You are currently viewing Predigt über Johannes den Täufer

Predigt über Johannes den Täufer

Predigt zum Johannistag am 26.06.22

Die Gnade Jesu Christi und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen.
Amen

Am 24.Juni war Johannistag – uns am Bekanntesten dadurch, dass dort die Spargelernte endet und kein Rhabarber mehr verkauft wird. Zudem sind die Johannisbeeren reif zum Kuchenbacken und Essen.
Der Johannistag ist aber eigentlich ein kirchlicher Festtag im Zeichen der Geburt und der Namengebung Johannes des Täufers. Dessen Geburt verdankt sich nicht nur den „anderen“ Umständen seiner Mutter Elisabeth, sondern außergewöhnlichen Begleitumständen. Davon berichtet der Evangelist Lukas zu Beginn seines Evangeliums, wir haben in der Lesung aus Lukas 1 schon davon gehört.
Es ist eine ungewöhnliche Schwangerschaft und Geburt.
Das Ehepaar Zacharias und Elisabeth befindet sich bereits in betagtem Lebensalter und Elisabeth sei unfruchtbar, so heißt es zunächst. Von Beruf ein Priester versieht Zacharias eines Tages seinen Dienst im Tempel. Während das Volk draußen auf ihn wartet, erscheint ihm drinnen ein Engel. Nicht irgendein Engel – es ist Gabriel, einer der sieben Thronengel Gottes. Gabriel kündigt ihm an, dass Elisabeth einen Sohn zur Welt bringen wird. Zacharias soll ihm den Namen Johannes geben. Weil Zacharias diese Geschichte nicht für voll nimmt und den Worten des Engels nicht vertraut, sorgt dieser für Nachdruck: Der Engel erwidert: „Du wirst stumm werden und nicht reden können bis zu dem Tag, an dem dies geschehen wird“. So kommt es. Zacharias kann das wartende Volk nicht mehr mit Worten segnen, nur noch winken und seinen Tempeldienst stumm versehen.
Ein Höhepunkt in der Zeit der Schwangerschaft Elisabeths ist Marias Besuch bei ihr. Als Maria ihre ältere Verwandte begrüßt, hüpft das Kind in deren Leibe vor Freude. Elisabeth ist im sechsten Monat. Johannes wird schließlich ein halbes Jahr vor Jesus geboren – um die Zeit der Sommer-Sonnenwende.
Acht Tage nach der Geburt kommen nun die Verwandten, um das Fest der Beschneidung und der Namengebung zu feiern. So eine „Baby-Party“ (ohne Beschneidung selbstverständlich) ist ja heutzutage auch sehr beliebt.
Die Verwandten des Kindes erwarteten nun, dass es nach Zacharias, dem Vater, benannt würde.
Doch Elisabeth sagt, es soll Johannes heißen. Und der noch stumme Vater des Kindes schreibt auf eine Tafel ebenfalls den Namen Johannes – „Gott ist gnädig“. So hatte es der Engel ja gesagt. Auf einmal findet Zacharias die Sprache wieder und kann reden. Überschwänglich lobt er Gott (sein Loblied haben wir heute als Psalm miteinander gesprochen, siehe EG 768). Alle Nachbarn staunen sehr und die Neuigkeit verbreitet sich in der ganzen Gegend.

Der, dessen Leben so begann, macht sich auf eine besondere Lebensreise. Sie ist fern ab von dem, was man „normal“ nennt. Johannes war ein gläubiger Mensch, und er lebte seinen Glauben auf seine ganz eigene mutige Weise.
Fragt man mich bis dahin, was mich an diesem Johannes und seiner Lebensgeschichte begeistert, würde ich sagen: Ich erlebe darin ein Beispiel dafür, wie wichtig es ist, dass Eltern ihren Glauben an Kinder weitergeben. Was Eltern mit ihren Kindern in Glaubens- und Lebensfragen nicht besprochen haben – ein Pfarrer oder eine Pfarrerin kann es nicht nachholen!

