(Diese Predigt von Pfarrer Dr. Gerhard Wenzel sollte in der Versöhnungskirche gehalten werden. Aber der Gottesdienst musste leider wegen eines Wasserschadens vorzeitig abgebrochen werden. Dafür ist sie nun hier nachlesbar)
Die Gnade und der Friede Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. Amen
Liebe Schwestern und Brüder in Christus,
„Lasst mich zum Schluss meiner Ausführungen kommen!“
– das soll ein Bekannter von Kurt Tucholsky mal zu Beginn einer Hochzeitsrede gesagt haben. So berichtet Kurt Tucholsky und gibt das als Ratschlag für all die schlechten Redner, die nie zum Schluss finden.
Nun, manche werden jetzt sagen: Ja, da gehört doch unser Pfarrer Wenzel auch dazu. Der findet auch nie zum Schluss in seinen Predigten. Nun, wie dem auch sei.
Ich bin da in bester biblischer Gesellschaft.
Auch das Markusevangelium zeichnet sich durch die Merkwürdigkeit aus, dass es da nicht einen Schluss gibt, sondern zwei. Und das Besondere ist dabei: Der zweite Schluss ist – das wissen wir ziemlich sicher – erst im 2 Jh. nach Christus angehängt worden. Die älteste Textversion des Markusevangeliums, die wir kennen, ist nämlich noch ganz ohne diesen zweiten Schluss versehen. Ursprünglich hätte das Markusevangelium also mit dem Besuch der Frauen am Grab sein Ende gefunden und zwar mit folgenden Worten: „Und sie gingen hinaus und flohen von der Gruft, denn Zittern und Entsetzen hatte sie ergriffen. Und sie sagten niemandem etwas, denn sie fürchteten sich.“ Nicht gerade ein evangelischer, ein frohmachender Schluss. Entsetzen und Furcht und Nicht-Weitererzählen von Christus sollte das alles gewesen sein? Wir hätten wohl nie etwas von Christi, Leben, Tod und Auferstehung erfahren, wenn es uns nicht irgendwann doch überliefert worden wäre. Und so war es gut, dass man hier nicht wirklich Schluss machte, sondern dass die ersten Christen später einen zweiten Schluss anhängten.
Im Markusevangelium Kap. 16, Verse 9- 20 finden wir diesen zweiten angehängten Schluss. Da heißt es folgendermaßen: „Als Christus aber früh am ersten Tag der Woche auferstanden war, erschien er zuerst der Maria aus Magdala, von der er sieben Dämonen ausgetrieben hatte. Die ging hin und verkündigte es denen, die um ihn gewesen waren und trauerten und weinten. Und als die hörten, dass er lebe und von ihr gesehen worden sei, glaubten sie es nicht.
Darnach offenbarte er sich in anderer Gestalt zweien von ihnen unterwegs, als sie auf ’s Land gingen. Die gingen hin und verkündigten es den übrigen, doch auch ihnen glaubten sie es nicht.
Später offenbarte er sich den Elfen selbst, als sie bei Tische saßen, und schalt ihren Unglauben und die Härte ihres Herzens, weil sie denen, die ihn nach seiner Auferweckung gesehen, nicht geglaubt hatten. Und er sprach zu ihnen: Gehet hin in alle Welt und prediget das Evangelium allen, die erschaffen sind! Wer gläubig geworden und getauft worden ist, wird gerettet werden; wer aber nicht gläubig geworden ist, wird sich selbst verurteilen. Folgende Zeichen werden die Gläubiggewordenen begleiten: in meinem Namen werden sie Dämonen austreiben; in neuen Zungen werden sie reden; Schlangen werden sie aufheben und wenn sie etwas Tödliches getrunken haben, wird es ihnen nicht schaden; Kranken werden sie die Hände auflegen und sie werden genesen.
Der Herr Jesus nun wurde, nachdem er zu ihnen geredet hatte, in den Himmel emporgehoben und setzte sich zur Rechten Gottes. Sie aber zogen aus und predigten überall, indem der Herr mitwirkte und das Wort durch die begleitenden Zeichen bestätigte.“ Amen
Liebe Schwestern und Brüder in Christus, wir hören da zunächst eine Art Zusammenfassung von Auferstehungsgeschichten aus den Evangelien, die dem ein oder anderen bekannt sind und von denen wir die eine von Maria Magdalena vorhin in der Lesung hörten. Aber das ist nicht einfach geschichtlicher Bericht. Da würde die ein oder andere Kleinigkeit sogar fehlen. Auferstehung, kann man davon überhaupt berichten? Nein kann man nicht. „Bild war wie immer live dabei“, das geht bei der Auferstehung nicht. Da lässt sich auch nichts in Zelluloid festhalten, mit Smartphones oder Drohnenkameras, selbst wenn es das damals schon gegeben hätte. Die Auferstehungsgeschichten berichten ja immer wieder davon, wie der Auferstandene sich den Blicken entzieht, entschwindet.
