Du betrachtest gerade Predigt am 1. Advent
Foto: Wodicka (c) gemeindebrief.de

Predigt am 1. Advent

Predigt am 1. Advent über Psalm 24 und Lied EG 1 „Macht hoch die Tür“

Die Gnade Jesu Christi und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. AMEN

Machet auf das Tor, machet auf das Tor, es kommt ein goldner Wagen… Wer sitzt denn darin, Wer sitzt denn darin, ein Mann mit güldnen Haaren …. Was will er will er denn, was will er, will er denn, er will die Schönste holen … Was tat sie tat sie denn, was tat sie tat sie denn , sie hat sein Herz gestohlen…. Die erste will er nicht, die zweite will er nicht, die dritte will er holen ……. aus Po-len!

Vielleicht kennen Sie das alte Kinderspiel. Es kommt mir jeden ersten Advent wieder in den Sinn, wenn das Motto heißt: Machet auf das Tor.
Wisst ihr wie das Spiel geht? Es weckt schöne Erinnerungen an Kindertage.
Wollen wir es mal spielen?
Das Kinderspiel hat den Überlieferungen nach seine Herkunft aus Hessen im 19. Jahrhundert gehabt, und wurde v.a. in den neuen Bundesländern gespielt, so kam es möglicherweise zu dem ursprünglich nicht vorhandenen Zusatz „aus Polen“ oder „nach Polen“ durch die räumliche Nähe und weil sich das Wort so schön reimt.

Sinn des Spiels ist, dass sich Kinder in Paaren aufstellen und durch Tore schreiten, welche wiederum von anderen Paaren gebildet wird. Wer unbeschadet durch das Tor tritt, der bildet mit den Armen den neuen Torbogen.
Fallen die Torbogen herunter und schließen ein Paar ein, dann ist dieses auserwählt, Platz zu nehmen.
Ich weiß nicht, wie es ihnen ging – ich habe das unendlich oft und gerne gespielt und es hat mir einfach Freude bereitet. Und als ich als Kind dann verstanden hatte, das das Motto des beginnenden Advents immer „Macht hoch die Tür“ ist, war das für mich auch ganz klar ein Zeichen einer großen Freude.

Von dieser großen Freude sind auch die Menschen ergriffen, die Jesus in Jerusalem empfangen. Es heißt – so haben wir es gehört – das sie „Hosianna, gelobet sei der, der da kommt“ rufen. Und „Hosianna dem Sohne Davids“. Sie breiten Palmzweige auf dem Weg aus und sogar auch ihre Obergewänder.
Und das für einen armselig gekleideten Mann, der auf einem Esel heranreitet. Sein Ruf geht ihm voraus, er könne ein zukünftiger König sein, einer, der das Leben in Israel grundlegend verändern könnte. Und so zieht er ein in die Stadt Jerusalem, einst Hauptsitz des israelischen Königs, jetzt unter der Herrschaft eines von Rom eingesetzten Statthalters. Und die Menschen wünschen sich nichts sehnlicher, als dass eine neue Zeit beginnen möge.

Machet die Tore weit und die Türen in der Welt hoch,
dass der König der Ehre einziehe!
Wer ist der König der Ehre? Es ist der HERR,
stark und mächtig, der HERR, mächtig im Streit.
Machet die Tore weit und die Türen in der Welt hoch,
dass der König der Ehre einziehe!
Wer ist der König der Ehre?
Es ist der HERR Zebaoth; er ist der König der Ehre.

Dieser Psalmvers ist unauflöslich mit dem ersten Advent verbunden, und verknüpft in unserem Denken wunderbar die Geschichte vom Einzug Jesu in Jerusalem mit dem Lied „Macht hoch die Tür“.

Es sind die Worte Martin Luthers, die wir bei dieser Psalmübersetzung genauso wirkmächtig erleben und die in unser Herz und unseren Geist eingehen, ähnlich wie bei der Weihnachtsgeschichte, die wir auch gerne in Luthers Übersetzung hören.
Dabei hat Luther genaugenommen nicht ganz richtig übersetzt – „Tut euch weit auf, ihr mächtigen Tore, und gebt den Weg frei, ihr uralten Pforten….“ So, wie z.B. die Genfer Bibel den Psalm wiedergibt, ist es näher dran am ursprünglichen Verstehen.

Denn der Psalm gehörte in der jüdischen Tradition ursprünglich zur Königstradition, später zu einer Festliturgie für den Jerusalemer Tempel. Zum Fest sollen sich die ehrwürdigen Mauern öffnen und die Gläubigen empfangen, im Haus Gottes soll Platz sein für jeden und jede, die oder der die Nähe Gottes sucht.
Nicht die Menschen, sondern die Mauern, gewissermaßen die Institution soll sich öffnen, weit und neu werden.

