(gehalten von Pfarrer Dr. Gerhard Wenzel in der Versöhnungskirche in Rath-Heumar und der Auferstehungskirche in Ostheim)
Die Gnade und der Friede Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen! Amen
Liebe Schwestern und Brüder in Christus,
gestern als ich mir mein Mittagessen zubereitet hatte – Tortellini mit einer Pilzsauce -, da fehlte etwas. Kräuter, Pfeffer und Zwiebeln waren drin, aber es schmeckte dennoch irgendwie etwas fad. Ja, richtig, es war nicht genügend Salz drin. Ich war zu vorsichtig. Schließlich kann man ein Essen ja auch schnell versalzen. Bevor ich die zweite Portion zu mir nahm, habe ich dann nachgesalzen. Dann schmeckte es wirklich. Und in der Tat war es ein himmelweiter Unterschied.
Das ist eine Alltagserfahrung, die viele von uns kennen und an die auch in dem für den heutigen Sonntag vorgesehenen Predigttext angeknüpft wird.
Im Matthäusevangelium, Kap. 5, Verse 13 – 16 redet Jesus vom Salz und vom Licht. Es heißt dort: „Ihr seid das Salz der Erde. Wenn nun das Salz nicht mehr salzt, womit soll man salzen? Es ist zu nichts mehr nütze, als dass man es wegschüttet und lässt es von den Leuten zertreten. Ihr seid das Licht der Welt. Es kann die Stadt, die auf einem Berge liegt, nicht verborgen sein. Man zündet auch nicht ein Licht an und setzt es unter einen Scheffel, sondern auf einen Leuchter; so leuchtet es allen, die im Hause sind. So lasst euer Licht leuchten vor den Leuten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen.“ Amen.
Liebe Schwestern und Brüder in Christus, so bekannt diese Verse auch sein mögen, so stellt sich doch die Frage, worauf Jesus konkret mit diesen Bildern hinaus will. Was ist also mit dem Salz und dem Salzen gemeint und was ist mit dem Licht und dem Leuchten gemeint?
Was soll denn da salzen und was soll leuchten? Etwa die besonderen Charaktereigenschaften eines jeden? Oder aber das Vermögen, ja, das Bankkonto?
Davon ist nicht die Rede. Es wird zumindest hier nicht genannt.
Da ist es naheliegend zu schauen, in welchem Zusammenhang Jesus das denn hier sagt.
Seine Bildworte vom Salz und vom Licht knüpfen unmittelbar an seine sogenannten Seligpreisungen an. Die sind in zwei unterschiedlichen Versionen in den Evangelien überliefert. Hier im Matthäusevangelium lauten sie: Selig sind, die geistlich arm sind; denn ihrer ist das Himmelreich. Selig sind, die Leid tragen; denn sie sollen getröstet werden. Selig sind die Sanftmütigen; denn sie werden das Erdreich besitzen. Selig sind, die hungert und dürstet nach der Gerechtigkeit; denn sie sollen satt werden. Selig sind die Barmherzigen; denn sie werden Barmherzigkeit erlangen. Selig sind, die reinen Herzens sind; denn sie werden Gott schauen. Selig sind, die Frieden stiften; denn sie werden Gottes Kinder heißen. Selig sind, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden; denn ihrer ist das Himmelreich. Selig seid ihr, wenn Euch die Menschen um meinetwillen schmähen und verfolgen und allerlei Böses gegen euch reden und dabei lügen. Seid fröhlich und jubelt; es wird euch im Himmel reichlich belohnt werden.“ In den Seligpreisungen sind die Jünger und die Zuhörenden als Jesus Folgende angesprochen. Und damit auch wir, denn wir gehören ja ebenso zu seinen Nachfolgern.
Mit den sogenannten Seligpreisungen spricht Jesus ganz bestimmten Menschen ein glückliches Leben zu, denn Nichts Anderes heißt „selig“. Damit ist nicht zwingend erst ein glückliches Leben nach dem Tod gemeint als Belohnung für ein tugendhaftes Leben, wohl aber das Glück in allem von Gottes Reich umfangen zu sein, also von seiner Liebe umgeben zu sein, in ihr gehalten und getragen zu werden. Dieses Glück spricht Jesus gemäß dem Matthäusevangelium einmal den Bedürftigen zu wie etwa den Armen und den zu Tröstenden und den um des Glaubens willen Verfolgten. Aber er spricht es auch denjenigen zu, die sich an Gottes Wort als Richtschnur halten und auf seinen Pfaden gehen. Wie etwa die Sanftmütigen, die Frieden Schaffenden und diejenigen, die so würde man es heute wohl übersetzen, das Herz am rechten Fleck haben und sich für Gerechtigkeit und Solidarität einsetzen usw.
