Die Predigt, die Von Pfarrer Dr. Gerhard Wenzel in der Versöhnungskirche in Köln-Rath-Heumar gehalten wurde, hat im ersten Teil Bezug auf die nachfolgende Lesung genommen:
aus dem Alten Testament: Micha 4, 1-5:
„Das kommende Friedensreich Gottes“
In den letzten Tagen aber wird der Berg, worauf des HERRN Haus ist, fest stehen, höher als alle Berge und über alle Hügel erhaben sein. Und die Völker werden herzulaufen, und viele nichtjüdische Völker werden hingehen und sagen: Kommt, lasst uns hinauf zum Berge des HERRN gehen und zum Hause des Gottes Jakobs, dass er uns lehre seine Wege und wir in seinen Pfaden wandeln! Denn von Zion wird Weisung ausgehen und des HERRN Wort von Jerusalem. Er wird unter vielen Völkern richten und mächtige Nationen zurechtweisen in fernen Landen. Sie werden ihre Schwerter zu Pflugscharen machen und ihre Spieße zu Sicheln. Es wird kein Volk wider das andere das Schwert erheben, und sie werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen. Ein jeder wird unter seinem Weinstock und Feigenbaum wohnen, und niemand wird sie erschrecken. Denn der Mund des HERRN Zebaoth hat’s geredet. Ein jedes Volk wandelt im Namen seines Gottes, aber wir wandeln im Namen des HERRN, unseres Gottes, immer und ewiglich!. Amen
Die Gnade und der Friede Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen! Amen
Predigt 1. Teil
Liebe Schwestern und Brüder in Christus,
Meine Oma war entsetzt, als ich als Kind Panzermodelle gebastelt habe und damit genauso wie mit selbstgebastelten Militärflugzeugen, Kriegsschiffen und Soldaten Krieg spielte. Im Keller hatte ich eine 1, 50 m mal 2 m große Sperrholzplatte aufgebaut und stundenlang tauchte ich dann da ab und spielte Krieg, manchmal auch gemeinsam mit Freunden, die ihr Kriegszeug mitbrachten oder wir spielten nur mit meinen Sachen. Ich hatte ja genug davon.
Meine Oma hatte beide Weltkriege erlebt. Ich verstand sie damals nicht wirklich und war traurig oder sauer, dass sie mir das Spielen verbieten oder zumindest vermiesen wollte. Aber je älter ich wurde, desto besser habe ich meine Oma verstanden und heute denke ich wahnsinnig oft daran. Sie hat damals gesehen, dass man Krieg lernen und verlernen kann, wie es im Text des eben gelesenen Textes aus dem Buch Prophentenbuch Micha heißt und leider zwei mal erleben müssen, wie er eben gelernt und nicht verlernt wurde …als Kind schon und später wieder.
Die Vision im Michabuch, wie alle Völker zum imaginären Berg Zion, also dem Berg Gottes ziehen und gemeinsam zu jeweils ihrem Gott beten und den Frieden suchen statt sich gegenseitig zu bekriegen oder aber ihren Gott Anderen gewaltsam aufs Auge zu drücken, ist heute mindestens genauso weit von der erlebten Wirklichkeit entfernt, wie zu Michas Zeit, der sich das ja auch nicht einfach aus seinen Fingern gesaugt hat, sondern als Ansage und damit als Anspruch Gottes an die Menschen formuliert. Er formuliert das, was Gott ihm ins Herz gesagt hat: Gott will, dass wir irgendwann mal so auf seinem Berg zusammen kommen.
