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Lichteinfall durch ein Fenster an einem dunklen Ort - copyright: Pixabay

“Orte der Hoffnung” Predigt am Reformationstag, 31.10.22

(gehalten von Pfarrer Dr. Gerhard Wenzel in der Versöhnungskirche in Köln-Rath-Heumar)

Die Gnade und der Friede Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. Amen

Liebe Schwestern und Brüder in Christus,

die Reformation der Kirche und auch der Gesellschaft hatte und hat immer konkrete Bezugspunkte und Orte. Sie hat in dunkler Zeit der Hoffnung einen Ort gegeben und Orte hoffnungsvoll verwandelt und tut das noch heute. Auf verschiedene Orte bezogen möchte ich das in der Predigt in vier Teilen entfalten. Dazwischen singen wir Lieder oder es wird Instrumentalmusik erklingen.

Reformation war ein Prozess im 16. Jahrhundert, über den man statt einer Predigt einen tagelangen Vortrag halten könnte und in der Tat wäre das auch gut vor dem Hintergrund seiner Verdrängung in der Öffentlichkeit durch den künstlichen Import des hirnlosen Konkurrenzfestes „Halloween“, bei dem ältere Menschen vor Haustüren erschreckt und faule Eier geworfen werden. Ein Fest, dessen Einführung in unseren Breitengraden sich rein kommerziellen Interessen verdankt. Aus meiner Sicht ein Zeichen des Niedergangs unserer Kultur, die genau daran krankt.

Welchen Grund soll ich haben, dieses Helloween-Fest zu feiern? Welchen Grund sollen Kinder haben, dieses Fest zu feiern?

„Um Spass zu haben und sich zu freuen“ wird immer wieder gesagt. Klar, da will niemand als Spassverderber erscheinen und gar den Kindern so ein Fest verbieten. Und so ein überwiegend bierernst begangener Reformationstag kann als Festtag da wohl kaum gegen anstinken.

Da ist vielleicht Korrektur in zwei Richtungen angesagt. Einmal dahingehend, dass wir unseren Kindern beibringen und vorleben, dass man nur Feste feiern sollte, deren Gründe man auch tatsächlich kennt und die auch tatsächlich Grund zur Freude sind.

Dann aber auch dahingehend, dass der Reformationstag nicht einfach nur wie ein Gedenktag begangen werden sollte, der in seiner Gedankenschwere und Stimmung eher einem Volkstrauertag entspricht, sondern eben eher wie ein Fest. Es ist doch zumindest in unserem evangelischen Kirchenkalender ein Kirchenfest. Das bedeutet, es gibt Grund zur Freude an diesem Tag.

Dinge, die da erinnert und für die Gegenwart und Zukunft fruchtbar gemacht werden sollen, sollen unser Herz erfüllen und uns froh machen, ja, Freude bereiten. Und man kann sehr wohl ein großer Freund der Ökumene sein und des Dialogs zwischen den Konfessionen und gleichzeitig voller Freude über das sein, was da an diesem Tag erinnert und vergegenwärtigt wird. Das ist kein Widerspruch.

Freuen kann ich persönlich mich dann, wenn ich Grund zur Hoffnung habe. Wenn Licht in mein oder das Leben der Anderen kommt. Und das war an den Orten gegeben, wo ich nun entlang gehen werde.

Was ist das existentiell Bedeutsame am Glauben? Das existentiell Bedeutsame am Glaubens ist, dass er uns Hoffnung gibt, ja, dass er unseren Horizont weitet und aus den Gefängnissen unserer vorfindlichen Wirklichkeit befreien kann. Es geht um Hoffnung, die über die augenscheinliche Wirklichkeit hinaus geht. Gott und Christus vertrauen bedeutet darauf vertrauen, dass die von uns unmittelbar erlebte Wirklichkeit nicht die Einzige ist. Im Hebräerbrief Kap. 11, Verse 1-3 heißt es darum auch „Es ist aber der Glaube eine feste Zuversicht dessen, was man hofft, und ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht“.