Zusammengefasst könnte man sagen: Es geht Jesus also um ein glückliches Leben, das im Wort Gottes verankert ist und sich aus seinem Geist nährt. Es geht ihm kurz und knapp gesagt darum, dass die Frohe Botschaft zu den Menschen kommt und ihr Leben positiv verwandelt.
Und das ist freilich mehr als nur Moral. Es ist vor allem Zuspruch und dann aber auch Anspruch, das Leben gottgemäß aus diesem Zuspruch heraus zu gestalten. Jesus geht es nicht um Moral, sondern um die Frage des Glücklichseins. Dieses Glücklichsein geht aber nach ihm nicht ohne geistliche Nahrung, nicht ohne frohmachende und befreiende Worte von Gott selbst her, nicht ohne Kontakt zu Gott, nicht ohne Glauben – Vertrauen auf diesen Gott. Das ist die Basis. Vertrauen, das sich aus seinem Zuspruch nährt.
Und nun komme ich endlich auf den eigentlichen Predigttext zurück.
„Ihr seid das Salz der Erde. Wenn nun das Salz nicht mehr salzt, womit soll man salzen? Es ist zu nichts mehr nütze, als dass man es wegschüttet und lässt es von den Leuten zertreten.“ Salz ist kostbar. Es ist Fakt, dass wir Salz nicht nur bei der Pilzsauce der Tortellini von Pfarrer Wenzel brauchen, sondern dass es grundsätzlich lebenswichtig ist. Ohne Salz kann der Mensch nicht leben. Die Mischung aus Natrium- und Kaliumionen unterstützt den Körper unter anderem beim Aufbau der Knochen, bei der Verdauung und beim Wasserhaushalt. Zu wenig Salz kann genauso schädlich sein, wie zu viel Salz.
Wenn Jesus also das Bild vom Salz gebraucht, drückt er einmal aus, dass all das, was er seinen Jüngern ans Herz gelegt hat, lebenswichtig ist, jedenfalls lebenswichtig, wenn es um das Lebensglück geht. Aber darüber hinaus sagt er noch etwas ganz Entscheidendes – und das sollte uns gerade heute als Nachfolgeinstitution Kirche doch sehr beschäftigen – wenn das Salz nicht mehr salzt, dann ist es nutzlos.
Wenn wir als Kirche, als Gemeinschaft der Gläubigen nicht mehr das tun, was unsere eigentliche Aufgabe ist, nämlich zu salzen, also die frohe Botschaft zu den Menschen zu bringen und sie zu ermutigen auf Gottes Wort und seinen Geist zu vertrauen, dann verlieren wir unsere Existenzberechtigung. Und an einem solchen Punkt sind wir heute. Seit der Reformation
Sicher, viele Kirchenaustritte geschehen aus rein finanziellem Kalkül heraus. Aber wir haben es auch mit einer Glaubenskrise zu tun. Viele Menschen wollen oder können nicht mehr glauben und fühlen sich von der Kirche gerade in Glaubensfragen nicht mehr angesprochen oder gut begleitet. Kommen wir als Kirche heute noch ausreichend unserer Aufgabe nach, Menschen im Glauben zu stärken und zu ermutigen oder konzentrieren sich zumindest unsere Kirchenleitungen nicht viel zu sehr auf Moralfragen und –vorgaben sowie Effekthascherei durch spektakuläre Events und Anbiederung an den Zeitgeist und seine Ideologien? In Glaubensdingen sollte da jedenfalls mehr von Kirche und in Kirche zu hören sein als nur das Nachplappern von dem, was Politiker predigen oder meinen vorgeben zu müssen.
