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Predigt zu “… wenn das Leben Mühe macht” und Lukas 14,15-24 am 18.06.2023

Predigt Lukas 14,15-24

15Da aber einer das hörte, der mit zu Tisch saß, sprach er zu Jesus: Selig ist, der das Brot isst im Reich Gottes! 16Er aber sprach zu ihm: Es war ein Mensch, der machte ein großes Abendmahl und lud viele dazu ein. 17Und er sandte seinen Knecht aus zur Stunde des Abendmahls, den Geladenen zu sagen: Kommt, denn es ist schon bereit! 18Da fingen sie alle an, sich zu entschuldigen. Der erste sprach zu ihm: Ich habe einen Acker gekauft und muss hinausgehen und ihn besehen; ich bitte dich, entschuldige mich. 19Und ein andrer sprach: Ich habe fünf Joch Ochsen gekauft und ich gehe jetzt hin, sie zu besehen; ich bitte dich, entschuldige mich. 20Wieder ein andrer sprach: Ich habe eine Frau geheiratet; darum kann ich nicht kommen.21Und der Knecht kam zurück und sagte das seinem Herrn. Da wurde der Hausherr zornig und sprach zu seinem Knecht: Geh schnell hinaus auf die Straßen und Gassen der Stadt und führe die Armen und Verkrüppelten und Blinden und Lahmen herein. 22Und der Knecht sprach: Herr, es ist geschehen, was du befohlen hast; es ist aber noch Raum da. 23Und der Herr sprach zu dem Knecht: Geh hinaus auf die Landstraßen und an die Zäune und nötige sie hereinzukommen, dass mein Haus voll werde. 24Denn ich sage euch: Keiner der Männer, die eingeladen waren, wird mein Abendmahl schmecken.

Die Gnade Jesu Christi und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. AMEN

Liebe Schwestern und Brüder in Christus,

„…wenn das Leben Mühe macht – Gottesdienst zum Ende der Demenzausstellung mit Bildern von dementiell erkrankten Menschen wie auch ihren Angehörigen“.

So haben wir uns das für heute für den Gottesdienst noch vor Beginn unserer  Ausstellung gedacht und auch geplant. Gottes bzw. Jesu Einladung an jeden Menschen und besonders an die, die nicht mit Reichtum gefüttert, von Erfolg gekrönt und auf der “sunny side“ des Lebens stehen. Also auch für Menschen, für die sich durch die dementielle Erkrankung eines Nahestehenden, der für die Pflege Anvertrauten oder die eigene Erkrankung mühselig und beladen fühlen.

Wenn Sie jetzt denken – das spricht mich nicht an, ich gehöre nicht zu den mühseligen und beladenen Menschen, oder will mich da jetzt gerade gedanklich nicht mit belasten, dann kann ich das genauso verstehen wie in dem Fall, in dem sie jetzt innerlich aufseufzen und sagen „genau, so geht es mir gerade“.

In diesem Spannungsfeld möchte ich weg von dem, wie ich mich vielleicht unter den Mühseligen und Beladenen einordne oder eben nicht.

Ich habe mich zum einen gefragt: wie klingt das Bibelwort eigentlich in seiner Ursprache?

28Δεῦτε πρός με πάντες οἱ κοπιῶντες καὶ πεφορτισμένοι, κἀγὼ ἀναπαύσω ὑμᾶς. 11:28 deute pros me pantes hoi kopiôntes kai pephortismenoi

kagô anapausô humas

Jörg Zink ist mit seiner Übersetzung nahe dran: Kommt her zu mir, die ihr müde seid und ermattet von übermäßiger Last. Aufatmen sollt ihr und frei sein.

Und ich habe mich zum anderen gefragt: Wenn Jesus von Mühe spricht: Was kannte er eigentlich an Mühe?