Letztlich, liebe Gemeinde, starten wir in der christlichen Tradition in jedem Advent auch so eine Maueröffnung (aber keinen Mauerfall).
Es geht nicht ums Einreißen, sondern ums Öffnen, es geht um Kennenlernen, Begegnung, Veränderung zum Guten.

Macht hoch die Tür die Tor macht weit, es kommt der Herr der Herrlichkeit……
Das Lied haben wir wie jeden 1. Advent eben miteinander gesungen. Gedichtet hat dieses Lied – natürlich im Wissen um den 24. Psalm als Grundlage, Georg Weissel, geb. 1590 in Ostpreußen, evangelischer Pfarrer und Liederdichter (er hatte Theologie und Musik studiert).
Nach den Opitzschen Regeln der Reimkunst hat Georg Weissel biblische und christliche Inhalte so gedichtet und verdichtet, dass sie vertont werden konnten, u.a. von Johann Sebastian Bach.

Wie es zu seinem bekanntesten – unserem beliebtesten Adventslied kam, erzählt folgende Begebenheit:
Weissel war Pfarrer an der Altroßgärtner Kirche in Königsberg. Während eines sehr stürmischen und rauen Winters mit viel Schnee strebte er einmal seinem Dom zu, um dort unter dem hohen Portal einen Moment Schutz zu finden. Die Augen fest auf die Tür geheftet, erreichte er die breite Treppe. In diesem Augenblick öffnete sich das Portal weit und der freundliche Küster machte mit einer leichten Verbeugung eine einladende Geste:
„Willkommen im Haus des Herrn. Hier ist jeder in gleicher Weise willkommen, ob Patrizier oder Tagelöhner. Das Tor des Königs aller Könige steht jedem offen.“
Weissel schüttelte den Schnee vom Mantel und klopfte dem Küster auf die Schulter. „Eben hat er mir eine ausgezeichnete Predigt gehalten.“
As das Unwetter vergangen war, soll der Liedtext: „Macht hoch die Tür, die Tor macht weit; es kommt der Herr der Herrlichkeit …“
Vor ihm gelegen haben.

Das Tor des Königs aller Könige steht jedem offen. – wie auch im ursprünglichen Psalm ist in diesen überlieferten Worten wunderbar erfasst :
Wir sollen zu Gott kommen. Und wir können das, weil uns alle Tore offen stehen.
Aber: Das Lied Macht hoch die Tür und der Advent, bei dem Wir warten, erwarten das Kommen des Heilandes der Welt, sind mit einer weiterführenden Geschichte über Georg Weissel verknüpft.

Worum geht es? Krieg, Hunger, Seuchen waren nicht spurlos an der Bevölkerung Königsbergs vorübergegangen. Es gab noch wunderbare alte Patrizierhäuser und alteingesessene Kaufmannsfamilien, die ihren Wohlstand halten und geschickt mehren konnten, aber es gab auch viel Elend. Und nur wenige, die es mit Fleiß und Geschick schafften, sich von ganz unten emporzuarbeiten, bis zu einem gewissen Reichtum. So war es mit dem Fisch- und Getreidehändlers Sturgis. Er gehörte nicht zu den angesehenen Patriziern, sondern war vielmehr ein Emporkömmling. Der Stadtrat hatte ihm einen Bauplatz im vornehmen Patrizierviertel versagt, doch hielt sein neu erbautes, großes Haus am Rossgärtner Markt jedem Vergleich stand.

Nur eines ärgerte Sturgis:
Wenig entfernt von seinem Grundstück lag ein Armen- und Siechenheim, und dicht bei seinem Gartenzaun verlief der schmale Fußweg, den die Armenhäusler benutzten, wenn sie Besorgungen in der Stadt machen oder am Sonntag den Gottesdienst besuchen wollten.
Zwar belästigten sie den Kaufmann nie, aber Sturgis ärgerte sich über den Anblick der armseligen Gestalten und beschloss, Abhilfe zu schaffen.
Spitzfindig wie er war, kaufte er die lange, breite Wiese, über die der Pfad führte, und legte einen herrlichen Park an. Er umgab ihn mit einem Zaun, schloss ihn nach außen durch ein prächtiges Tor und auf der Rückseite durch eine kleine verriegelte Pforte ab.
Nun war den Armenhäuslern der Weg versperrt, und der Umweg zur Stadt war für die meisten von ihnen zu weit und zu beschwerlich.