Johannes stammte ja aus priesterlichem Geschlecht, und das Predigen und sozusagen der Gottesdienst war ihm nicht fremd. Er aber tat dies nie in einem Tempel. Er lebte eher wie ein Prophet, als Einsiedler in der Wüste, ohne einen beständigen Aufenthaltsort.
Man liest von ihm, dass er in der Wüste am Jordan, der Wüste von Judäa, in Betanien oder bei Salim als Täufer aufgetreten ist, der mit einer wirkmächtigen Bußpredigt Menschen anlockte, die durch das Hören seiner Predigt und das Untertauchen in Wasser ein neues Leben mit Gott beginnen wollen.
Ich habe mir erzählen lassen, dass Reisenden heute sowohl am Westufer als auch am Ostufer des Jordans eine „originale Taufstelle“ des Johannes präsentiert wird.
Furchtlos ist Johannes gewesen. Er schert sich nicht darum, was andere von ihm denken. Er trägt ein Gewand aus Kamelhaaren, isst Heuschrecken und wilden Honig, trinkt aber keinen Wein oder starke Getränke. Er rüttelt die Leute wach mit seinen Reden. Er drängt sie zur Umkehr auf ihren eingespurten Wegen. Er tauft alle, die auf ihn hören, mit Wasser. Es ist das Zeichen von Vergebung und Neuanfang.
Johannes, der Prophet in der Wüste, einfach bekleidet und ein rauer Bursche hatte Anhänger. Menschen, die mit ihm zogen. Das ist nochmal für das Auftreten von Jesus kurze Zeit darauf wichtig zu wissen, dass so ein Wanderprediger keine neue „Erscheinung“ war, sondern bereits ein bekanntes Ereignis war.
Ja, Jesus selbst folgte den Worten des Johannes und ließ sich von ihm taufen. Die Taufe ist in der Bibel nicht Jesus, sondern Johannes und später den Aposteln Jesu vorbehalten.
Dass Johannes mit Jesus sympathisierte und kein Blatt vor den Mund nahm, auch gegenüber König und Kaiser, machte ihn angreifbar. Herodes Antipas war hinter ihm her, weil Johannes seine Ehe mit der Schwägerin kritisierte; so lässt dieser ihn ins Gefängnis werfen und anschließend ermorden.
Treu ist Johannes – gegenüber Gott und gegenüber dem, der nach ihm kommt.
Als Johannes bereits im Gefängnis sitzt, vergewissert sich er sich bei Jesus noch einmal: „Bist du es, der da kommen soll, oder sollen wir auf einen anderen warten?“ Als Antwort lässt ihm Jesus seine frohe Botschaft überbringen (vgl. Matthäus 11). Etliche Künstler haben Johannes den Täufer ins Bild gesetzt (2 traditionelle und ein modernes Johannes-Gemälde habe ich Ihnen mal auf eine Blatt abgedruckt).
Im Gemälde „Gesetz und Gnade“ von Lucas Cranach (1529) zeigt Johannes im roten Mantel auf den Gekreuzigten. Dabei schaut er dem nackten Adam – Sinnbild für die ganze Menschheit – tief in die Augen. Erlösung ist bei jenem zu finden, der gekreuzigt wurde und der auferstanden ist.
Ähnlich bei Matthias Grünewald, dessen Gemälde etwa zur gleichen Zeit entstanden ist. Das Auftreten des Johannes wird nachösterlich-kirchlich interpretiert, was man an dem Lamm (Opferlamm Jesu), dem Abendmahlskelch und Kreuz sieht. Auch hier hat Johannes einen deutenden, überlangen Finger.
Und das dritte Bild? Es gefällt mir eigentlich am Besten.
Es ist von Sieger Köder, einem Künstler unserer Zeit.
Mir gefällt, dass dieser wilde Johannes da bis zum Bauch im Wasser steht, und durch die undurchdringliche Mauer von Gesetzen, vielleicht von Sünde und Schuld an den Himmel mit aufgehendem Licht deutet, während seine andere Hand auf einem – vielleicht besonderen Täufling ruht.
Für mich ist Johannes hier das Bindeglied zwischen oben und unten, verbunden mit dem Gottesreich und verankert in Jesus Christus.
Vielleicht könnte uns dieser Johannes, der Johannistag, mal wieder wichtiger werden. Uns aufzurütteln und Mut zu machen.
Dergleichen Meinung ist auch der Präses unserer Landeskirche, aus dessen Präsesblog zum Johannistag ich zitieren möchte und damit meine Predigt schließe.
Welcher Meinung man über Dr. Thorsten Latzel auch sein kann- er hat auch was von diesem Johannes, vermag aufzurütteln in Wort und Tat.
Hören wir / lesen wir mal!
„Ach, Johannes, Du fehlst mir. Du fehlst uns. Von Dir ist oft nicht mehr übriggeblieben als Dein Finger, Dein ewig langer Zeigefinger. Und ein Satz: „Er muss zunehmen, ich aber muss abnehmen.“ Hast Du das wirklich so gesagt? Das klingt wie ein verzweifeltes „Nicht-Du-selbst-sein-wollen“. Dabei wirkst Du auf mich wenig depressiv. Du warst mehr eine „Type“ im eigentlichen Wortsinn: eine starke, prägende Persönlichkeit!
Wie wäre die Geschichte unserer Kirchen eigentlich verlaufen, wenn sich mehr von den Brückenbauern, die sich selbst Pontifex nannten, ein Beispiel an Dir als Wegbereiter genommen hätten?
