(gehalten am 3. April von Pfarrer Dr. Gerhard Wenzel in der Versöhnungskirche in Köln Rath-Heumar)
Die Gnade und der Friede Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. Amen
Liebe Schwestern und Brüder in Christus,
in der Passionszeit gedenken wir des Leidensweges Jesu. Mit Leiden und Sterben Jesu stand und steht aber auch im Raum: Was bleibt von ihm? Das steht ja mit jedem Menschenleben im Raum, das zu Ende geht oder gegangen ist. Nun ist Jesus aber nicht nur irgendein Mensch gewesen, sondern ein ganz besonderer – jemand, von dem wir sagen: Er ist Gottes Sohn. Er ist ein Gesandter Gottes. In ihm ist uns Gott selbst begegnet, hat uns Gott selbst besucht, wenn man so will.
Jesus ist noch gar nicht tot. Er hat eben gerade mal seinen Leidensweg angekündigt, da geht schon der Streit um sein Erbe los, könnte man sagen. Es entstehen jedenfalls Begehrlichkeiten bei den Jüngern.
Hören wir da mal rein in den Text, der im Markusevangelium Kap. 10,35 – 45
„Da gingen zu ihm Jakobus und Johannes, die Söhne des Zebedäus, und sprachen zu ihm: Meister, wir wollen, dass du für uns tust, was wir dich bitten werden. Er sprach zu ihnen: Was wollt ihr, dass ich für euch tue? Sie sprachen zu ihm: Gib uns, dass wir sitzen einer zu deiner Rechten und einer zu deiner Linken in deiner Herrlichkeit.
Jesus aber sprach zu ihnen: Ihr wisst nicht, was ihr bittet. Könnt ihr den Kelch trinken, den ich trinke, oder euch taufen lassen mit der Taufe, mit der ich getauft werde?
Sie sprachen zu ihm: Ja, das können wir. Jesus aber sprach zu ihnen: Ihr werdet zwar den Kelch trinken, den ich trinke, und getauft werden mit der Taufe, mit der ich getauft werde; zu sitzen aber zu meiner Rechten oder zu meiner Linken, das zu geben steht mir nicht zu, sondern das wird denen zuteil, für die es bestimmt ist. Und als das die Zehn hörten, wurden sie unwillig über Jakobus und Johannes.
Da rief Jesus sie zu sich und sprach zu ihnen: Ihr wisst, die als Herrscher gelten, halten ihre Völker nieder, und ihre Mächtigen tun ihnen Gewalt an. Aber so ist es unter euch nicht; sondern wer groß sein will unter euch, der soll euer Diener sein; und wer unter euch der Erste sein will, der soll aller Knecht sein. Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene und sein Leben gebe als Lösegeld für viele.“ Amen
Was hat sich der Autor, der das Markusevangelium geschrieben hat, wohl dabei gedacht, als er diese Begebenheit zwischen Jesus und seinen Jüngern niedergeschrieben hat? Er hätte diese Episode aus dem Leben Jesu ebenso weglassen können. Es scheint ihm aber sehr wichtig gewesen zu sein. In dem Evangelium nach Markus lesen wir so oft wie kaum in einem der anderen drei Evangelien vom Anbruch des Reiches Gottes. Mit Jesus hat dieses Reich seinen Anfang genommen. Mit Jesus ist die Gottesherrschaft angebrochen, die der Herrschaft der Menschen gegenübersteht und sich zur Not der Menschenherrschaft auch in den Weg stellt. Für Markus hat das Reich Gottes mit Jesus seinen Anfang genommen, mit seinen Heilungen, die Kranken widerfahren sind, mit seinem Einsatz für den Frieden, der jegliche Gewaltketten durchbrechen und unterbrechen sollte und seinem Einsatz dafür, miteinander so zu teilen, wie es die Menschen mit ihm bei der Speisung der Fünftausend z. B. erlebt hatten.
Auf dem Punkt gebracht könnte man im Sinne des Markusevangeliums sagen: Reich Gottes ist der Bereich, wo Gott seine Herrschaft antritt, wo Gott herrschen soll und eben nicht mehr der Mensch über den Menschen. Das ist die ganze Botschaft vom Reich Gottes: Gott soll herrschen, damit die Herrschaft der Menschen über Menschen endlich aufhört und nicht mehr die Liebe zur Macht herrscht, sondern die Macht der Liebe.