Was hat ihm Mühe gemacht? Da würde uns miteinander – so glaube ich  – viel einfallen. Jesus hatte eine Herkunftsfamilie, in der er Kindheit und Jugend verbracht hat, die ihn in die religiösen Praktiken eingeführt hat, und ihn auch bewog das Gewerk des Zimmermanns zu lernen. Aber Jesus hatte kein Zuhause mehr, denn er wählte selbst die Berufung zum Wanderprediger vom Reich Gottes zum Beruf und somit kein geregeltes Einkommen, kein eigenes Haus, keine Kirche oder Verkündigungsbasis, manchmal so scheint es, nicht einmal einen Plan. Er zog mit Menschen zu Menschen und war froh, für Kost und Logis unterzukommen für eine Nacht oder einige Nächte, meist in Begleitung seiner Jüngerschar.

Es gab Auseinandersetzungen mit seinen Jüngern, sie mussten viel lernen. Anstrengende Begegnungen mit Menschen, intensive Einzelbegegnungen wie auch Menschenmassen, die ihn bedrängten. Und immer wieder die Anstrengung, von Gott so zu sprechen und in seinem Namen zu handeln, dass es bei den Menschen ankommt.

Und dann noch die Vertreter der Judentums und der Religiösen und weltlichen Gesetzgebung! Wie oft lesen wir in der Bibel, dass er sich vor diesen in Acht nehmen musste!

Dazu noch die Schicksale von Menschen, die seine Hilfe wollten, ob gesellschaftlich ausgestoßen oder an den Pranger gestellt, voll von Selbstzweifeln oder schon dem Tode nahe……

Ich glaube also – wenn Jesus von Mühe spricht, vom Ermattet sein, von übermäßiger Last, dann weiß er, wovon er spricht.

Und wir – wir wissen das auch. All das, was uns in unseren jeweiligen Lebensaltern und Lebenszusammenhängen mühevoll erscheint, woran wir uns reiben, was uns verzweifeln oder zerbrechen lässt, wovor wir uns ängstigen oder womit wir uns selbst belasten.

Ich denke da an die Gruppe der Senioren, an die Menschen also im Rentenalter, hochbetagte, in der letzten Lebensphase. Wie oft höre ich von ihnen: Es macht schon Mühe, die alltäglichen Abläufe zu schaffen, die Medikamente einzunehmen, sich zurechtzumachen, den Haushalt zu schaffen, sich in Verwaltungs- und Rechtsvorschriften zurechtzufinden….

Denke ich an unsere Kinder und Jugendlichen, dann weiß ich wie sehr sie der Schulalltag bestimmt, wie viele Stunden sie als Abhängige, Lernende fremdbestimmt sind, dass ihnen in freien Minuten der Griff zum Handy oder zur Konsole am nächsten ist und sie in den Spielen und Medien schon wieder fremdbestimmt werden, ohne es zu merken.  Müßiggang, gedanklichen Freiraum, Lebensplanung…… das fehlt jüngeren Menschen genauso wie Menschen im mittleren Lebensalter, die sich beruflich ganz schön abstrampeln müssen und privat oft in brüchigen Beziehungen leben und sich gerne bis zum Äußersten infragestellen.

Und nicht zuletzt – wir alle sind seit Corona und Klimakrise Mühe gewohnt, wir sind uns so viel schuldig in Bezug auf Gesundheit und Wohlergehen einer Gesellschaft und Welt und wissen oft nicht, wo wir anfangen sollen …..

Umsomehr –

Nehmen wir einen dementiell erkrankten Menschen in den Blick wissen wir, wie es ihm Mühe macht, diese Erkrankung zu erleben, Wortfindungsstörungen, Probleme mit der Orientierung, fehlende Sinnzusammenhänge, Vergessenes, Agressionen, die von ganz innen plötzlich nach außen kommen …

Und von der Mühe der Angehörigen von dementiell erkrankten Menschen kann ich sprechen, ein „normales“ Leben so lange wie möglich zu führen, den Zustand und das Bild von den Menschen mit all seinen Vorlieben, Bedürfnissen etc. aufrecht zu erhalten wider alle krankheitsbedingten Veränderungsprozessen…..

