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Predigt zu Petrus und Paulus vom 03.07.2022

Predigt zu Peter+Paul

Die Gnade Jesu Christi und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen.
Amen

Liebe Gemeinde!
Die Katholische Kirche feierte am 29. Juni (letzten Mittwoch) das Fest Peter und Paul. In der Sommerpredigtreihe orientiere ich mich an den Gedenktagen dieser Zeit und möchte heute Peter, besser bekannt als: Petrus und Paul, besser bekannt als Paulus, in den Blick nehmen.
Für die katholische Tradition sind die beiden wichtige, vielleicht die Größten der christlichen Überlieferungsgeschichte. In dieser Hinsicht verwundert es mich – und vielleicht haben Sie sich das ja auch schon einmal gefragt – dass die Beiden an einem Tag gefeiert werden und es nicht einen Petrus-Gedenktag und einen anderen Paulus-Tag gibt.
Grund genug, da einmal nachzuforschen.
Dann findet sich die Erklärung, dass einer Überlieferung zufolge in 3. Jahrhundert nach Christus in diesen Tagen des Jahres die Reliquien der beiden Apostel in Rom in die Sebastian-Katakomben an der Via Appia (in alte Stollen stadtauswärts) „übertragen“ wurden, was bedeutet: Zur Zeit schlimmster Christenverfolgungen unter Kaiser Valerian versuchte man, etwas für den christlichen Glauben sehr Wichtiges aus Rom in Sicherheit zu bringen. Erst im 6. Jahrhundert wurde der 29. Juni als Datum festgelegt.
Bis heute ist der 29. Juni in Rom, auf Malta und in einigen Kantonen der Schweiz ein Feiertag, in Preußen war Friedrich Wilhelm III vehement gegen diesen Feiertag und so verschwand er bis Anfang des 19. Jahrhunderts in Deutschland ganz.
Irgendwie wollte man nicht nur die Gebeine, sondern auch die beiden Männer insgesamt zusammenhalten, und hat ihnen einen gemeinsamen Tag gegeben.
Als wäre ein Kalender nicht groß genug, so dass jeder der Apostel einen eigenen Tag haben könnte, wie ihn andere Apostel und Heilige ja auch haben.

So nehme ich Petrus und Paulus mal näher in den Blick, um herauszufinden, was die beiden denn möglicherweise gemeinsam haben.
Da kommt mir als erstes entgegen, was so ganz und gar nicht gleich oder ähnlich bei ihnen ist:
In ihrer sozialen Herkunft, ihrer Bildung und ihrem Temperament sind sie offensichtlich völlig unterschiedlich. Ja, Unterschiede und Differenzen zwischen beiden scheinen mehr zu sein als die Gemeinsamkeiten.
Petrus hat Jesus persönlich gekannt, Paulus nicht.
Paulus hält das auch nicht für so wichtig, wie er einmal schreibt. Wichtig ist ihm, was er von und über Christus sagen kann und nicht unbedingt, zu bezeugen, wie er selbst erlebt hat, was Jesus sagte oder tat.
(Einige Theologen sehen hier aber möglicherweise auch eine innere Auseinandersetzung oder eine Art „geistlichen Minderwertigkeitskomplex“ bei Paulus, weil er eben kein Augenzeuge mehr war).
Petrus dagegen war Jünger Jesu und von Anfang an bei ihm. In der Bibel kennen wir ihn als einen, der die Beziehung zu Jesus – und sein eigenes zu Jesus in Beziehung Setzen – sehr Ernst nimmt, wenngleich er manchmal scheitert. Er ist auch einer der ersten Zeugen des Auferstandenen.

Paulus war bekanntlich zuerst ein „Saulus“, ein die Christen und ihren merkwürdigen Glauben missachtenden Verfolger. Er nimmt Jesus als ein persönliches Gegenüber während einer Vision wahr und wird durch diese Vision in einen neuen Bewusstseins-Zustand gehoben, der aus dem Saulus eben einen Paulus macht. Mit der Frohen Botschaft, die er zuvor als Ketzerei betrachtet hatte, bereist er die entferntesten Winkel des damaligen Reiches. Er gründete nie eine Familie (jedenfalls wissen wir nichts davon), sonder ordnete sein ganzes Leben dem Evangelium unter.

Zum Kreis der ersten Zwölf hat er nie gehört. Paulus war ein später „Hinzugekommener“,- wie er selbst schreibt (in Köln würde man sagen, er war ein „Immi“), musste zeitweise um seine Anerkennung sogar kämpfen. Er stammte aus Tarsus, war mit der griechischen Bildung aufgewachsen, hatte ein großes philosophisch-historisches Welt- und Politikverständnis.