Mir scheint: wir sind heute als Kirche von unserer Aufgabe lebenswichtiges Salz für die Menschen zu sein und ihnen zu helfen, vom Glauben her in der modernen Welt zurecht zu finden, genauso weit entfernt wie zur Zeit der Reformation. Auch da hatte sich die Kirche zunehmend weniger mit ihrer eigentlichen Aufgabe beschäftigt und andere Dinge hatten sich in den Vordergrund geschoben. Die Seelen ihrer Mitglieder hatte sie nicht mehr mit Evangelium erfüllt, also mit Froh-Botschaft, sondern eher mit Drohbotschaft, ein schlechtes Gewissen gemacht, wo es nur ging, bevormundet, gegängelt und verängstigt. Salzen im Sinne Jesu heißt menschennahe Seelsorge betreiben, Zeit und Raum für Glaubensgespräche bieten und das, was man Spiritualität nennt, zu kultivieren, also auch den Alltag vom Glauben her zu durchleuchten und das durchaus auch ganz konkret durch Gebetsangebote usw. usw.
Es ist keine Frage, dass das in vielen Gemeinden vor Ort heute immer noch passiert und sicher auch in unserer. Aber die Gefahr ist groß, dass wir uns in der Evangelischen Kirche sehr viel mit Strukturreformen und Moralfragen beschäftigen und nicht mehr mit den eigentlichen genannten Dingen. Wir haben denen, die hungern und dürsten nach geistlicher Nahrung, nach Trost und Orientierung im Lebens- und Glaubensalltag etwas zu geben. Salzen ist unsere Aufgabe und wir haben dieses Salz auch. Das Leben ist eine Suppe. Es darf das Salz nicht fehlen. Wir müssen davon erzählen, warum und wieso Jesus wichtig ist für unser Leben, warum und wieso der Gott Israels wichtig für uns ist, der sein Volk in die Freiheit geführt hat. Wir müssen darüber reden, was Frieden schaffen für unsere christliche Existenz heute bedeutet, statt es für normal und richtig zu halten, dass eine ukrainische Fecht-Olympiasiegerin bei der WM einer russischen Sportlerin den Handschlag verweigert. Wir müssen darüber reden, wie der Glaube uns helfen kann, diese Welt zuversichtlich zu gestalten und in die Zukunft zu führen.
Salzen heißt auch, daran zu erinnern, dass wir als Glaubende, also auf Gott und Christus Vertrauende, unseren Standort im Himmel haben und daher unsere Kraft beziehen und nicht in den Ideologien dieser Welt aufgehen, welcher politischen Färbung sie auch immer sein mögen. Salzen heißt, die Menschen dieser Welt auf diese Weise am Leben zu erhalten – ein glückliches Leben zu ermöglichen.
Und da komme ich nun auf den zweiten Teil der Worte von Jesus zu sprechen. Zum Salz hat er nur geäußert, was passiert, wenn es nicht mehr salzt.
Das Bild vom Licht entfaltet er nun aber auch positiv. „Ihr seid das Licht der Welt. Es kann die Stadt, die auf einem Berge liegt, nicht verborgen sein. Man zündet auch nicht ein Licht an und setzt es unter einen Scheffel, sondern auf einen Leuchter; so leuchtet es allen, die im Hause sind. So lasst euer Licht leuchten vor den Leuten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen.“ Wir kennen alle die Redewendung: „Man soll sein Licht nicht unter den Scheffel stellen“. Ein Scheffel ist das Teil, mit dem man das Licht auslöscht. Die Redewendung leitet sich tatsächlich von diesem Bibelwort ab und meint so viel wie: man soll sich nicht kleiner machen als man ist, also die eigenen Verdienste oder Vorzüge nicht ignorieren.
Im biblischen Kontext sind damit allerdings nicht eigene Vorzüge oder Stärken gemeint, sondern wiederum die Frohe Botschaft. Bekanntlich hat Jesus auch auf sich bezogen gesagt: „Ich bin das Licht der Welt“. Hier sagt er es auf die Jünger und auf uns bezogen, auf die also, die sein Licht weitertragen. Und das soll nun in der Tat nicht klein gehalten, vorenthalten oder verschwiegen werden. Es soll auf einen Leuchter gestellt werden, damit es allen leuchten kann.