Luther hat bei seiner Beschäftigung mit den überlieferten Bibeltexten zwei wichtige Entdeckungen gemacht. Das eine ist: Wir leben aus dem Glauben, aus dem Vertrauen auf Gott. Und die Zuwendung Gottes erhalten wir nicht durch irgendwelche Vorleistungen unsererseits, sondern einfach, indem wir darauf vertrauen, dass Gott uns liebt und uns von sich aus zugewandt ist und bleibt. „Der Mensch wird vor Gott nicht gerecht durch seine guten Werke, sondern allein aus dem Glauben“ so hatte Paulus im Römerbrief geschrieben. Das war für Luther auch der Hintergrund, weshalb er am 31. Oktober 1517 in Wittenberg seine 95 Thesen an die Kirche schlug und gegen den Ablass wetterte. Mit erworbenem Ablassbrief konnte man sich mit kirchlichem Segen damals von den Qualen des Fegefeuers freikaufen. Eine Art Eintrittskarte in den Himmel. Aber den Himmel, die Liebe Gottes kann man sich weder durch besondere Leistungen verdienen, noch durch religiöse Pflichtübungen noch einfach erkaufen. Sie ist einfach da und es gilt darauf zu vertrauen. Wo bis dahin die Angst in den Herzen der Menschen regierte, die Angst vor einem strafenden Gott und auch vor der Hölle nach dem Tod, floss nun Vertrauen und Hoffnung in die Seelen der Menschen.

Es war die befreiende Botschaft für ein in Finsternis und Dummheit gehaltenes Volk.

Entscheidend dafür war aber noch eine andere Wieder-Entdeckung Luthers, nämlich die der unmittelbaren persönlichen Gottesbeziehung.

Glauben kann keine Institution für mich. Glauben – das Vertrauen zu Gott suchen und aus ihm heraus leben kann nur ich selbst, kann nur der Einzelne oder die Einzelnen einer Institution gemeinsam. Nichts darf da zwischen den einzelnen Christen und Gott und Christus stehen. Kein Priester, keine Kaste der Heiligen, keine Kirchenbürokratie und keine selbsternannten Autoritäten und Gottesvertreter oder was auch immer. Im Lied „Gott ist gegenwärtig“ drückt der Liederdichter Gerhard Tersteegen dieses Suchen nach der unmittelbaren Gottesbeziehung so aus: „Ich in Dir, Du in mir, lass mich ganz verschwinden, dich nur sehn und finden.“ und in der darauffolgenden Strophe: „Lass mich so, still und froh deine Strahlen fassen und dich wirken lassen.“

Gottes Gegenwart führt mich der Wirklichkeit wieder neu zu und macht mich froh. Das kann sich nur unmittelbar zwischen mir und Gott vollziehen, nicht etwa durch für wahr erklärte Dogmen oder einen Kirchenapparat, der das gerade nicht zulassen möchte.

Obwohl die damalige Kirche es zu verhindern suchte, kam schließlich durch Luther etwas in den Umlauf, was überhaupt erst den Boden für den befreiten Zugang zu Gott und Christus liefern konnte, nämlich die Übersetzung der Bibel in die Muttersprache. Erst so konnten sich Menschen, die des Lateinischen nicht mächtig waren und zuvor die Bibel nie in ihrer eigenen Sprache lesen konnten, die Texte selbst aneignen und ihre eigenen Gedanken dazu machen.

Von der Wartburg, wo Luther die Bibel ins Deutsche übersetzte, ging damit also das große Hoffnungslicht der Reformation aus.  Das Wort Gottes kam zu den Menschen und Menschen traten damit wieder in eine unmittelbare Beziehung zu Gott und zu Christus. Gott, so wie er sich mit seiner Hingabe an uns Menschen dem Volk Israel und in Christus gezeigt hat, erfahren wir nicht durch die Betrachtung eines Baumes, der uns wohl gut und gerne über die Schöpferkraft Gottes meditieren lassen mag, sondern nur durch die Bibel.

Die Bibel in die Sprache der Menschen von heute zu übersetzen und darauf zu vertrauen, dass der Geist Gottes wirkt und Menschen dadurch von selbst mit ihm in Kontakt kommen, war nicht nur in deutschen Landen ein hoffnungsvoller befreiender Akt. Das gab es auch in anderen Ländern zeitgleich und sogar zuvor wie etwa in Frankreich beim sogenannten „Bibelfrühling in Meaux“, der 1521 begann und bis in die dreißiger Jahre andauerte.

Was hatte es damit auf sich? Ganz einfach. Der dortige Bischof hatte Menschen um sich gesammelt, die nach und nach die Bibel für das einfache Volk übersetzten. Dort in Meaux- in der Nähe von Paris – lebten einfache Weber. Dort war man mit der Übersetzung des Alten Testaments in die Muttersprache und mit der Herausgabe der Gesamtausgabe sogar 4 Jahre schneller als Luther.