Petrus stammte aus Bethsaida, einem kleinen Dorf am Ufer des Sees Genezaret. Er war ein einfacher Fischer, verheiratet (es wird von der Heiligung seiner Schwiegermutter berichtet), und vermutlich von einfacher Bildung. Als religiöser oder theologischer Gesprächspartner spielt er keine große Rolle, man traut ihm wenig zu. So heißt es „Kann denn aus Galiläa etwas Gutes kommen“.
Er war palästinensischer Jude, ein Hebräer durch und durch. Verwurzelt in der Geschichte des Landes, des Volkes, des Gottes der Väter und im Tempelkult. Ein Mann der Tradition, Kirchenpolitiker, Pragmatiker, der gut und gerne Hand anlegte.

Paulus dagegen war eher der Typ „Denker“, fähig zu theologischem Denken, geübt in der Theorie, gewillt, sich neuen Begrifflichkeiten hinzugeben, praktische Konsequenzen theoretischer Überlegungen umzusetzen. Er war ein Neuerer, der möglicherweise den christlichen Glauben auf den Weg gebracht hat, von einer kleinen jüdischen Sekte zu einer späteren Weltreligion zu werden (was erst im 4. Jhdt. Der Fall sein sollte).

Petrus dagegen begleitete Jesus von Anfang an. Er hörte seine Worte, sah seine Taten, folgte seinen Anweisungen (weitgehend).
Jesus ließ Petrus auf dem Wasser zu ihm zu kommen, und als Petrus zweifelte und zu ertrinken drohte, rettete er ihn.
Als Jesus seinen Jüngern im Abendmahlssaal die Füße wusch, begann er mit Petrus, den er auch beim letzten Abendmahl an seiner Seite sitzen hatte. Petrus war es, der im Garten Gethsemane impulsiv ein Schwert nahm und einem Diener des Hohenpriesters ein Ohr abtrennte. Später im Hof des hohepriesterlichen Palastes war dann sein Mut und Tatendrang dann nicht mehr so groß.
Hier erlebte er genau das Gegenteil von dem, was Paulus in Damaskus erleben würde: Paulus, der Verfolger, wurde zu einem eifrigen Jünger, während Petrus, der engste Jünger, zum Verräter wurde und darüber bitterlich weinte.
In den nachösterlichen Erzählungen ist es dann der Auferstandene, der nach dreimaligem Fragen von Petrus die Antwort bekommt: „Herr, du weißt, dass ich dich liebe.“

Was verbindet denn jetzt Petrus und Paulus? Sie haben beide ordentliche Lehrberufe: Petrus war Fischer, Paulus Zeltmacher von Beruf.
Beide sind Juden von Ursprung her: beide sind Christus-Gläubige geworden – auf unterschiedliche Weise, aber beide haben es doch als Bruch mit ihrem bisherigen Leben erfahren; beide sind Reisende in Sachen Glauben, vermögen Menschen zu gewinnen und zu missionieren. Und: Beide machten sich auf in die Welt.
Auch an unbeliebte Orte, hinaus in die Schwierigkeiten der Welt.
Streitbar und um Gerechtigkeit ringend, so erlebt man die Beiden.
In der Kirchen- und Theologiegeschichte war man häufiger der Meinung, dass zwei so unterschiedliche Menschen in derselben Sache wohl kaum hätten zusammenarbeiten können.
Paulus schreibt im Galaterbrief (Kap.2): „da widerstand ich dem Kephas ins Angesicht“ (Simon Petrus).
Das geschieht übrigens mitten in einer Auseinandersetzung über die Gültigkeit der jüdischen Kultusgesetze für die jungen Christengemeinden und angesichts der Frage, ob Christus von diesen Gesetzen und Geboten (wie Beschneidung, Reinheits- und Speisegeboten) jetzt frei macht oder sie weiter als ein von Mose und Gott gegebene Ordnung gehalten werden müssen.
Für Paulus ist da Christus das “ neue Gebot der Liebe“ , der von anderen Geboten frei macht.
Petrus praktiziert eine solche Freiheit zwar auch, ist aber andererseits immer wieder bemüht, aus Angst oder Rücksichtnahme die Einhaltung des Bundesgesetzes einzufordern.
Paulus widerstand ihm, d.h. er setzte sich durch. Er erkämpfte zumindest für seine Haltung einen Platz. Er konnte es danach so in seinen Gemeinden halten, wie er es als richtig erkannt hatte.

Die von Paulus gegründeten Gemeinden werden von ihm und seinen Gesandten betreut. Und die Schwierigkeiten der Gemeinden und innere und äußere Auseinandersetzungen wurden wiederum an Paulus zurückgemeldet (was er in Briefen und Sendschreiben aufnahm).
Denken wir z.B. an die Gemeinde in Korinth, in der soziale, religiöse, geschlechterspezifische Vorbehalte die christliche Existenz ganz schön erschütterten.
Oft nimmt Paulus die unterschiedlichen Bedürfnisse und Befindlichkeiten auf, appelliert an den Geist Christi und will die Menschen von innen heraus zu einer Verbesserung bewegen. Manchmal tadelt er aber auch.