Das ist der Schlüssel zum Verstehen des Markusevangeliums und genau das finden wir auch in dem Text wieder, den wir eben hörten.
Da sind Jakobus und Johannes, die an Jesu Seite sitzen wollen in seiner Herrlichkeit – so ist das hier formuliert. Im Text selbst bleibt offen, ob sich das auf das Jenseits, also das ewige Leben nach Jesu Tod bezieht, also auf einen guten Platz im Himmel oder doch hier auf Erdenzeiten. Es mag sich sogar auf den Platz beim gemeinsamen Abendessen bzw. Abendmahl beziehen, zumindest da seinen Anfang nehmen. Eigentlich ist die Bitte, neben jemanden sitzen zu wollen, ja nichts Unverschämtes oder Verfängliches. Da ist ja zunächst mal nichts Schlimmes dran. Ich habe vor Augen manche Kinder im Schulgottesdienst, die mich das auch gerne fragen: „Herr Wenzel, kann ich neben Dir sitzen?“. Ein paar sind dabei, die immer neben mir sitzen wollen und ganz unglücklich sind, wenn sie es mal nicht können. Und das ist eine Ebene, die wir verstehen. Sie suchen die Nähe. Für sie geht von einem Menschen, den sie bitten, dass sie neben ihm sitzen zu dürfen, etwas Besonderes aus – eine Kraftquelle, eine Lichtquelle, Sympathie, Freundlichkeit, eine frohe Botschaft, Vertrauen, Geborgenheit. Sie fühlen sich wohl in seiner Nähe, fühlen sich davon angezogen.
Das ist etwas, was die Menschen um Jesus herum mit ihm ja gerade ganz besonders intensiv erlebt haben müssen. Wir können uns vorstellen, wie da Gottes Herrlichkeit in ihm und um ihn herum tatsächlich schon zu Lebzeiten ausgestrahlt hat. Ich kann die Bitte von Jakobus und Johannes also auf der einen Seite verstehen.
Aber bei näherem Betrachten wird deutlich, dass es hier nicht einfach nur um die Teilhabe am Licht, an der Herrlichkeit geht, sondern offensichtlich haben Jakobus und Johannes noch andere Motive. Sie haben etwas noch nicht ganz verstanden. Das wird in den nachfolgenden Textzeilen sehr deutlich. Und sie wollen auch unbedingt haben, um was sie bitten. Interessant ist ja der Anfang. Sie machen das ganz geschickt. Erst sagen sie mal, dass sie eine Bitte haben, aber rücken noch nicht gleich raus mit der Sprache, ähnlich wie das manchmal auch kleine Kinder machen, wenn sie sich etwas ganz doll wünschen , etwas unbedingt haben wollen. Wenn der andere, in dem Fall Jesus, signalisiert, dass er sich dieser Bitte annehmen will, dann ist das schon gleich die halbe Miete. Dann steht der Erfüllung der Bitte vielleicht gar nicht mehr so viel entgegen. Aber Jesus ist nicht dumm. Er sagt nicht einfach “ja”. Nachdem er zurückfragt, um was sie ihn denn bitten wollen und sich damit erst mal der Beeinflussung vorsichtig entzieht, drücken sie klar aus, was sie wollen. Dass es ihnen nicht einfach nur um eine Sympathiebekundung gegenüber Jesus geht und schon mal gar nicht um das, wofür Jesus selbst steht, können wir der Antwort von Jesus entnehmen.
Er entgegnet ihnen: „Ihr wisst nicht, um was ihr bittet. Habt Ihr die Kraft, den Kelch zu trinken, den ich trinke, oder mit der Taufe getauft zu werden, mit der ich getauft werde?“ Es ist klar, was hier gemeint ist mit dem Kelch, den Jesus trinken musste und der Taufe, mit der er schließlich getauft wurde. Gemeint ist all das Leid, das er auf sich genommen hat. Wir denken direkt an dieses berühmte Wort, das auch aus dem Markusevangelium ist, wo Jesus im Garten Gethsemane kurz vor seiner Gefangennahme zu Gott betet und sagt: „Herr, wenn es möglich ist, so lass diesen Kelch an mir vorübergehen.“ Der mit Wein gefüllte Kelch symbolisiert das Blut, also das Leben, das Jesus bereit sein soll, dahinzugeben.