Und dann auszuhalten, welche unvorstellbaren Veränderungen sich scheinbar in einem dementiell erkrankten Menschen vollziehen, der eigentlich nur zu seinen „roots“ seinen Wurzeln, seiner Bedürftigkeit wie am Anfang des Lebens zurückkehrt…..

Von der Mühe Pflegender könnten wir sprechen, immer in der Spannung von gesetzlichen und Rechtlichen Bestimmungen und vorgefundenen Möglichkeiten und Strukturen, in der Kommunikation mit den Angehörigen und im Umgang mit den Kranken selbst, die so anders oder immer weniger Rückmeldungen geben und kommunikationsärmer werden…..

Ich habe mich gefragt, ob einige der Bilder, die nun schon einige Wochen hier in unserer Kirche hängen, das Mühevolle wiedergeben, und habe erfreulicherweise auf den ersten Blick gar nicht so viel davon gefunden….

Zwei Bilder habe ich ausgewählt – die verschlossenen Augen, die nicht mehr alles wahrnehmen und verarbeiten können, was man sieht und das rote „Feuer“ Bild mit einer Gestalt darin, ganz verloren ….

Vielleicht schauen Sie sich ja die Bilder daraufhin ein letztes Mal an?

 

Jesus sagt: Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken.

Was das meint, wird wunderbar in dem Gleichnis vom großen Gastmahl wiedergegeben.
Wie spricht das, was wir in der Lesung und Predigttextverlesung gehört haben, eigentlich zu uns?
Wo findet sich da Erquickung, Entlastung, oder Aufatmen wie Zink übersetzt?

Lassen Sie uns mal gemeinsam überlegen, was wir gehört haben:
Gott lädt ein.
Alle.

Er hat für alle einen Platz, will jeden versorgen, es festlich und schön für einen Menschen machen.
Wir sind eingeladen, egal woher wir kommen, egal wer wir sind, egal wie man sich in Relation zu anderen Menschen, sich selbst oder zu Gott man sich gerade erlebt.

Und was wird von Gott „geboten“?
Sättigung an Leib und Seele, einen Ruheort, Pause, die Erlaubnis zu kommen und zu bleiben, und alle Mühe mal außen vor lassen.
Das hört sich doch nicht schlecht an, um nicht zu sagen: Das klingt super.

Da ist doch die berechtigte Frage: Warum schlagen so viele Eingeladene die Einladung zu dem großen Gastmahl aus?
Wir haben es gehört – es sind ökonomische Gründe, andere Lebensziele oder Ideale stehen dahinter, auch persönliche und emotionale Gründe und Belastungen……
Es ist ja nicht so, dass wir die Gründe der nicht Erscheinenden Geladenen nicht verstehen könnten…..

Das Gleichnis hat nur teilweise ein Happy End – für die von den Hecken und Zäunen, von den Straßen und aus den Gassen, den vorher gar nicht im Blick gewesenen, und jetzt festlich tafelnden Menschen schon.
Gleichzeitig aber wird ein „zu spät“ ausgesprochen –
Irgendwann wird man vielleicht nicht mehr eingeladen oder irgendwann kann man nicht mehr schmecken und sehen, worin die Entlastung besteht, die Gott uns verspricht…..

Was heißt das nun für Menschen, die sich Gott annähern wollen, die sich Jesus zuwenden und was braucht es da?

In Bezug auf die an Demenz erkrankten und überhaupt Kranken Menschen – es braucht Zeit, Liebe, Gesten, Ruhe und das wiedergeben dessen, wie Gott uns betrachtet: Dass wir bei ihm am richtigen Platz sind.