Für die Weber dort eröffneten sich ganz neue Hoffnungshorizonte. Es war, als wäre Gott selbst zu Besuch in ihr Leben gekommen. Sie lasen Jesu Seligpreisungen der Armen und auch wie die Propheten der Bibel sich für Recht und Gerechtigkeit der Armen einsetzen. Und so fühlten sie sich von diesem solidarischen Gott zum ersten Mal in ihrem Leben richtig angesprochen und bei ihm richtig aufgehoben. Die damalige herrschende Kirche hatte nichts Anderes zu tun, als dem Bibelfrühling den Gar aus zu machen, indem sie die Bibelübersetzung verbrennen ließ und die Gläubigen und den Bischof samt den Übersetzern und Predigern verfolgte. Dennoch war dies der Keim der evangelischen Kirche in Frankreich und wurde so zu einem Ort der Hoffnung, wo sich Menschen existentiell von Gottes Wort berührt und getragen fühlten. Es kam Licht in das Leben dieser Menschen. Eben ein wahrer Bibelfrühling.

 Lied: EG 196,1-5 (“Herr, für dein Wort sei hoch gepreist”)

Zweiter Predigtteil:

In der Zeit der Reformation gab es innerhalb und am Rande der Reformationsbewegung verschiedene Strömungen, die neue Impulse zur Veränderung der Kirche und Gesellschaft brachten und teils auch untereinander stark konkurrierten und sogar zu gewaltsamen Auseinandersetzungen führten. Das betraf besonders die Bewegung der sogenannten Wiedertäufer. Ihr Anliegen war es, zurück zu den biblischen Wurzeln zu gehen und den eigentlichen Sinn der Taufe wieder hervorzuheben. Denn die Kindertaufe gab es in der Bibel noch gar nicht. Taufe war bis zur Mitte des 2. Jh. n. Chr. eine Sache von Erwachsenen und Heranwachsenden, aber nicht von Säuglingen oder Kleinkindern. Die Kindertaufe wurde erst in jener Zeit eingeführt. Damit verblasste aber der wesentliche Kern der ursprünglichen Bedeutung von Taufe, nämlich dass sie Zeichen einer bewussten Entscheidung für ein hoffnungsvolles Leben mit Gott und Christus ist, und damit auch ein Zeichen von Besinnung oder Umkehr. Die Bewegung der Wiedertäufer in der Reformation kritisierte deshalb die Praxis der Kindertaufe und begann, die Menschen erneut, also „wieder“ zu taufen.

Die Wiedertäufer, die man auch als „linken Flügel“ der Reformation bezeichnen könnte, hatten noch weitere Anliegen wie Trennung von Staat und Kirche und teils auch Vorstellungen von gemeinsamem Eigentum. Diese wie auch die erneute Taufe stießen in der damaligen Gesellschaft sowohl bei den altgläubigen Herrschern als auch bei den reformatorisch gesinnten Fürsten und Gewalten auf großen Widerstand, wie man sich unschwer vorstellen kann. Die Wiedertäufer wurden verfolgt, gefoltert und landeten auf dem Scheiterhaufen sowohl in katholischen wie evangelischen Herrschaftsgebieten. Martin Luther selbst lehnte die Täuferbewegung ab und stand voll und ganz hinter der Entscheidung des Reichstages von 1529, durch die Landesfürsten das Recht erhielten, die Täufer mit dem Tode zu bestrafen oder auszuweisen.

Einer der Fürsten, die hier einen anderen Umgang pflegten, war Landgraf Philipp I. von Hessen. Er verabscheute die Gewalt und den Unfrieden und versuchte alles, um die reformatorische Bewegung, zu der ja eigentlich auch die Wiedertäufer zählten, zu einen. Mit viel Weitsicht holte er sich Reformatoren ins Land, die anders als Luther, kompromissbereiter und kreativer waren, was die Frage der Gestaltung von Aufbau und Leben der (evangelischen) Kirche betraf. Dazu gehörte Martin Bucer aus Straßburg, der, von Zwingli und Calvin geprägt, der oberdeutschen (reformierten) Linie der gerade in Entstehung begriffenen evangelischen Kirchen angehörte. Er, der den Konfirmandenunterricht als eine Art nachgeholten Taufunterricht bereits bei sich in Straßburg praktizierte, führte in Hessen nicht nur Gespräche mit Wiedertäufern, die dort Zuflucht fanden, sondern wurde auch beauftragt mit dem Entwurf der Kirchenordnung von Ziegenhain und dort den Konfirmandenunterricht einzuführen. Der Unterricht und die Konfirmation sollten nämlich das leisten, was das inhaltliche Anliegen der Wiedertäufer war – Vergewisserung im Glauben und bewusste Entscheidung für ein Leben mit Gott und Christus. Die betroffenen Gläubigen wurden ähnlich wie die Weber in Meaux in Glaubensdingen kompetent und sprachfähig gemacht. Es war ein kirchenpraktischer und Frieden schaffender Kompromiss und wurde zu einem erfolgreichen Modell bis heute. Damit wurde der kleine Ort Ziegenhain in Hessen zu einem Ort der Hoffnung, wo mal nicht Gewalt und Ausgrenzung das Wort behalten, sondern der Friede Christi die Seelen regierte.