Die Auferstehung ist in der Bibel kein spektakuläres mediales Ereignis für die große Öffentlichkeit. Auferstehung vollzieht sich dort vielmehr in menschlichen Begegnungen, die teils recht intimen Charakter haben, wie etwa die bereits gehörte Geschichte von Maria Magdalena am Grab Jesu, in der die besonders intime Beziehung zwischen Christus und ihr mitschwingt, ihr starkes Trauern und ihr gestärkter Glaube.
Aber nochmal: Kann man von der Auferstehung berichten? Nein, kann man nicht. Und im Gegensatz zu dem, was viele beim ersten Hören oder Lesen des Markusevangeliums meinen würden, tut das weder der Schreiber des ersten Schlusses, noch der des zweiten Schlusses ein Jahrhundert später. Nirgends geht es um einen Bericht von der Auferstehung Christi. Wir hören nur von dem leeren Grab. Vor allem hören wir aber von Begegnungen mit dem Auferstandenen, wie ich es eben schon sagte. Begegnungen, die so etwas wie Vergegenwärtigungen sind. Die Auferstehungsgeschichten sind Begegnungsgeschichten im Sinne von Vergegenwärtigungsgeschichten. Und aus diesen Geschichten, wo Menschen dem auferstandenen Christus begegnen, in denen sich seine Vergegenwärtigung vollzieht, gehen diese Menschen verwandelt wie Christus selbst hervor. Die Auferstehung Christi vollzieht sich förmlich erst in der erlebten Verwandlung der Menschen dieser besonderen Begegnungsgeschichten.
Und so auch hier, wo im zweiten Schluss so vieles an Begegnungen noch einmal angesprochen wird, sei es die Begegnung der Maria Magdalena im Garten beim Grab, sei es die der Emmaus-Jünger auf ihrem Weg, wo sie Gegenwart Christi im Brotteilen erleben oder die der hinter Türen verschlossenen und in Angst lebenden 11 Jünger, die den Auferstandenen als den vergegenwärtigen, der Vertrauen auf eine Gegenwart einfordert und sie dazu ermutigt und stärkt. Die Auferstehungsgeschichten berichten nicht die Auferstehung als solche. Sie erzählen uns Geschichten von Menschen, die dem auferstandenen Christus begegnet sind, Christus erfahren haben. Sie erzählen davon, wie die Begegnungen mit dem Auferstandenen das Leben der Einzelnen verändert haben. Und dabei ist nicht entscheidend, dass ihnen eine untote Person gegenüber treten würde, sondern dass sie in einen Dialog mit einem Gegenüber kommen -. Christus im Sinne von dem Geist Christi.
Das ist das Wesentliche an der Osterbotschaft der Auferstehungsgeschichten. Sie zielen auf Glauben im Sinne von Vertrauen. Es ist das Vertrauen, das eine Auferstehung erlebt. Die Auferstehung Christi ist die Auferstehung des Vertrauens der betroffenen ihm Nachfolgenden. Ihr Vertrauen soll gestärkt werden und damit sind zugleich wir angesprochen, ich und Du hier, denn auch wir sind die Nachfolgenden. Sie und wir sollen genau darin eine Veränderung erleben, nämlich die: „Christus selbst verändert meine Sichtweise. Er verändert mein ganzes Leben.“ Und das eben nicht nur in seinem Leben, als er leibhaftig unter uns war, sondern nun auch nach seinem Tod als mein Gegenüber.
Wie ist mit „Glauben“ oder „Vertrauen“ in diesem Zusammenhang gemeint?
Interessant ist da, was da zunächst im zweiten Schluß des Markusevangeliums vom Verfasser festgehalten wird, nämlich, dass es an diesem Vertrauen offenbar zu mangeln schien, zumindest anfangs oder am Anfang der Begegnungserfahrungen, die er aufzählt: Auf die Begegnung von Maria Magdalena mit dem auferstandenen Christis bzw. ihr Zeugnis, dass Christus auferstanden sei reagierten die Jünger mit Unglauben „Als die hörten, dass er lebe und von ihr gesehen worden sei, glaubten sie es nicht.“ heißt es. Und auf die Jünger, die auf dem Weg nach Emmaus waren und die Auferstehung Christi durch Dialog und geteiltes Brot erlebt haben, schreibt er: „Die gingen hin und verkündigten es den übrigen, doch auch ihnen glaubten sie es nicht. Und schließlich kulminiert alles in den Worten: „Später offenbarte er sich den Elfen selbst, als sie bei Tische saßen, und schalt ihren Unglauben und die Härte ihres Herzens, weil sie denen, die ihn nach seiner Auferweckung gesehen, nicht geglaubt hatten.“
Im Blickpunkt des Verfassers des zweiten Schlusses im Markusevangelium steht also zunächst nicht der Glaube bzw, das Vertrauen, sondern der Unglaube. Dabei bleibt er übrigens ganz in der Linie der voraus gegangenen 16. Kapitel des Markusevangeliums. Denn auch dessen Verfasser führt an ganz vielen Stellen die Unfähigkeit zur Erkenntnis und den Unglauben der Jünger oder auch Anderer vor Augen.