Fast alle Geschichten von Dir sind ja Geschichten nach dem Motto „Er war nicht Christus.“ Natürlich nicht. Geschenkt. Doch schon auffällig, wie oft das immer wieder betont werden muss. Darüber geht allzu oft verloren, wer Du wirklich warst.
Du fehlst mir. Mit Deinem Mut, an die Grenzen zu gehen – und auch darüber hinaus. Dein wüster Wüsten-Geist, Deine geistliche Leidenschaft. Mir fehlt Dein muskulöser, sehniger Arm. Deine Spannkraft. Deine Haltung unbedingter Erwartung.
Was hättest Du eigentlich gesagt, wenn Du unsere Form des Fastens kennengelernt hättest? „Sieben Wochen ohne Geiz, ohne Scheu, ohne Schaudern, ohne Ausreden, ohne falschen Ehrgeiz, ohne Enge, ohne Sofort, ohne Kneifen, ohne Stillstand“? Wow! Ich glaub, Du wärst echt geflasht gewesen.
Oder unsere Vorliebe für klerikale Gewänder: Talar mit Samtkragen, Albe, Kollarhemden. Mehr Kaschmir als Kamelhaar. Wirf uns Deinen Prophetenmantel um, so wie Elia es bei Elisa tat! Zumindest einen Zipfel.
Kamelhaar, Ledergürtel, Heuschrecken und wilder Honig. Allzu schnell rutscht Dein Bild mir ab in das des ökologischen Freaks, Archetyp des Aussteigers. Du warst mehr als das. Doch was warst Du genau? Ein heiliger Wilder, ein engelsgleicher Asket, ein Prophet der Umkehr, weisheitlicher Tugendlehrer, Rufer in der Wüste, Zeuge des Lichts und des Lammes, Wegbereiter, Vorläufer, Konkurrent Christi? Vielleicht ein Nasiräer auf Lebenszeit. Geheiligt für Gott. Mit Christus verwoben schon vor der Geburt. Bis hin zum gewaltsamen Tod. Fromm wie Deine alten Eltern, aus guter Priesterfamilie. „Jochanan“ so haben Sie Dich genannt – „der HERR hat sich erbarmt“. Auch, wenn sie Deinen Weg wohl nie verstanden haben.
Wüste und Wasser. Das waren Deine Wirkungsstätten. Du bist rausgegangen in die Einsamkeit. In die Wüste. Dorthin, wo von jeher die Geschichte Israels beginnt. Und an den Jordan, den es immer wieder neu zu überschreiten gilt, wenn man ins verheißene Land will. Dort hast Du getauft. Die Massen, die zu Dir kamen. Das Taufen hat Dich ausgezeichnet: Es ist Dein zweiter Name geworden. Johannes Baptistes. Du warst der Täufer schlechthin. Das war etwas Neues. Die Reinigung, das Untertauchen im fließenden, kalten Wasser. Und Deine Predigt des Gerichts und zur Umkehr. Prophet und Priester in einem. Noch ohne die Gabe des Heiligen Geistes, so heißt es. Außer das eine Mal, bei dem einen. Als der Himmel sich öffnete.
Anfänger, das warst Du, radikaler, heiliger Anfänger. Immer wieder neu mit dem Anfang anfangen. Das lerne ich bei Dir. Du warst die personifizierte Transformation. Keine bloße Ethik des Verzichts. Sondern eine Existenz der radikalen Einkehr bei Gott. Und eine Haltung sehnsüchtigen Wartens: „Bist Du es, der da kommen soll, oder sollen wir auf einen anderen warten?“ Und das, nachdem Du ihn berührt, getauft hattest. Du hast Advent gelebt, bist selbst Advent gewesen, ewiger Advent. „O Heiland, reiß die Himmel auf!“
Du warst nie fertig. Und genau das war Deine Stärke. Du warst kein Rohr, das der Wind hin und her weht.
Du warst niemand in weichen Kleidern. Du hast mit Deiner Predigt wahrhaft Kopf und Kragen riskiert. Wobei: einen Kragen hattest Du ja nie. Warum war Dein Kopf der Herodias eigentlich so viel wert, mehr als das halbe Königreich? Warst Du als Kritiker der Mächtigen wirklich so gefährlich? Waren es Deine Mahnungen für Reiche, Zöllner, Soldaten?
Was mir auffiel: Anders als von Elia, Petrus, Paulus sind von Dir gar keine Wunder berichtet. Keine Heilungen, keine Speisungen, nicht mal ein kleines Naturereignis. Außer dem einen Wunder, dem vielleicht größten: Dass Du Dich selbst verwandelt hast, radikal.
Und Du hast etwas von Christi Leiden vorerlebt. Vielleicht warst Du, der Du ihm vorausgingst, der einzige, der Christus in den Evangelien wirklich nachgefolgt ist. Du warst das Bindeglied in eine neue Zeit. „Grenzwächter der Äonen.“ Größter unter den Menschen und Kleinster im Reich Gottes.
Wir erleben jetzt wieder Wüstenzeiten. Ökologisch sowieso, aber auch gesellschaftlich, kirchlich. Die Hitze nimmt zu. Doch wir sind das nicht mehr gewöhnt. Wir spüren, wie die Axt an die Wurzel gelegt ist. Den Ruf zur Umkehr. Die Folgen unserer eigenen Lebensweisen. Dein „sense of urgency“ ist aktueller denn je. Es ist gut, mitten in der Hitze des Sommers an Dich zu denken. Um gemeinsam mit Dir Christus nachzufolgen. Wüstenkompetent – an den Wassern der Umkehr – und ganz in Erwartung des Anwesenden.“*

AMEN
Und der Friede Gottes, der größer ist als all unser Denken und begreifen, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus unserem Herrn. AMEN

*zitiert nach: Theologische Impulse 116, von Dr. Thorsten Latzel bei: https://praesesblog.ekir.de/thema/aktuell/