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Gedanken zur Tageslosung, Donnerstag 11.06.2020

Unsre Seele ist entronnen wie ein Vogel dem Netze des Vogelfängers; das Netz ist zerrissen, und wir sind frei.
Psalm 124,7

Der Engel des Herrn kam in das Gefängnis und Licht leuchtete auf in dem Raum; und er stieß Petrus in die Seite und weckte ihn und sprach: Steh schnell auf! Und die Ketten fielen ihm von seinen Händen.
Apostelgeschichte 12,7

In den beiden Versen aus dem Alten und Neuen Testament ist etwas ganz Elementares festgehalten: der Glaube (das Vertrauen) auf den Gott der Bibel macht frei, schenkt Freiheit. Das ist ungeheuer kostbar. Für mich war diese Freiheit zum Beweggrund geworden, evangelische Theologie zu studieren. Mein Glaube hatte mich von einem Vater befreit, der mir damals nicht gut getan hatte mit seinen Ansprüchen. Mein Glaube, der mir gesagt hat: Du bist so oder so geliebt und angenommen, egal, was für Leistungen Du vollbringst oder nicht vollbringst, egal, was für Noten Du nach Hause bringst: Du hast einen himmlischen Vater, der dich bedingungslos liebt. Diese Glaubenserkenntnis hat mich als Jugendlicher befreit und mir eine Freiheit geschenkt, die geblieben ist – eine Erfahrung, die ich in diesen Versen der Bibel wiederfinde

Es ist sicher eine der schönen Seitens unseres christlichen Glaubens. Aber wie oft haben wir in der Geschichte des Christentums nicht genau das Gegenteil erlebt. Ebenso wie der Friede eine der schönen Effekte unseres Glaubens ist, aber wie oft haben wir schon Gewalt und Krieg im Namen des Christentums erlebt.

Es bleibt ein Problem, dass der Mensch in der Lage ist, das Positive des Glaubens immer wieder in sein Gegenteil zu pervertieren. Es bedeutet zwar nicht, dass dann das Vertrauen auf einen Gott, der für das Gegenteil steht, sinnlos wäre, aber es erfordert einen langen Atem unsererseits und es erfordert auch einen geduldigen dauerhaften Kampf himmelseits.

Der Mensch hat die Freiheit, sich auch immer für die Unfreiheit und den Unfrieden zu entscheiden. Er hat auch immer die Freiheit, sich gegen Gott zu entscheiden. Ein Leben lang haben wir diese Möglichkeit. Aber nur ein Leben lang. Die wenigstens machen sich bewusst, dass dies Leben endlich ist. Zu Zeiten von Corona wird uns bewusst, wie endlich Leben sein kann (nicht nur für alte Menschen!!!) und wie kostbar das Miteinander des Lebens ist, wie trist das Leben ohne Begegnung, Miteinander und Nähe ist.

Glaube befreit, dem Leben einen Sinn zu geben. Glaube schenkt Freiheit, die die Freiheit der Anderen achtet. Aber das Wichtigste bleibt: Wenn ich zu Gott Ja sage, dann habe ich Freiheit. Ich sage es nicht zu einem Gott, der nur herrschen oder strafen wollte. Ich sage es zu einem Gott, der mich lieben und meine Freiheit will. (Pfarrer Dr. Gerhard Wenzel)