Zwischenmusik: Ludovico Einaudi: A Fuoco (deutsch: in Brand geraten)

Dritter Teil

Reformation ist kein einmaliges historisches Ereignis, sondern geht immer weiter. „Ecclesia semper reformanda est“ so sagte schon der Kirchenvater Augustin im 5. Jh. nach Christus. „Die Kirche ist eine immer zu erneuernde. Und das wurde auch zum Leitspruch der Evangelischen Kirchen.

Entscheidend war dabei immer, dass die Begegnung mit Christus und dem Wort Gottes Menschen existentiell, also in ihren Lebensbezügen erreicht und für ihr Leben bedeutsam wird.

Manchmal ist es förmlich ein Aufstand der Hoffnung, die sich wie bei den Bauern zur Zeit Luthers in Deutschland oder bei den Webern in Meaux in Frankreich entwickelt hatte. Hoffnung auf Gerechtigkeit, Hoffnung auf Frieden und Versöhnung. Es gibt viele solcher Orte auf dieser Erde. Einer dieser Orte wurde Montgommery in den USA. Dort lebte ein anderer Martin Luther. Nämlich Martin Luther King. Der schwarze Bürgerrechtler war dort Pastor einer schwarzen baptistischen Gemeinde bis zum Jahr 1960.

Die in den Südstaaten der USA damals herrschende Rassentrennung trennte alle Bereiche des täglichen Lebens in schwarz und weiß: Schulen, Kirchen, öffentliche Gebäude, Busse und Züge, selbst Toiletten und Waschbecken. Martin Luther King erlebte es bereits in seiner Kindheit sehr schmerzlich, als sein engster Freund aus der Nachbarschaft, schließlich eine Schule der Weißen und er eine Schule der Schwarzen besuchte bis die Eltern des weißen Jungen, ihm sogar das Spielen mit ihm verbaten.

In Montgomery, dem Ort seines frühen Wirkens als Pastor, weigerte sich am 1. Dezember 1955 die schwarze Bürgerrechtlerin Rosa Parks, ihren Sitzplatz in einem öffentlichen Bus für einen Weißen freizumachen. Sie wurde festgenommen und zu einer Geldstrafe verurteilt. Das führte zu einer großen Solidarisierungsbewegung innerhalb der schwarzen Einwohnerschaft und in der Gemeinde von Martin Luther King. Knapp ein Drittel der Bevölkerung von Montgomery waren Schwarze; die meisten von ihnen arbeiteten als Landarbeiter und Hausangestellte. Für den 5. Dezember, den Tag des Gerichtsverfahrens gegen Rosa Parks, organisierte ein schwarzes Frauenkommitee einen eintägigen Boykott der öffentlichen Busse. Sie rief die schwarze Bevölkerung auf, Fahrgemeinschaften zu bilden, Taxis zu nutzen oder zu Fuß zu gehen. Fast 100 Prozent der Schwarzen taten dies. Der Boykott sollte zeigen, wie groß die wirtschaftliche Abhängigkeit weißer Unternehmer von der schwarzen Bevölkerung war, und wie wenig Rechte ihnen im Gegenzug dafür eingeräumt wurden. Der Boykott, bei dem Martin Luther King die Leitung überantwortet wurde, dauerte schließlich etwa 385 Tage. In tiefster innerer Überzeugung vom Evangelium her ging es ihm darum, Veränderungen gewaltfrei herbeizuführen. Zu den Strategien eines gewaltfreien Widerstandes hat sich Martin Luther King bei Mahatma Gandhi vertraut gemacht, der Indien gewaltfrei in die Unabhängigkeit geführt hatte. Der gewaltlose Widerstand führte schließlich zu einem Erfolg. Am 13. November 1956 erklärte der Oberste Gerichtshof die Rassentrennung in den öffentlichen Verkehrsmitteln der Stadt Montgomery für verfassungswidrig und sprach ein Verbot dagegen aus.

