(gehalten von Pfarrer Dr. Gerhard Wenzel auf dem Vorplatz der Versöhnungskirche – im Open-Air-Gottesdienst)
Die Gnade und der Friede Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. Amen!
„Und als er (der auferstandene Christus) das gesagt hatte, wurde er vor ihren Augen emporgehoben, und eine Wolke nahm ihn auf und entzog ihn ihren Augen.“ – so heißt es gegen Schluss des Textes, den wir eben in der Lesung zum Himmelfahrtstag hörten.
Liebe Schwestern und Brüder in Christus, ich hab dazu mal ein Bild mitgebracht:
„Jesus auf Wolke sieben“ – das könnte man so sagen. Und das ist gar nicht so verkehrt. Da komme ich gleich drauf zurück.
Der heutige kirchliche Festtag „Christi Himmelfahrt“ ist nach dieser eben gelesenen Geschichte benannt. Wir hören, wie die Jünger Jesu den Auferstandenen zu sich sprechen hören und dass er dann von einer Wolke emporgehoben worden sei.
Und dann heißt es: „Und während sie, als er entschwand, zum Himmel schauten, standen da bei ihnen zwei Männer in weißen Gewändern. Die sagten: Ihr Männer von Galiläa, was steht ihr da und seht zum Himmel? Dieser Jesus ist Euch entzogen und zum Himmel hinaufgenommen worden. So, wie Ihr ihn zum Himmel habt gehen sehen, so wird er auch wieder kommen.“
Aber wie hat man sich das eigentlich vorzustellen – Himmelfahrt? Ist Jesus mit Fahrrad und Bollerwagen mit einer Kiste Bier in den Himmel gefahren. Nein, gewiss nicht. Vatertag gab es damals noch nicht. Und die bierselige Fahrradfahrt hat nichts mit Christis seliger Himmelfahrt zu tun. Auch dürfte Jesus nicht mit dem Aufzug in den Himmelgefahren sein.
Aber was ist dann Himmelfahrt? Wie ist diese Ausdrucksweise zu verstehen? Ein Heimkehren zum himmlischen Vater? Ja, gewiß schon, wie wir alle mal heimkehren zu Gott, wenn wir gestorben sind – und so gesehen auferstehen. Aber Christus ist ja schon auferstanden so erzählen es ja die ganzen Ostergeschichten. Und jetzt fährt er in den Himmel – ohne Bollerwagen wohlgemerkt. Irgendwie passt das nicht. Das ist irgendwie wie doppelt gemoppelt.
Richtig begreifen, was damit ausgedrückt werden soll, tun wir das erst, wenn wir uns selbst in die Jünger hineinversetzen, in die, die ihm die ganze Zeit auf seinem Weg gefolgt waren.
Sie erleben zwei Dinge. Das eine ist: Christus ist unter ihnen lebendig. Und deshalb können sie voller Freude sagen: Christus ist auferstanden. Die Sache Jesu geht weiter.
Das Andere ist aber, dass sie lernen müssen, den, der die ganze Zeit als Mensch bei ihnen war und ihnen so vertraut war, loszulassen, müssen lernen auf eigenen Beinen zu stehen, wo er nicht mehr in derselben Gestalt wie früher bei ihnen sein kann. Sie machen einen Prozess durch, den auch wir von unserer Trauer her kennen, wenn wir Abschied nehmen.
Manche Erwachsene sagen zu kleinen Kindern, um sie zu trösten, wenn jemand gestorben ist: „Weisst, der ist jetzt ein Stern im Himmel“. Wir alle wissen, das ist nur ein Bild und technisch betrachtet, wohl kaum vorstellbar. Und doch ist es ein starkes und sehr tröstliches Bild, nämlich, dass dieses Leben und das, wofür es steht, nicht einfach ganz verloren geht, ja, und sogar uns in anderer Gestalt auch nach dem Tod zum Leben hilft.