Petrus erhält von Jesus selbst die Vollmacht oder das „Amt der Schlüssel“, er wird sozusagen zum Urapostel oder Ur-Papst. Er legt im Bewusstsein der eigenen Schwäche und seiner Erwählung nach Pfingsten nochmal machtvoll Zeugnis ab für das Wirken des HERRN.
Jeder spätere Papst, Nachfolger Petri (im kath. Glauben) wird dies dann wiederholen.
Und doch entsteht aus der Nachfolge Petri eine sehr hierarische Ämterkirche, ihrerseits auch wieder mit vielen Gesetzen und Ordnungen.

Paulus sieht in den christlichen Gemeinden stets die Macht in der Vielfalt kirchlicher Aufgaben, Begabungen, und Ämter. Hierarchische Strukturen scheinen ihm fremd, weil sich alle dem gekreuzigten und auferstandenen Christus unterordnen.
Vielleicht sind das sogar zwei unterschiedliche „Gemeindekonzeptionen“ oder Kirchenmodelle, die in Paulus und Petrus angelegt sind.

Dennoch: beide Apostel verstanden sich als Teil einer Gemeinschaft. Paulus hat sogar Kollekten für den anderen einsammeln lassen.
Sie haben sich in ihrer Verschiedenheit offensichtlich gelten lassen, was für mich ein Hinweis auf eine Gemeinsamkeit der beiden mit uns heute hat:
Auch unsere Kirchen und Gemeinden sind in vielerlei Hinsicht sehr unterschiedlich, und doch versuchen wir, eine Einheit in der Vielfalt zu leben (vielleicht besonders in der Rheinischen Kirche ……).

So möchte ich sagen: Petrus und Paulus gehören irgendwie doch zusammen, schließlich sind die (Petrus etwas älter als Paulus) der Überlieferung nach später in Rom ziemlich zur gleichen Zeit auch für ihren Glauben den Märtyrertod gestorben.

Zum Schluss gebe ich eine Gedankenanregung weiter, die ich in einer Predigt zu Peter und Paul gehört habe:
In Rom wurde (324 als Grabeskirche, 1626 als Dom vollendet) die größte Kirche der Christenheit gebaut, römisch-katholische Konfessionskirche, Mutterkirche. Und sie heißt: Petersdom.
Als sich die Briten im Zuge der Reformation von der römischen Kirche trennten und Anglikaner wurden (was sehr viel protestantischer wirkt), wurde in London eine beinahe ebenso große Kathedrale errichtet, die St. Pauls -Cathedral, der Paulusdom (604 als Holzkirche, 1708 vollendet als Kathedrale).
Das wirkt fast so, als wolle man Petrus den römisch-katholischen Christen zuschlagen und Paulus den Protestanten zuteilen. Und es mag richtig sein, dass Historiker und Theologen schon mal darüber nachgedacht haben, dass dies möglicherweise auch in der Kirchengestalt sich niedergeschlagen hat.
Ich meine aber, dass eine christliche Gemeinschaft oder die Kirche etwas von der Haltung beider braucht.
Wir brauchen beide Haltungen, beide Denkweisen, sonst machen wir uns selber arm.
Und schließlich leben wir – auch hier in Rath-Ostheim auch eine Gemeinschaft in zwei sehr unterschiedlichen Stadtteilen und mit sehr unterschiedlichen Menschen, nicht immer einfach, manchmal verwunderlich. Und halten doch aneinander fest.
Wir Christinnen und Christen gehören zusammen – wie Petrus und Paulus zusammengehören.
AMEN
Und der Friede Gottes, der größer ist als all unser Denken und begreifen, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus unserem Herrn. AMEN

Zu EG 294 (Mel. Nun saget Dank und lobt den Herren) fand ich folgenden neuen Text:
1. Petrus, du Fels, auf dem die Kirche im Geist von Christus auferbaut, als Menschenfischer hat dir Jesus die Hirtensorge anvertraut. Du hast voll Angst den Herrn verleugnet, da er am Kreuze ward gepfählt, darauf die Sendung angenommen, zu der er selbst dich auserwählt.
2. Paulus, Apostel für die Völker, du Sohn der Kirche sei gegrüßt, der du, vormals ein Pharisäer, durch Umkehr Christ geworden bist. Du wagtest dich in die Missionen für Christi Evangelium; du formtest eifrig die Nationen zu Gottes Volk und Eigentum.
3. Petrus und Paulus, große Zeugen für Gottes Reich und seinen Bund; ihr habt die Botschaft treu verbreitet, durch euch ward sie den Völkern kund. Ihr habt im Glauben euch begründet, auf Gottes Weisung stets vertraut, ihr habt in Hoffnung und in Liebe am Werk der Kirche mitgebaut.
Text: Thomas Schumacher