Jesus fragt also auf gut deutsch übersetzt: Habt Ihr denn die Kraft und die Bereitschaft, diesen Leidensweg zu gehen, den ich bereit bin zu gehen, weil ich ganz deutlich die Liebe Gottes in mir spüre.
Worauf will Jesus mit dieser Frage hinaus? Es ist ja eine Gegenfrage. Die Jünger haben gefragt, ob sie rechts und links neben ihm in seiner Herrlichkeit sitzen dürfen. Jesus sagt ihnen mit der Gegenfrage, dass seine Herrlichkeit gar nicht so herrlich und glanzvoll ist, wie sie sich das vielleicht vorstellen oder in ihren Machtfantasien ausgemalt haben. Seine Herrlichkeit kommt erst darin im wahrsten Sinne zum Vorschein und wird zum Licht für andere Menschen, dass er das Leid auf sich nimmt und sich in Liebe hingibt, hingebungsvolle Liebe zeigt.
„Es ist nicht alles Gold, was glänzt“, sagen wir, wenn wir ausdrücken wollen, dass Manches nur nach außen den Anschein macht, etwas Wertvolles oder Gutes zu sein. Im Blick auf Jesus könnte man diese Redewendung abwandeln in: „Es ist nicht nur Gold, was glänzt“. Es ist nicht nur Gold was glänzt und uns mit seinem Glanz verlocken und verführen mag. Nein, was glänzt, ist auch oder gerade das leidenschaftliche Leben für die Liebe zu den Menschen, wie sie Jesus verkörpert hat und damit der Anbruch des Reiches Gottes, wo ja nicht mehr der Mensch über den Menschen herrschen soll, sondern allein Gott. Das glänzt, das bewirkt eine Herrlichkeit, in der alle Menschen eingeschlossen sein sollen.
Das Leben in der Herrlichkeit ist kein Selbstzweck und kein Besitz. Darum ist das Sitzen und Leben an Jesu Seite auch nicht wie ein Platz an der Sonne, den man in der ARD-Lotterie gewinnen könnte und den vielleicht viele ersehnen, eben wie womöglich auch Johannes und Jakobus, sondern Sitzen und Leben an Jesu Seite bedeutet zunächst vor allem eine Selbstverpflichtung – sich hineinnehmen lassen in das Reich Gottes, in diesen Gedanken, dass Gott herrschen soll und nicht unsere menschliche Selbstsucht und Hybris. Und dann an der Wirklichkeit des Reiches Gottes mitbauen – den Weg der Liebe und Hingabe zu den Menschen ebnen und in diesem Sinne durch die Welt gehen, wie es die Jünger ja faktisch die ganze Zeit getan haben, als sie mit Jesus zusammen unterwegs waren. Das ist das, was Jesus auch „dienen“ nennt. Wir Christen haben auf dieser Erde eine Aufgabe. – einander hingebungsvoll dienen, statt einander zu beherrschen.
Jesus fragt Jakobus und Johannes, ob sie glauben, dass sie die Kraft dazu haben. Das bejahen sie. Und so gesehen scheinen sie tatsächlich ernsthaft bemüht, Jesus nachzufolgen, also so wie er ebenso den Menschen begegnen zu wollen, sich hier und da ganz zurückzunehmen und das menschliche Gegenüber in den Mittelpunkt zu stellen. Aber Jesus sagt ihnen auch, dass es weder im Himmelreich nach dem Tode noch im Himmelreich vor dem Tode Sitzplatzgarantien gibt, sondern, dass die Entscheidung darüber, wo wir bleiben, allein Gott gebührt.
Damit hält sich Jesus selbst an das, woran er glaubt: Nämlich, dass Gott herrschen soll und nicht irgendwelche Allmachtsfantasien der Menschen oder die Menschen Platzanweisungen vornehmen sollen, wie sie es im ganz normalen Leben ja ständig tun – bis hin in die Seniorenkreise der Gemeinden, wenn wer Neues kommt: „Ne, ne, das ist mein Platz, hier hab ich immer schon gesessen, seit dem ich in dem Kreis bin. Sie können sich ja da hinten hinsetzen.“ Irgendwie ist das ganz die Denkart von Jakobus und Johannes, aber nicht von Jesus, dem wir ja eigentlich nachfolgen sollten in den Gemeinden.