Auch das ist eine wegweisende Orientierung für uns als Kirche heute. Wir müssen und sollen uns nicht mit dieser Frohen Botschaft verstecken. Wir sollen uns nicht defensiv verhalten, sondern offensiv. Nach außen auf die Menschen zugehen – in jeder Hinsicht, in den Kneipen oder am Arbeitsplatz persönlich von dem Schönen unseres Glaubens erzählen und unsere Gottesdienste auch nicht nur hinter verschlossenen Türen feiern, sondern auch unter freiem Himmel und an Plätzen und Orten, wo die Menschen sind. Freilich müssen wir die Frohe Botschaft auch niemandem einhämmern, wie das Fundamentalisten tun. Aber wir müssen uns um sie kümmern und sie bezeugen und selbst ein Licht sein. Im Text heißt es sogar: „So lasst euer Licht leuchten vor den Leuten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen.“
Diesen Vers aus dem Matthäusevangelium könnte man leicht missverstehen, als ginge es nur um das Tun des Guten beim Glauben. So ist das sicher nicht und es geht schon mal gar nicht darum, dass ich mir selbst auf die Schulter klopfen kann, was ich Gutes getan habe. Auch diesbezüglich überschlagen sich die Kirchenleitenden ja gerne mit Vorzeigeprojekten, wo sie sich selbst auf die Schulter klopfen können, was für eine gute Gesinnung sie doch haben, ob es nun der Kauf eines Schiffes zur Rettung Schiffbrüchiger Flüchtlinge im Mittelmeer ist oder die Verlautbarung, jetzt als Selbstverpflichtung nur noch 100 Stundenkilometer zur Rettung der Schöpfung zu fahren etc. etc.
Nein, dem Evangelisten Matthäus bzw. Jeus geht es hier um etwas Anderes, nämlich die Einheit von Botschaft und Tun. Es geht ihm um Authentizität der Gläubigen und ihrer Kirche, um nicht mehr und nicht weniger – nicht zur eigenen Ehre, sondern zur Ehre Gottes – „damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen“ heißt es da deutlich im Text.
Die Botschaft dieser biblischen Passage ist also, dass es hell wird im Leben der anderen Menschen wenn Glaube und Tun eine Einheit bilden.
Da kommt Licht ins Leben der Menschen und da geht das Licht weiter. Und da muss ich an Wilfried Voigt denken. Am Donnerstag war in der Auferstehungskirche (hier) in Ostheim eine große Trauerfeier für Wilfried Voigt, die mich sehr berührt hat. Wilfried Voigt war sehr engagiertes Gemeindemitglied, war lange Presbyteriumsmitglied und hat in Ostheim den Anbau an der Auferstehungskirche baulich betreut. Er war sicher ein Mensch wie jeder von uns mit guten Seiten, aber auch mit Fehlern oder Unvollkommenheiten, also kein Engel oder Heiliger. Aber er war mit ganzem Herzen und Leben Christ. Mir ist es noch sehr nachgegangen, was er in seiner begrenzten Lebenszeit – seinen 80igsten Geburtstag hat er leider nicht mehr erreicht – alles geschaffen hat, womit er damit zum Licht in der Welt für viele Menschen geworden ist und Licht in ihr Leben gebracht hat zur Ehre Gottes. Wie kann ein Mensch so viel schaffen, habe ich mich immer wieder gefragt – so viel Licht ins Leben anderer bringen? Er hat nicht nur die Johanniter-Seniorendienste ins Leben gerufen. Er war auch im Aufsichtsrat und im Förderverein des Evangelischen Krankenhauses Kalk an vorderster Front tätig und war im Vorstand der Deutschen Stiftung für Demenzerkrankte und in Rath-Heumar hat er den AKF, den Alten-, Kranken und Familienpflegeverein auf neue gesunde Füße gestellt und vieles mehr im sozialen, diakonischen und kirchlichen Bereich getan. Alles hat er mit Diplomatie, Überzeugungskraft, langem Atem, glaubensvoller Zuversicht und einem lächelnden Gesicht gemacht. Sicher mögen viele von uns kleinere Brötchen backen. Aber Wilfried Voigt wusste um die überzeugende Einheit von Glaube und Tun. Und ich danke ihm, dass er uns auf seine Weise gezeigt hat, was es bedeuten kann, ein Licht in dieser Welt zu sein. Amen