In welcher Absicht geschieht dies? Das klingt paradox, aber der Verfasser des Markusevangeliums will damit gerade den Glauben der Lesenden und Hörenden des Evangeliums stärken. Seine Botschaft ist: Ihr seid vielleicht in der von Euch erlebten Wirklichkeit manchmal genauso erkenntnisschwach oder genauso wenig vertrauensselig wie die Jünger, aber das Vertrauen auf Gott und Christus ist das, was Euch durch das Leben mit all seinen Herausforderungen und Anfechtungen, hindurchtragen kann – in erlebter Gewalt, Krankheit oder was auch immer.
Die Jünger haben die Kreuzigung Jesu erlebt und damit die größte Infragestellung ihres Glaubens, ihres Vertrauens. Aber dieser Christus ist auferstanden und damit ist auch das Vertrauen auf Christus auferstanden. Gott selbst ist dem Unglauben entgegen getreten. Er hat das Vertrauen der Enttäuschten und Verlorenen gestärkt so wie er auch immer wieder unser Vertrauen stärken kann im Angesicht heutigen Leids und gekreuzigten Lebens. Die Mächtigen haben die Pläne Gottes im wahrsten Sinne des Wortes durchkreuzen wollen. Sie haben Christus ans Kreuz gebracht. Aber Gott hat die Sache Jesu aufgerichtet und ins Recht gesetzt, indem Menschen Vertrauen gefunden haben und ihr Leben neu nach Christus hin ausrichten. Christus ist nicht tod. Er ist auferstanden. Sein Geist ist unter uns lebendig. Christus ist mitten unter uns. Und deshalb können wir unser ganzes Vertrauen auf ihn setzen.
Und das ist nun auch die ganze Zielrichtung der weiteren Worte aus dem zweiten Schluß des Markusevangeliums, dass der Glaube der Nachfolgenden, zu denen eben auch wir gehören, gestärkt würde. Das geschieht, indem wir uns bewusst machen, was für einen wunderschönen Auftrag wir in dieser Welt haben und dass wir alles dazu von Gott selbst empfangen. Im Text heißt es „Und Christus sprach zu den Jüngern: Gehet hin in alle Welt und prediget das Evangelium allen, die erschaffen sind! Wer gläubig geworden und getauft worden ist, wird gerettet werden; wer aber nicht gläubig geworden ist, wird sich selbst verurteilen. Folgende Zeichen werden die gläubig Gewordenen begleiten: in meinem Namen werden sie Dämonen austreiben; in neuen Zungen werden sie reden; Schlangen werden sie aufheben und wenn sie etwas Tödliches getrunken haben, wird es ihnen nicht schaden; Kranken werden sie die Hände auflegen und sie werden genesen.“
Das sind alles Dinge, die wir seit zweitausend Jahren nun schon erleben können. In Christi Namen gab es nicht nur Missbrauch seines Namens und Missbrauch von Menschen und Gewalt. In Christi Namen gab es auch wahre Nachfolge und echtes Vertrauen, wo all das passiert ist, wovon der Schreiber hier spricht: Die Fürsorge für Kranke und Arme hat Menschen neue Hoffnung gegeben. Christen haben zahlreiche Brücken des Friedens und der Versöhnung gebaut zu Menschen, indem sie in ihren Sprachen gesprochen haben und die auch Bibel in ihre Sprache übersetzt haben. Dieses Brücken Bauen zu den Menschen in ihren jeweiligen Sprachen ist gemeint, wenn hier davon die Rede ist, dass die Jünger, also alle Nachfolgenden in Neuen Zungen reden würden. Das griechische Wort Glossa steht nämlich eigentlich hier und das bedeutet nicht nur Zunge, sondern auch Sprache.
Während Frau Strack-Zimmermann, die Verteidigungsexpertin der FDP und zugleich „Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik“ ist, was viele nicht wissen, jetzt vorgeschlagen hat, die Wehrbereitschaft und Wehrfähigkeit, also zur Not auch mit Gewaltmitteln, wieder zum Thema in Schulen zu machen und damit in die Zeit des Militarismus des alten Preußens zurückfällt, wo genau das an den Schulen gelehrt wurde, sollen wir gemäß dem Schreiber des zweiten Schlusses des Markusevangeliums bei Christus in eine ganz andere Schule gehen. Auf den Punkt gebracht: in der Nachfolge der Gläubigen soll der Friede auferstehen, nicht etwa die Gewalt.