Und was ist mit uns Menschen? Wir haben nicht aufgehört, Gewalt und Krieg doch wieder zu lernen. Gewalt und Krieg als Lösung für Probleme ist spätestens seit dem Krieg in der Ukraine auch in der westlichen sogenannten freien europäischen Welt wieder salonfähig geworden. Ja, es ist sogar zu befürchten, dass mit der erneuten Krise in Israel und im Gazastreifen, die Lösung von Problemen durch Gewalt und Gegengewalt und durch Krieg sogar wieder zur Normalität in unserer achso aufgeklärten westlichen Welt wird wie zur Zeit der großen Weltkriege und die Jahrhunderte zuvor. Und ich denke, ich gebe das augenblickliche Lebensgefühl vieler Menschen richtig wieder, die wie ich, immer dachten und hofften, dass sie zu den wenigen Generationen im Verlauf der Geschichte gehören würden, die keinen Krieg erleben würden, aber nun scheint der dritte Weltkrieg kurz vor der Haustür zu stehen. Und ich persönlich halte es für zunehmend wahrscheinlich, dass ich in meinem Leben doch noch einen Krieg erleben werde, in dem Europa und Deutschland mit einbezogen ist und ich habe meine Oma vor Augen, wie entsetzt sie damals über mein Krieg Spielen war. “War doch nur Spiel”, könnte man sagen. Aber das sagen die Militärstrategen, Politiker und Medien heute auch. Sie reden von „Gamechanger“ auf den Ukrainekrieg bezogen – zu deutsch heißt das wortwörtlich eine „Spielveränderung“ – so als wenn der Krieg in der Ukraine nichts als ein Computerspiel wäre, wo mal der gerade gewinnt udn Gebietsgewinne macht oder besser da steht und dann wieder der… Früher nannte man das, immerhin noch mehr in der Wirklichkeit lebend, einfach Kriegswende und nicht Gamechanger. Aber wer sich soweit von der Wirklichkeit entfremdet hat wie die Menschen heute durch ihre Heiligung udn Anbetung der Technik, mit der sie mehr Zeit verbringen als im realen Leben, darf sich nicht wundern, dass dies mit Karacho auf uns zurückfällt, so dass wir die Welten nicht mehr voneinander unterscheiden können.
Ich versuche mich abzulenken und anderen Dingen nachzugehen wie in der Gemeinde die Kontakte zu pflegen und an schönen Projekten und Begegnungen in der Gemeinde zu arbeiten und auch die Hoffnung nicht zu verlieren, dass es nicht zu einem Dritten Weltkrieg kommen muss. Aber alle Zeichen deuten darauf hin und die Konstellationen sind wie zur Zeit vor Ausbruch des 1. Weltkriegs. Damals war es das deutsche Kaiserreich, das einen Terrorakt zum Anlass nahm, um einen Weltkrieg loszutreten und das sich selbst als Garant für die von Gott vorgegebene gute alte Ordnung sah und gegen Demokratie und Menschenrechte zur Wehr setzen wollte. Und es gab auf der anderen Seite Frankreich, das für sich in Anspruch nahm, das zivilisierteste Volk auf der Welt zu sein, weil es ja Demokratie und Menschenrechte kannte, ähnlich wie auch England usw. usw. Und dann waren da ja noch Länder mit ganz eigenen, wieder anderen Interessen.
Wann wird der dritte Weltkrieg entbrennen? Die Voraussetzungen dafür sind ähnlich, wenn nicht sogar noch fataler. Da sind nicht nur die islamistisch orientierten Staaten der östlichen oder südöstlichen Hemisphäre, die überwiegend Diktaturen oder Autokratien darstellen und am ehesten noch dem ehemaligen deutschen Kaiserreich von damals gleichen, weil auch sie sich selbst als Garant für eine vermeintlich richtige von Allah vorgegebene Alte Ordnung sehen, ganz unabhängig von ihren menschenfeindlichen, bestialischen Vorgehensweisen gegen Opposition in ihrem Land und bei den von ihnen unterstützten Terrorgruppen. Und auf der anderen Seite ist da der Westen, der für eine freiheitliche, demokratische menschenrechtsorientierte Gesellschaftsordnung steht, aber gleichzeitig – und da dürfen wir uns nichts vormachen, obwohl das gerne ignoriert wird – auch für die katastrophale ökonomische und ökologischer Ausbeutung dieser von Gott anvertrauten Welt verantwortlich ist. Dann sind da noch die besonderen Interessen der ganzen arabischen Staaten, die auch unter sich nicht immer einig sind. Dann gibt es noch Rußland, Türkei und China, die dieselben Agressionen, die sie nach innen zeigen, auch nach außen leben, wobei China das geschickter macht. Es schlägt den Kapitalismus mit seinen eigenen Waffen und führt keine Kriege, sondern kauft die ganze Welt auf, so wie er es ja selbst auch tut. In der Zeit des Kalten Krieges waren die Konstellationen und Gegner immer klar bei den Stellvertreterkriegen wie in Angola in Afrika etwa oder sonst wo. Auf der einen Seite also die USA oder andere westliche Europäische Staaten, auf der anderen Seite die UDSSR. Die mussten dann auch in Verhandlungen treten oder die beteiligten Länder dazu drängen, wenn es dann doch um Waffenstillstand oder Frieden gehen sollte, nachdem sie vorher munter Kriegs- und Menschenmaterial verheizt haben. Aber immmerhin waren Zuständigkeiten und mögliche Auswege klar.
