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Predigt zum Sonntag Rogate und Muttertag 14. Mai 2023 in Ostheim

Lesung aus 1. Timotheus 2 nach der Übersetzung „Basisbibel“

21Zuerst und vor allem bitte ich euch, im Gebet für alle Menschen einzutreten:

Bringt eure Wünsche, Fürbitten und euren Dank für sie vor Gott.

2Betet auch für die Könige und alle übrigen Machthaber. Denn wir wollen ein ruhiges und stilles Leben führen – in ungehinderter Ausübung unseres Glaubens und in Würde.

3So ist es recht und gefällt Gott, unserem Retter. 4Er will ja, dass alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen.

5Denn nur einer ist Gott und nur einer der Vermittler zwischen Gott und den Menschen: der Mensch Christus Jesus. 6Der hat sich selbst hingegeben als Lösegeld für alle Menschen.

Das gilt es zur rechten Zeit zu bezeugen. 

Predigt

Die Gnade Jesu Christi und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. AMEN

Beten sie noch oder leben Sie schon?
Heute, ihr Lieben, geht es um das Beten und besonders darum, wie man dankbar sein kann im Leben und im Beten.

Ich kenne Menschen in dieser Gemeinde gibt, die ihre Morgenroutine mit einem Gebet beginnen, die über den Tag mehrmals innehalten und sich an Gott wenden oder sogar am Abend aufschreiben, was der Tag an Gutem zustande gebracht hat, wofür man dankbar sein kann.  Ich weiß von Jugendlichen, die „stille Zeit“ halten oder die ich erlebt habe, wie sie vor einer Prüfung beten.
Ich kenne natürlich auch die anderen, die schon lange ihre Hände nicht mehr falten oder nicht mehr so recht wissen, wie sie Gott überhaupt noch anreden sollen.
Es gibt die, die Sich Gott oder vielmehr noch Jesus an die Brust werfen in der festen Überzeugung: Der HERR wird’s schon richten.
Und es gibt die, die ihr Handeln und ihr Leben, ihre Überzeugungen und ihr Engagement sei es für die Politik, den Frieden, die Gesellschaft oder das Klima, mit einem oft streitbaren Gebet begleiten.

Es gibt sicher noch ganz andere und viel mehr, und ich selbst „titsche“ eigentlich immer hin und her, bin mal das eine, mal das andere. Aber eines, das vergesse ich hoffentlich nie: Danke zu sagen.

Denn- es geht mir gut. Es gibt noch Hoffnung. Und – es könnte immer noch schlimmer kommen……

Heute, am 5. Sonntag nach dem Osterfest, steht das Beten im Mittelpunkt des gottesdienstlichen Nachdenkens und Handelns. Mit seinem Namen „Rogate“ fordert uns der Sonntag auf, zu beten, zu bitten, zu leben in einer Gottesbeziehung, die Beten und Weltverantwortung verbindet.

Und weil heute Muttertag ist, der sich ziemlich genau vor 100 Jahren mit dem 2. Maisonntag in Deutschland als Blumen- oder Dankesonntag etabliert hat, geht es besonders um das dankbare Gebet: Einfach Danke sagen.

Da denke ich an ein Zitat:

„Beten heißt zuerst danken können“ (Albert Schweitzer)

Und an die 11. Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen im September 2022 in Karlsruhe, wo sich die 4000 Teilnehmenden dreimal täglich im „prayer tent“ versammelten, um miteinander zu singen, auf Gottes Wort zu hören und zu beten. Von dieser Vollversammlung wird folgendes berichtet:  „Das ist ein Stückchen Himmel auf Erden“, sagte ein Delegierter, tief berührt vom Morgengebet: „Bevor der ‚struggle‘ bei den Verhandlungen beginnt, gemeinsam zu beten!“
Ganz ähnlich ist die Tagesstruktur und das gemeinsam Beten übrigens auch auf dem Kirchentag, mal sehen was wir mit unserer Gruppe dort erleben werden.

Das Bibelwort zum Sonntag haben Sie schon gehört – eben in der Lesung. Es ist ein Ausschnitt aus dem 1. Brief an Timotheus – in dem einer, dessen Namen wir nicht kennen, an einen Mann namens Timotheus schreibt. Ihm und seiner Gemeinde erklärt er, wie und wofür die christliche Gemeinde beten soll.

Die Worte kommen etwas brav und angepasst daher. Ich reibe mich im ersten Moment an so einer scheinbar weichgespülten christlichen Haltung, die hier vermittelt wird.

Und doch – die Worte sind so etwas wie eine Kurzanleitung für ein gutes christliches Leben und – Überleben. Denn die jungen Gemeinden im Mittelmeer damals waren ihren Obrigkeiten suspekt und immer in Gefahr, irgendwo anzuecken oder aufzufallen und dadurch letztlich ihre Möglichkeit der Religionsausübung zu verlieren.