Und so ähnlich ist das mit Christi Himmelfahrt. Uns wird nicht erzählt, dass er ein Stern geworden sie, aber ein ähnlich schönes Bild wird verwendet, das im Fall von Jesus noch etwas ganz Tiefes besagen will.
Und da komme ich hier auf meine Wolke sieben zurück. Jesus schwebt oder ist auf Wolke sieben.
Die Redensarten „auf Wolke sieben schweben oder sein“ und „im siebten Himmel sein“ stehen für eine außergewöhnliche Hochstimmung, zum Beispiel das Gefühl von purer Freude oder Verliebtheit. Den Wenigsten dürfte aber bekannt sein, woher diese Redensart eigentlich rührt.
Den Schlüssel dazu finden wir im Talmud. Der Talmud ist eines der bedeutendsten Schriftwerke des Judentums – eine Sammlung ursprünglich mündlich überlieferter Auslegungen der Gebote und anderer biblischer Texte. Auch Jesus stand selbst in der Tradition des Talmuds.
Und dort im Talmud ist die Rede von der Wolke Sieben. Da heißt es: „ Es gibt sieben Himmel – sieben Wolken“. Wolke sieben wird dort hervorgehoben. Von ihr heißt es dort: „Auf Wolke Sieben befinden sich Gerechtigkeit, Genüge zum Leben und Heil, die Schätze des Lebens, die Schätze des Friedens und die Schätze des Segens, die Seelen der Gerechten, die Geister, die Seelen derer, die einst geboren werden, und der Tau, der einst die Toten beleben wird, Gerechtigkeit und Recht.“
Und jetzt verstehen wir endlich, warum das so dargestellt wird, dass Jesus auf einer Wolke emporgehoben worden sei. Gemeint ist damit tatsächlich Wolke sieben. Das ist nun kein geistiger Höhenflug von Gerhard Wenzel, sondern Jesus auf Wolke sieben – Christi Himmelfahrt ist gewissermaßen im jüdischen Schriftgut verankert. Und Jesus war und blieb ja bekanntlich Jude und ebenso die meisten seiner ersten Nachfolgenden. In diesem schönen Bild haben sie ausgedrückt, was dieser Jesus Christus für uns bedeutet. Und wie von dort unser Leben weiter gesegnet bleibt, auch wenn Jesus nicht mehr in derselben Weise unter uns ist, wie zu der Zeit als er mit seinen Jüngern wandernd durch die Lande zog. Aber wir alle als die Christen, als diejenigen, die ihm heute nachfolgen wie damals seine Jünger, dürfen darauf vertrauen: jawohl, Wolke sieben existiert. Dieser Ort, von dem Frieden, Recht und Gerechtigkeit herrührt – Heil, Heilung und Leben. Mit diesem auf Wolke sieben schwebenden Christus verbunden zu sein, ist eine gute Sache. Denn es sagt uns: Jesus hat nicht umsonst gelebt und gelitten. Nein, all das geht unter uns weiter: Frieden, Recht und Gerechtigkeit Heil, Heilung und Leben. Das bleibt bestehen und beglückt uns. Und so sind auch die Taufen, die wir heute erleben, so etwas wie Regentropfen von dieser Wolke, um im Bild zu bleiben. Durch die Taufe gehören wir zu diesem Christus, der uns gezeigt hat, was Glaube, Hoffnung und Liebe konkret bedeutet und wie das unser Leben erfüllen kann. Es ist Gottes Geist, der es von Wolke sieben aus, wo Jesus nun ist, immer wieder segnend regnen lässt, wo Menschen sich in Liebe verbinden, wo Menschen Frieden schließen und sich versöhnen, wo Menschen teilen – Zeit, Besitz, Leid und Freude, wo Menschen erfahren, dass es immer noch mehr gibt als das, was wir nur vor Augen haben. Der Geist von Wolke Sieben ist unter uns am Werk. Und er wirkt, damit wir nicht in Erdenschwere und Sorgenlast versinken und verkümmern. Auf Wolke sieben ist Jesus im wahrsten Sinne des Wortes gut aufgehoben. Und wir haben Anteil daran. Amen