Das ist bei der neuen weltpolitischen Lage, wie ich versucht habe, sie eben grob zu umreißen, weitaus komplizierter und völlig unkalkulierbar und entsprechend risikoreicher. Dieselben, die beruhigend heute die ganze Zeit davon reden, dass die Ukraine und Israel/Gaza ja begrenzte Konflikte seien, rufen gleichzeitig zu Waffenlieferungen und bedingungsloser Solidarität auf – die Grünen allen voran – weil sonst bald der Russe vor der Tür steht und die Iraner und Konsorten in unserem Vorgarten. Ja, was ist es denn nun? Ein lokal begrenzter Konflikt oder eben doch der potentielle Einstieg in einen irgendwann nicht mehr zu begrenzenden Weltkrieg? Die wirtschaftliche Instabilität und Teuerungen von Weltkriegen erleben wir ja schon. Wir Menschen scheinen nichts aus den Katastrophen gelernt zu haben und befinden uns durch Medien und durch unterschiedliche jeweilige politische Propaganda eingeheizt längst wieder in einer Spirale des Irrationalen.
Die ersten Christen waren nicht nur Opfer der Gewalt ähnlich wie das heute jüdische Mitbürger in Israel sind, die nur, weil sie anders sind, einfach massakriert werden, einfach abgeschlachtet werden. Sie drohten auch der Gefahr zu erliegen, Gewalt als legitimes, ja einzig probates Mittel zu sehen und dies selbst so zu praktizieren, wie sie es erlebten, sprich: zu kopieren, was ihnen da von den Römern, die die damalige halbe bekannte Welt beherrschten, vorgelebt wurde.
In diese Situation hinein schreibt ein anonym gebliebener Autor an die Christen in Ephesus gegen Ende des ersten Jahrhunderts. Die Forscher des Neuen Testaments sind sich weitestgehend darüber einig, dass der Brief nicht von Paulus ist, sondern von einem seiner Schüler. Der dort in Kap. 6, Verse 10 bis 17 befindliche Textabschnitt lautet: „Seid stark in dem Herrn und in der Macht seiner Stärke. Zieht an die Waffenrüstung Gottes, damit ihr bestehen könnt gegen die listigen Anschläge des Teufels. Denn wir haben nicht mit Fleisch und Blut zu kämpfen, sondern mit Mächtigen und Gewaltigen, mit den Herren der Welt, die über diese Finsternis herrschen, mit den bösen Geistern unter dem Himmel. Deshalb ergreift die Waffenrüstung Gottes, damit ihr an dem bösen Tag Widerstand leisten und alles überwinden und das Feld behalten könnt. So steht nun fest, umgürtet an euren Lenden mit Wahrheit und angetan mit dem Panzer der Gerechtigkeit und beschuht an den Füßen, bereit für das Evangelium des Friedens. Vor allen Dingen aber ergreift den Schild des Glaubens, mit dem ihr auslöschen könnt alle feurigen Pfeile des Bösen, und nehmt den Helm des Heils und das Schwert des Geistes, welches ist das Wort Gottes.“ Amen.
Lied
Predigt 2. Teil
Liebe Schwestern und Brüder in Christus,
tatsächlich leben wir in dem Dilemma, auf den völkerrechtswidrigen Angriffskrieg in der Ukraine und den barbarischen Terrorakt, wie er von der Hamas in Israel ausgeübt wurde und seines Gleichen sucht, einerseits effektiv und wehrhaft reagieren zu müssen und andererseits verhindern zu müssen, dass die Gewaltspirale und der Konfliktherd weitere und noch größere Katastrophen nach sich zieht.