Der Briefeschreiber beschreibt den Grund des Glaubens und was wir im Glauben tun sollen: Beten „Für alle Menschen“.

21Zuerst und vor allem bitte ich euch, im Gebet für alle Menschen einzutreten: Bringt eure Wünsche, Fürbitten und euren Dank für sie vor Gott.

Für alle Menschen, steht da.

Ich weiß es nicht genau, aber ich vermute-  ihr kennt alle das Gleichnis über das Beten, dass Jesus mit dem Pharisäer und dem Zöllner – im Lukasevangelium ist es überliefert – erzählt: Dort heißt es:
„Der Pharisäer stellte sich hin und sprach bei sich dieses Gebet: Gott, ich danke dir, dass ich nicht wie die anderen Menschen bin, die Räuber, Betrüger, Ehebrecher oder auch wie dieser Zöllner dort.“

Das ist das klassische schlechte Beispiel. Hier betet einer nicht für jemand. Und hier dankt einer auch nicht wirklich. Was wäre eine Alternative?
„Gott, das Denken und Handeln mancher Menschen begreife ich nicht und ich finde es oft nicht gut, wie sie leben und was das auch mit mir macht. Aber ich bete für den, den ich nicht verstehe und gutheißen kann – trotzdem, dass Du, Gott, ihm den richtigen Weg zeigst.“

Das wäre im Sinne unseres Predigttextes an dieser Stelle gebetet.

Beten ist Bitte, Fürbitte, und Dank für alle Menschen – ein Fenster zur Welt.
Navid Kermani, muslimischer Schriftsteller und Friedenspreisträger, hat in seinem Buch über das Christentum geschrieben: „Die Liebe, die ich bei vielen Christen wahrnehme (im Gebet) geht über das Maß hinaus, auf das ein Mensch auch ohne Gott kommen könnte. Ihre Liebe macht keine Unterschiede.“
Der Briefeschreiber unseres Sonntagstextest geht in seiner Liebes- oder Gebetsradikalität sogar noch einen Schritt weiter:

2Betet auch für die Könige und alle übrigen Machthaber. Denn wir wollen ein ruhiges und stilles Leben führen – in ungehinderter Ausübung unseres Glaubens und in Würde.

Wenn ich das für mich übersetze: Beten also auch für den Kanzler und die Außenministerin, für die Vorstände der Bahngewerkschaft, die Richter in den Aufklärungsprozessen, die Kirchenleitungen, Schulämter, Lehrerinnen und Erzieher, die Menschen in den Behörden und an den Hebeln der Macht,  und und und …..

Hören Sie hier aber bitte mal genau hin! Für die Obrigkeit sollen wir beten. Nicht zur Obrigkeit, nicht zu den Königen und Präsidenten, nicht zu den Chefs und auch nicht zu den Eltern. Das hatten damals die Kaiser in Rom und in Ägypten und sonst wo verlangt. Die ließen sich als Götter anbeten. Manche Präsidenten kommen sich heute noch so vor und manche Chefs und Vorgesetzte auch. Götter, denen man sich vorbehaltlos und kritiklos unterwerfen muss, sie beinahe demütig „anzubeten“ hat.

Aber genau das sollen wir Christinnen und Christen nicht zu tun. Wir sollen für die da oben beten, nicht zu ihnen. Wir dürfen sie nicht als Götter verehren.
Das sagt uns schon die im Mai 1934 veröffentliche Barmer Theologische Erklärung – ein Dokument des Widerstandes: (Barmen I) „Jesus Christus, wie er uns in der Heiligen Schrift bezeugt wird, ist das eine Wort Gottes, das wir zu hören, dem wir im Leben und im Sterben zu vertrauen und zu gehorchen haben. Wir verwerfen die falsche Lehre, als könne und müsse die Kirche als Quelle ihrer Verkündigung außer und neben diesem einen Worte Gottes auch noch andere Ereignisse und Mächte, Gestalten und Wahrheiten als Gottes Offenbarung anerkennen.“

Gott ist nur einer. Das sieht man durch das Fenster des Gebets. Durch das Fenster zum Himmel. Wir beten zu Gott. Die anderen alle, die sind nicht Gott. Die sind Menschen. Und weil sie alle „auch nur“ Menschen sind, können wir für sie beten.

Und ich vermute mal:  Wir hätten genug Inhalte und Ideen, wie wir für die Obrigkeiten unserer Zeit beten könnten!  Für die einen, die verantwortungsbewusst zu retten versuchen, was zu retten ist. Und für die anderen, deren Gier und Bosheit so viele Menschenleben vernichtet und das Leben auf der Erde immer schwerer macht.

Für die Mütter zu beten, dass sie mit Liebe und Verantwortung das Leben ihrer Kinder begleiten, fällt uns wahrscheinlich leichter, besonders dann, wenn wir selbst eine Mutter hatten, die uns gut ins Leben begleitet hat.