Ob Jakobus und Johannes die Antwort Jesu wohl verstanden und beherzigt haben? Wir wissen es nicht. Wir erfahren es nicht. Die Frage richtet sich umso mehr an uns selbst. Jakobus und Johannes stehen ja nur stellvertretend für uns als Menschen, die mit Jesus noch heute unterwegs sind und ihm nachfolgen wollen wie seine Jünger. Das ist auch der eigentliche Grund, weshalb wir diese Begebenheit im Markusevangelium überliefert bekommen. Bei dieser Jüngergeschichte geht es nicht einfach um eine vergangene Geschichte der Jünger, sondern es geht darum, dass wir die Jünger sind – die Nachfolgenden. Wir sind die Angesprochenen. Wie geht das Erbe Jesu weiter? Wie geht Gottes Reich weiter? Wie wird Christus auferstehen? Das sind alles Fragen, die sich an uns richten. Markus hat die Nachfolgenden im Blick. Wie geht die große Aufgabe, für die Jesus gesandt wurde, weiter? Das war die große Frage und das ist sie bis heute geblieben, insbesondere wo Leid und Tod so dominieren wie damals bei Jesus oder auch heute in der Welt, in der Ukraine etwa, aber auch an vielen anderen Schauplätzen dieser Erde.
Wir erfahren nicht, was Jakobus und Johannes dann weiter für Schlüsse für ihr Leben gezogen haben, sondern nur, dass auf einmal großer Zoff unter den Jüngern entsteht – Ärger und Unfrieden. Es heißt: „Als die zehn Anderen das hörten, wurden sie zornig auf Jakobus und Johannes.“ Damit ist am Tage, was Machtsehnsüchte und Bevorzugungen nach sich ziehen können: Neid, Eifersucht, Unfrieden. In dem Moment macht Jesus das einzig Richtige. Er holt sie alle zusammen, bevor etwas zerbricht oder weitere Gerüchte entstehen. Wie immer redet er von Angesicht zu Angesicht. Vielleicht sollten wir diese beiden dinge von Jesus lernen – bei Streit die Menschen an einen Tisch holen und von Angesicht zu Angesicht, also offen und auf Augenhöhe miteinander reden. Jesus praktiziert das so:
„Da rief Jesus sie zu sich und sagte zu ihnen: Ihr wisst doch, die als Herrscher gelten, halten ihre Völker nieder, und ihre Mächtigen nutzen ihre Macht, um sie zu missbrauchen. Aber so ist es unter euch nicht; sondern wer groß sein will unter euch, der soll euer Diener sein; und wer unter euch der Erste sein will, der soll aller Knecht sein.“
Hier bringt Jesus auf den Punkt, worum es geht in Kirche und Gemeinde und natürlich auch in der übrigen Welt, sofern ich da als Christ gefragt bin: Es geht nicht darum, dass ich mir in der Gemeinde oder Kirche einen Namen mache. Vor einiger Zeit traf ich zufällig bei einem Besuch einer 90igjährigen Weggefährtin in einer anderen Gemeinde eine Frau vom dortigen Besuchsdienst. Das war ganz schrecklich. Die Dame war selbst auch schon 88 Jahre. Das war aber natürlich nicht das Problem. Sondern, dass sie nicht wirklich verstanden hatte, warum sie da war. Sie hat soviel von sich selbst geredet und ihrer Aufgabe, die sie jetzt schon so lange in der Gemeinde wahrnimmt und davon, wen sie alles zur Gemeinde geführt habe, dass ich mich fragte, wer da eigentlich für wen den Geburtstagsbesuch macht. Ich dachte nur: tolles Beispiel dafür, wie Jesus das mit dem Dienen gerade nicht meint. Das Dienen verbindet sich bei Jesus nicht mit der Hinterabsicht, am Ende doch herrschen zu wollen bzw. sich selbst zu dienen. Das Dienen ist eben gerade nicht selbstbezogen, sondern auf die Anderen und auf Gott ausgerichtet. Wo das tatsächlich der Fall ist, da sind wir auf einem guten Weg – auf dem Weg Christi. Da sind wir auch in der Gemeinde tatsächlich unterwegs auf den Spuren Jesu. Da lebt Christus weiter. Er hat uns ein Modell gezeigt und vorgelebt, das sich von dem unterscheidet, was man damals und heute in der Welt üblicherweise beobachten kann – Geltungssucht aller Orten. Das kranke, selbstbezogene, verletzte Ich eines Putin verlangt nach Gewalt, nach Krieg. Das ist das Eine. Aber dazu gehören auch all die anderen, die dabei mitspielen. Mit sehr viel Bedacht sollten wir die von Jesus gesprochenen Worte aus dem Markusevangelium hören: „Ihr wisst doch, die als Herrscher gelten, halten ihre Völker nieder.“ „Die als Herrscher gelten“ sagt Jesus. Er sagt nicht, dass sie es sind. Damit will er, dass sie es nicht wirklich sind, sondern nur weil man sie herrschen lässt – weil Menschen das zulassen. Jesus verweist auf das Gegenmodell: Einander dienen! Und Menschen dazu erziehen: Dienen anstelle von herrschen! Das bedeutet mitunter auch mal auf der Verliererseite stehen, zurückstecken oder auch die Last von Leid auf sich nehmen zu müssen wie Jesus es tat und Nachteile in Kauf zu nehmen, etwa wie Menschen, die sich zu DDR-Zeiten in Ostdeuschland dazu bekannten, Christ zu sein. Die hatten dann mitunter keinen Zugang zum Studium bekommen.