Dem Schreiber liegt am Herzen, dass die Dinge spürbar und erfahrbar werden, die er aufführt. Dämonen austreiben, also Entdämonisierung der Welt, heißt doch wohl auch, dass die Gewalt als Dämon einfach entthront wird, in der Welt ausgetrieben oder gebannt, in Schach gehalten wird und nicht etwa eskaliert, wie es nun schon lange befördert wird.
Die Auferstehung Christi von seinem Tod zu neuem Leben zeigt sich in unserer Auferstehung vom Tod in unserem Leben.
Nochmal, das ist wichtig um zu begreifen, was Auferstehung ist, wie sich das vollzieht: Die Auferstehung Christi von seinem Tod zu neuem Leben zeigt sich in unserer Auferstehung vom Tod in unserem Leben.
Bei den Emmausjüngern ist die Veränderung überdeutlich. Die, die eben noch hoffnungslos und gesenkten Hauptes ihren Weg zurück nach Hause , also nach Emmaus, gehen wollten, als sei die Sache Jesu mit Jesus gestorben, die können nun wieder lachen und ein Brennen im Herzen fühlen und kehren wieder um.
Und Maria Magdalena, auch ihre Geschichte der Begegnung im Garten beim Grab dient nicht dazu uns zu sagen, dass irgendwann das ewige Leben kommt. Nein, sondern, dass das Leben jetzt kommt, vom Auferstandenen her, jetzt und immer neu, das todgeweihte Leben wird auf den Kopf gestellt, schon jetzt. Maria, die ganz in der Trauer verhangen ist, erlebt es: „Das Leben kommt jetzt. Ich lebe neu, mit neuer Hoffnung und neuem Mut. Meine Trauer hat ihren Schrecken verloren.“ „Das Leben kommt jetzt“.
Christus ist auferstanden. Wir beziehen das immer nur auf Christus selbst. Aber alle Auferstehungsgeschichten handeln immer von Begegnungen mit ihm. Christus aufersteht in der Begegnung mit uns. Christus aufersteht, indem sein Geist aufsteht gegen unsere Ausweglosigkeit, gegen unsere Ohnmacht und Hoffnungslosigkeit.
„Sie aber zogen aus und predigten überall, indem der Herr mitwirkte und das Wort durch die begleitenden Zeichen bestätigte.“ heißt es im Text.
Mit anderen Worten: „Blinde werden sehend und Lahme gehend“. Es bleibt nicht bei dem Schrecken und der Angst. Der erst Schluss des Markusevangeliums behielt nicht das letzte Wort. Zum Glück. Der Geist des auferstandenen Christus schreibt diese Geschichte in uns weite, schreibt sie uns in unser Herz. Und wir schreiben die Geschichte mit Gott, mit Christus auch heute noch weiter, in jedem Moment, wo unter uns diese frohe Botschaft aufleuchtet. Und sie leuchtet immer wieder auf. Nein, Auferstehung ist nicht die ewige Verlängerung des Lebens, ja dass das Leben immer so weitergeht wie bisher. Nein, so soll es gerade nicht weitergehen. Sondern das ist Auferstehung: Verwandlung – Veränderung unseres Lebens von Gott her, hier und jetzt und auch jenseits des Todes noch.
Zum Schluss nun doch ein wirklicher Schluss – mit einem Gedicht von Kurt Marti, das deutlich macht, dass Auferstehung nicht die ewige Verlängerung des Bisherigen ist, sondern unsere Verwandlung und Veränderung zu neuem Leben durch Gottes Geist hier und jetzt und jenseits des Todes. Das Gedicht heißt:
Das könnte den Herren der Welt ja so passen
Das könnte den Herren der Welt ja so passen,
wenn erst nach dem Tod Gerechtigkeit käme,
erst dann die Herrschaft der Herren,
erst dann die Knechtschaft der Knechte
vergessen wäre für immer!
Das könnte den Herren der Welt ja so passen,
wenn hier auf der Erde stets alles so bliebe,
wenn hier die Herrschaft der Herren,
wenn hier die Knechtschaft der Knechte
so weiterginge wie immer.
Doch ist der Befreier vom Tod auferstanden,
ist schon auferstanden und ruft uns jetzt alle
zur Auferstehung auf Erden,
zum Aufstand gegen die Herren,
die mit dem Tod uns regieren!
Amen
Wir singen das „Lied: 116, 1-4 „Er ist erstanden, Halleluja“