir ihn heute auf ganz andere Weise im Land (besonders in Italien und England) und in der weiten Welt und zwischen den Ländern erleben. Jesus begegnet dem Notleidenden mit eindeutiger und einseitiger Zuwendung und aufrichtenden Worten: “Steh auf, nimm dein Bett und geh umher”. Der Geist Gottes aktiviert die zur Passivität Verurteilten, die sich schon an alles zu sehr gewöhnt haben, mit den Zuständen abgefunden zu haben scheinen und appelliert an deren Selbstheilungskräfte. Und das Wunder, das sich vollzieht, ist, dass dieser Mensch, der abgeschrieben und links liegen gelassen wurde, schließlich wieder auf seinen eigenen Beinen steht. Diese Geschichte atmet den Geist biblischer Hoffnung, den Geist Gottes selbst und will auch heute noch und wieder geatmet werden und ist allen Gelähmten unserer Tage als frohe Botschaft zugesagt. (Pfarrer Dr. Gerhard Wenzel)