Ihre Kraft für diesen gewaltlosen Kampf haben die Schwarzen und an ihrer Seite die weißen Mitstreiter- und Streiterinnen aus dem Evangelium geholt. Die biblische Vision und der biblische Auftrag zu Frieden und Versöhnung hatte sie existentiell getroffen und so wurde Montgommery zu einem Ort der Hoffnung. Der Hartnäckigkeit dieser Menschen war zu verdanken, dass durch ihr ermutigendes Beispiel schließlich die Rassentrennung in den USA abgeschafft wurde. Sie können heute gleichberechtigt in den USA leben. In ihren Gospels haben diese Menschen immer wieder Kraft und Mut gefunden, in der unmittelbaren Verbindung zu Gott und Christus, ähnlich wie das auch bei Martin Luther war, als er auf dem Reichstag in Worms 1521 war und Rede und Antwort stehen sollte und als man ihn aufforderte zu widerrufen und ihm der Scheiterhaufen drohte, von sich gab: „Hier stehe ich und kann nicht anders“.

Wir hören einen Gospel von Chris Lass: „Here I stand“ (Text im Anhang) mit Bezug zu Luther vor dem Reichstag in Worms 1521

Vierter Predigteil:

Hoffnung und Frieden brauchen einen Ort – Wo steht evangelische Kirche heute? Viele reden in der Kirche heute von Reformen und meinen damit reine Strukturveränderungen und Sparmaßnahmen.

An einem Tag, wo wir, wie heute den Reformationstag feiern, sollten wir  uns aber bewusst werden, dass die Blickrichtung nie unsere Kirche selbst und ihre Reförmchen sein dürfen, sondern die Menschen in der Welt, die Reformation – die Erneuerung unseres Lebens. Und darum muss die leitende Frage sein, wie kommt Frieden und Hoffnung zu den Menschen. Was tun wir als Kirche für ihr Seelenheil und damit meine ich nicht die Zeit nach dem Tode – da ist ja Gott zuständig, sondern die Zeit hier und heute.

Die Aufgabe der Kirche ist Versöhnung, Friede und Hoffnung – also Gesprächskultur und Dialog im besten Sinne des Wortes – und nicht das Nachplappern ideologisch motivierter political correctness oder das biblisch unreflektierte Nachplappern heutiger Kriegsparolen oder das Versprühen von Moralin. Das moralische Abkanzeln hilft wenig weiter und löst auch keine Probleme. Die moralischen Bewertungen allein helfen nicht. Die Feststellung beispielsweise, dass Rassismus Sünde ist, wie es Kirchenleitungen gerne von sich geben, kann darum nicht ausreichen. Das hätte auch Martin Luther King nicht gereicht. Menschen werden sich von Kirche, die sie an solchen Punkten mit ihren Botschaften als wenig hilfreich und wenig authentisch und verlässlich erleben, weil sie ihre Fahne immer nach dem politischen Wind hängt oder an Modetrends orientiert, eher weiter abwenden.

Orte der Hoffnung entstehen da, wo wir lebensnah und alltagstauglich den Menschen geistliche Nahrung geben und sie nicht verhungern lassen, aber uns vor allem überhaupt mit ihnen ins Gespräch begeben und Zeit für sie nehmen. Wo wir es nicht tun, sind wir von den Menschen genauso weit entfernt, wie manche Politiker und Politikerinnen, denen die Wirklichkeitswahrnehmung abhanden gekommen zu sein scheint.

Darum ist konkret zu fragen, wie können Orte und Zeiten aussehen, wo dieses Gespräch mehr ermöglicht werden kann, auch und gerade außerhalb der Gottesdienste, wo oft nur eine Hand voll Menschen kommt. Das ist auf Gemeindeebene zu fragen, aber auch im Blick auf die Seelsorge der Öffentlichkeit über Medien und im übrigen öffentlichen Raum.

Aufgabe der Kirche ist auch Parteinahme für die Schwachen und Ungehörten und die Stärkung dieser und anderer Notleidender wie wir es an den Beispielen der Orte der Hoffnung gemerkt haben.

Wenn wir uns um die Seelen der Menschen tatsächlich sorgen und mit ihnen gemeinsam vom Glauben her nach Hoffnung Ausschau halten, dann wird es Orte der Hoffnung geben. Entscheidend wird nicht sein, welches große Werk wir errichten oder welches tolle Massenevent wir als Gemeinde oder Kirche veranstalten, sondern ob wir Gottes Geist in der Begegnung mit den Menschen etwas zutrauen. Ob wir uns also an das halten, was im Hebräerbrief ermutigend zu uns gesagt ist: „Es ist aber der Glaube eine feste Zuversicht dessen, was man hofft, und ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht“. Amen

Lied: EG 193, 1-3 “Erhalt uns Herr bei deinem Wort”