Und auch zur Kirche führte der Weg nur auf Umwegen, was Pfarrer Weissel auf den Plan rief.
Er machte sich Gedanken, wie das unbarmherzige Verhalten des Kaufmanns Sturgis sich wandeln konnte, von dem man andererseits auch wusste, dass er freigiebig spendete. Z. B. bedachte er den Chor, der zur Adventszeit durch die Straßen zog und vor den Häusern sang, um Spenden für die Armen zu sammeln, stets gern.
Dieser, der Chor, wollte aber aufgrund des versperrten Grundstücks diesmal nicht bei Sturgis singen, wozu Pfarrer Weissel ihn aber drängte.
Weissel aber gab zu bedenken: „Ich meine, wir würden Advent und Weihnachten nicht richtig feiern können, wenn wir den reichen Mann ausschlössen. Unser Erlöser geht auch an keinem Haus und keinem Herzen vorüber. Wollen wir ihm nachfolgen oder nicht?“

Weissel selbst begleitete den Chor mit seinem Chorleiter, und nicht nur das, auch einige Arme, alte und Kranke aus dem Siechenheim kamen mit –
Und als Sturgis ans Tor kam, da begann Weissel seine Ansprache. Er sprach vom König aller Könige, der auch heute noch vor verschlossenen Herzenstüren wartet und Einlass begehrt, auch bei Kaufmann Sturgis. „Ich flehe Euch an“, fuhr Weissel fort, „öffnet nicht nur dieses sichtbare Tor, sondern das Tor Eures Herzens und lasst den König ein, ehe es zu spät ist.“ Darauf wandte er sich um und wies auf die Schar der Alten und Kranken, die mitgekommen waren. Und als alle Stimmen erklangen, da sangen sie dem Kaufmann mitten ins Herz, was soll ich sagen – laut der Legende sang der besondere Chor vor dem Haus des hartherzigen Kaufmanns Sturgis zum ersten Mal „Macht hoch die Tür, die Tor macht weit, es kommt der Herr der Herrlichkeit“.
Sturgis öffnete sein schweres Eisentor, ließ alle auf sein Grundstück bis zur kleinen Pforte, die nun auch nicht mehr verschlossen sein würde. Anschließend ließ er alle noch in seinem Haus bewirten. Der Weg durch den Park in Königsberg heißt seit dieser Zeit Adventsweg oder Weihnachtsweg.
Und am Heiligabend des gleichen Jahres soll Sturgis seinen Pfarrer Weissel gebeten haben, die Strophen des neuen Liedes in sein persönliches Gesangbuch zu schreiben, – einer Bitte, die Georg Weissel gerne nachgekommen ist.

Wenn man auch nicht weiß, wie man einer solchen Überlieferungsgeschichte zu einem Lied Glauben schenken kann und mag – für mich ist sie in Bezug auf die Aussagen des Psalmes 24 und die Freude, die uns erfassen soll, sehr passend.
Das Gebäude, die Institution, ja vielleicht auch die Kirche, soll sich öffnen, und ich hoffe das tut sie heute für viele, die die wunderbaren Dinge auf den Tischen sehen und Lust und Zeit mitgebracht haben, sich damit zu befassen, vielleicht etwas zu kaufen und zu genießen.
Es muss sich etwas tun, in den Formen, dem Establishment, aber auch in jedem einzelnen Geist und Herzen. Wenn wir es schaffen, mit unseren liebevollen Geschenken, der Bewirtung, gesungenen Liedern, Spielen und einer Unterhaltung nur ein wenig die hartgewordenen Herzen der Menschen in diesen Zeiten zu öffnen, ist viel gewonnen.

Wenn Menschen es schaffen, das Engagement anderer Menschen für eine gute Sache zu würdigen, und – ich gehe gerne noch weiter – wenn Menschen sich in einer Kirche und Gemeinde zuhause fühlen und die Arbeit am Leben erhalten oder wieder ins Leben bringen – trotz mancher unguten Strukturen……
Dann haben wir wirklich eine adventliche Haltung, dann machen wir wirklich die Türen auf und die Tore der Welt hoch.

So endet übrigens die Legende über den Liederdichter Weissel und den Kaufmann Sturgis – Als Georg Weissel ihm den Liedtext aufgeschrieben hatte, da stellte er an Sturgis seinerseits auch eine Frage und Bitte:
Die Liedzeile von Macht hoch die Tür zu unterstreichen, die ihm am wichtigsten geworden ist.
Ohne zu zögern ergriff er Sturgis seine Feder und unterstrich den ersten Satz der 5. Strophe:
„Komm, o mein Heiland Jesu Christ, meins Herzens Tür dir offen ist.“

Also liebe Leute: Machet auf das Tor, ihr Lieben, es kommt ein goldner Wagen, und der darin sitzt, will das Liebste holen, Dich und Dich und Dich und mich. Gott kommt zu uns, damit wir uns ihm öffnen.
AMEN