Und so ist hochinteressant, wie Taufe hier im Markusevangelium verstanden wird, nämlich als ein anderes Lebensmodell, das ich konsequent befolge und lebe und wo ich mitunter auch Konsequenzen oder Benachteiligungen auf mich nehmen muss: „Könnt ihr den Kelch trinken, den ich trinke, oder euch taufen lassen mit der Taufe, mit der ich getauft werde?“ fragt er Johannes und Jakobus. So ist Taufe Aufnahme in die Gemeinschaft, die ein anderes Lebensmodell leben will und dafür auch bereit ist, mitunter Nachteile in Kauf zu nehmen. So gesehen ist der Bibel nach Taufe etwas völlig Anderes als irgendein Initiationsritus für Neugeborene, wie das heute von vielen einseitig verstanden bzw. missverstanden wird und selbst von gestandenen Theologen wie unserem Stadtsuperintendenten Pfarrer Seiger, den ich ansonsten sehr schätze, so gesehen wird. Wenn Theologen nur noch dummes Zeug schwätzen und ihre eigene Bibel nicht mehr kennen, ist das ein Armutszeugnis für evangelische Kirchenleitungen.
Im Markusevangelium ist Taufe nicht einfach ein Willkommensgruß Gottes an ein Baby. Sondern es ist die Hineinnahme eines Menschen – auch die eines Kleinkindes – in ein anderes Lebensmodell, die Hineinnahme in den Anbruch der Gottesherrschaft, die Hineinahme in das Reich Gottes – ein Bereich, ein Reich, ein Lebensmodell, wo andere Gesetze herrschen sollen als die sonst üblichen. Und zumindest die Eltern sollte man darüber aufklären, was sie tun, wenn sie ihr Kind taufen lassen, auch wenn das Kleinkind selbst das noch nicht wissen und verstehen kann.
Jesus sagt zu den Jüngern und damit zu uns allen als Getaufte: „Aber so ist es unter euch nicht; sondern wer groß sein will unter euch, der soll euer Diener sein; und wer unter euch der Erste sein will, der soll aller Knecht sein.“ Es geht um dieses andere Modell. Darum, dass es uns allen gelingen möge, dieses Gegenmodell zu leben. Ellenbogengesellschaft oder Gemeinschaft der Dienenden. Darum – und um nichts weniger geht es!
„Der Menschensohn ist nicht gekommen, dass er sich dienen lasse, sondern dass er diene und das eigene Leben als Lösegeld für alle zu geben.“ So sagt Jesus am Schluss. Deshalb ist auch die Machtfrage nicht nur eine Sache der großen Politik, sondern auch im Kleinen gefragt, die wir bei uns in Kirche und Familie schon einüben können und immer kritisch im Auge behalten müssen als Christen. Das wird uns nicht immer gelingen, aber es hindert uns nichts, es trotzdem immer wieder zu versuchen und dabei ganz darauf zu vertrauen, dass Gott mit seinem Segen bei uns ist und dass Gott diese Welt tatsächlich liebt und verwandeln will. Amen
Lied 419 (1-5) “Hilf, Herr meines Lebens”