Gott fordert uns auf, besonders die Schwachen und Unterdrückten, die Unverständigen und Heimatlosen zu lieben. Gott will, wie es der unbekannte Schreiber des Briefes betont, „dass alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen“! Die Mächtigen und die Schwachen! Auch darum sollten wir schon  für die „Obrigkeit“ beten – damit auf allen Wegen Lösungen gefunden werden für Probleme, die so viele Menschen in die Knie zwingt.

Und unser Briefschreiber lädt ein: Betet ständig, betet regelmäßig! Beten hat eine verändernde Kraft. Wer betet, dem gelingt es leichter, ein friedliches Leben zu führen und zu einem guten Miteinander unter den Menschen beizutragen. Man muss allerdings sozusagen „dranbleiben“! Die meisten wissen doch genau, wie gut es tut, sich regelmäßig mit einer guten Freundin oder einem guten Freund auszutauschen. So ist das auch mit Gott. Wir sollten nicht nur beten, wenn wir meinen, Gott zu brauchen. Wir können Gott immer sagen, was uns gerade in den Sinn kommt, worüber wir uns freuen, was uns auf der Seele liegt. Ein kurzes Stoßgebet, eine stille Zeit, in Moment Innehalten am Morgen oder Abend – es liegt ganz bei uns. Wenn wir uns nur vorstellen, wie wir in den Raum seiner Liebe und Güte eintreten, in dem wir uns geborgen fühlen, uns ausruhen und neue Lebenskraft bekommen. Jeder und jede von uns kann es so versuchen, wie es ihm oder ihr am besten entspricht.

Doch eines sollten wir beim Beten nie vergessen: das Danke sagen. Oder sagen wir einfach: die Dankbarkeit! Es kann unser Leben verändern, wenn wir uns regelmäßig bewusst werden, wie viel Gutes es in unserem Leben gibt! Denn eigentlich ist nichts selbstverständlich: nicht der Kaffee am Morgen, nicht die Liebe, die mein Leben trägt. Für all das immer wieder einmal bewusst „Danke!“ zu sagen, lässt uns spüren, wie beschenkt wir sind! Wer regelmäßig so betet, entgeht der Gefahr, das Dunkle und Widerständige seines Lebens übergroß wahrzunehmen und das Gute darüber zu vergessen. Und erlebt vielleicht, dass das Gebet seine Kraft auch in den dunklen Stunden entfalten kann.

Ich möchte Sie und Euch einladen, einmal zu überlegen, wem ich heute gerne „Danke“ sagen möchte in meinem Leben. Dazu muss niemand etwas aufschreiben, ich komme auch nicht mit dem Mikrofon herum und ein Gespräch ist diesmal auch nicht beabsichtigt.

Hinten auf den Tischen in der Kirche liegen zwei Bilderrahmen, daneben ein paar Teller mit Farbe, etwas Wasser, kleine Schwamm-Stückchen. Nehmen Sie sich einfach in Stück Schwamm, tupfen es in Farbe und tupfen es dann auf die Bilderrahmen, so weden die Buchstaben des Wortes „Danke“ und ein „Herz“ ganz bunt und voll mit Ihrem und Eurem heutigen „Dankeschön“. Währenddessen spielt Herr Müsken ein bischen Musik auf der Orgel.

 

Predigtschluß:

Liebe Gemeinde,

Vor etlichen Jahren gab es im Magazin des Kölner Stadtanzeigers mal eine Reihe zum Thema ‚Dankbarkeit macht glücklich’. Da hat einer sehr verschiedene, auch und gerade nicht religiöse und bürgerliche Menschen zum Thema Dankbarkeit befragt. Darunter einer, dessen Leben privat und beruflich ziemlich im Eimer war, der auf der Straße lebte und den Kontakt zu seinen Angehörigen verloren hatte. Er fing in dieser Krise an, Menschen für alles Mögliche zu danken – der Friseurin für einen gelungenen Haarschnitt, der Exfrau für einen toll organisierten Kindergeburtstag, der Bedienung im Cafe, dass sie noch seinen Namen wusste, dem Straßenbahnfahrer, dass er ihn ohne Ticket mitgenommen hatte usw. Dadurch veränderte sich sein Leben. Sein Leben wurde viel beziehungsvoller. Menschen begegneten ihm aufmerksamer und freundlicher. Besonders dieses eine Interview habe ich nicht vergessen. Wie Dankbarkeit Leben verändern kann. Wieder in Beziehung setzen kann. Mit anderen Menschen, mit mir selbst und letztlich auch mit Gott.  Beten, und insbesondere das Danken im Gebet, ist eben ein Fenster zur Welt und zum Himmel.

Vielleicht denken wir heute alle daran, wenn wir leise oder laut danke sagen. Danke dafür, dass wir eine Mutter hatten, haben oder sind.  AMEN

Und der Friede Gottes, der größer ist als alles, was wir denken und begreifen, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus, unserem Herrn. AMEN