Im Bezug auf die Angehörigen – es braucht die Lossprechung davon, in der Pflege besonders dementiell erkrankter Angehöriger perfekt zu sein, immer vollkommen richtig zu agieren – darauf kommt es nicht an, wenn ich nur die liebevolle Einladung Gottes selbst annehmen und weitergeben kann……

Und was bedeutet das für Pflegepersonal? Entlastung? Ich glaube, das ist noch eine ganz andere Dimension da muss sich noch viel bewegen, und wir alle müssen dafür sorgen, dass Menschen überhaupt noch in den Pflegeberuf gehen wollen und können, vielleicht müssen sich einige Prozesse da auch verschlanken und den Beruf wieder einladend machen…..

Es lohnt sich, sich darüber auszutauschen und ich denke, weil der Austausch so wichtig ist, ist es auch so gut, dass sich in der Ausstellung der Bilder die Wahrnehmung von Betroffenen und Pflegenden mischt.

Wir sind an Gottes Tisch geladen, wir dürfen seinem Ruf vertrauen und uns Jesus zuwenden und uns ihm anvertrauen.
Und Jesus steht mit offenen Armen da und wendet sich uns allen zu. Jesu Einladung gilt. Er lädt uns ein, ihm zu bringen, was uns belastet und müde macht:

  • den Stress, der oft unseren Alltag prägt und die Verantwortung, die wir zu tragen haben,
  • die Sorge um Menschen, die uns anvertraut sind,
  • das Leiden an einer Krankheit, mit der wir leben müssen,
  • die Trauer um einen geliebten Menschen, der uns genommen wurde,
  • die Schuld, die wir auf uns geladen haben,
  • die Angst vor dem, was uns die Zukunft bringt,
  • all die Wunden, die uns das Leben im Lauf der Zeit beigebracht hat,
  • aber auch die Ansprüche, die wir an uns selber stellen und uns damit unter Druck setzen,
  • und die Routine, die sich manchmal sogar in unser Glaubensleben eingeschlichen hat.

„Kommt und bringt diese Lasten zu mir!“ – lädt Jesus uns ein. „Ich will euch erquicken“ –  Erquicken ist ein Wort, das wir in unserer Alltagssprache kaum mehr gebrauchen. Es bedeutet: stärken und wieder lebendig machen.
Gerade in diesen heißen Tagen ist das unser sehnsüchtigster Wunsch.
Erquickung gibt es an der Quelle, aus der frisches, lebendiges Wasser fließt. Jesus ist diese Quelle, aus der wir neue Kraft schöpfen. Er lässt uns aufatmen und befreit in unseren Alltag gehen. Vielleicht bleiben die Lasten und Mühen dieselben, und doch lassen sie sich anders tragen, mit neuer Hoffnung und neuer Kraft.
Bei Jesus kommt es zu einem „Aufatmen“, das uns wirklich weiterhilft.

Hedwig von Redern hat diese Erfahrung in einem Gedicht so beschrieben:
„Du weißt zu erquicken, wie kein Mensch es kann.
Du mein Hirt und Heiland, staunend bet’ ich an
und glückselig ruh’ ich in Dir allezeit,
bis ich jubelnd schaue deine Herrlichkeit.“

Und – ob es ein Gebet ist, eine stille Zeit oder Meditation, ein Kerze anzünden im Dom, eine Gang über den Friedhof oder in den Gottesdienst oder ehrenamtliches, diakonisches Engagement.….. Zu Jesus und zu Gott zu kommen, ist eine große Einladung und es gibt viele Möglichkeiten und ich werde Dir und ihnen nicht sagen dies ist die wahre und einzige Möglichkeit, nein, die musst Du für dich selbst finden.

Ich möchte sie nur weitergeben, die große Einladung, hier und an den Hecken und Zäunen, in die Gesprächskreise, Chorproben, Sitzungen, bei Sport und Spiel: Du bist eingeladen. Komm.

AMEN