Auch wenn heute alle „Zu den Waffen“ rufen, fordern die Worte des Schreibers des Epheserbriefes , die wir eben hörten, doch zu einer ganz anderen Haltung und einem ganz anderen Verhalten auf. Er ruft gewissermaßen auch zu den Waffen. Aber die Waffen sind ganz anderer Art.
Und bevor ich das ein wenig entfalte und auch auf unsere Situation heute beziehe, möchte ich nicht vergessen zu erinnern, dass sich viele Theologen und Kirchenleitungen der Evangelischen Kirche Deutschlands, kaum war der Ukrainekrieg vor eineinhalb Jahren ausgebrochen, fleißig daran begeben haben, zu sagen, dass die Worte zum Frieden in der Bibel ja nur Idealbeschreibungen und Visionen wären und man sie nicht einfach auch in der politischen Praxis anwenden könne – mit anderen Worten, dass sie ja gar nicht als Verhaltensorientierung von Jesus so gemeint gewesen seien.
Soetwas nenne ich Verrat und Verbrechen an der Bibel. Man kann sicher sagen: Ich habe keine Lösung für den Konflikt und weiß keinen besseren Rat als mit Waffen die einen zu unterstützen in der Hoffnung, dass sie am Ende siegen und der Übergriff sein Ende findet und die Freiheit und Menschenrechte erhalten bleiben. Man kann und sollte dann allerdings auch ehrlicherweise beten: Gott verzeih mir, dass, ich keinen besseren Rat wusste und die Lösung der Gewalt propagiere. Du erwartest Anderes von mir. Aber ich weiß den Weg dahin nicht.“ Aber Bibeltexte umzubiegen und ihre Aussagen zu entschärfen und alles so zurechtzubiegen, dass das, was ich tue, damit biblisch legitimiert, gerechtfertigt erscheint oder von der Bibel her nicht mehr in Frage gestellt wird, geht überhaupt nicht und ist deshalb Gewaltausübung an der Bibel selbst, Vergewaltigung der Bibeltexte und damit von Texten, die uns Menschen überliefert haben, die aus Gottes Wort gelebt und Frieden gesucht und auch hier und da tatsächlich ermutigt durch Gottes Wort auch gefunden und praktiziert haben.
Und die Friedenslinie ist sowohl im Alten wie im Neuen Testament eine der deutlichsten Linien in der Bibel überhaupt. Das fängt an mit dem berühmten aaronitischen Segen aus dem Alten Testament, den wir heute immer noch ganz oft am Ende eines Gottesdienstes hören. Er hat den Frieden zum Gegenstand und lautet: „Der HERR segne dich und behüte dich; der HERR lasse sein Angesicht leuchten über dir und sei dir gnädig; der HERR hebe sein Angesicht über dich und gebe dir seinen Frieden.“ Und es geht bis zu den warnenden, orientierenden friedenspraktischen Worten Jesu bei seiner Gefangennahme: „Wer das Schwert zieht, wird durch das Schwert umkommen.“ Und seiner Verheißung: „Meinen Frieden gebe ich Euch, nicht so wie die Welt ihn gibt, gebe ich ihn Euch. Euer Herz erschrecke nicht.“ Und als Auferstandener begegnet Jesus seinen Jüngern schließlich, in dem er drei mal sagt: „Friede sei mit Euch!“. Drei mal – das tut er nicht, weil er so vergesslich wäre und nicht wüsste, dass er das schon ein oder zwei mal gesagt hat, sondern weil sie dieses Zuspruchs, also des Friedens in der als brutal erlebten Welt, die Jesus ja als Gekreuzigter selbst erlebt hat, besonders bedürfen und aus diesem Frieden leben sollen.
Wir sollen uns also nicht erschrecken lassen, nicht negativ beeindrucken lassen durch die vielen Gewaltvorbilder in unserer Welt. Die Friedensbotschaft der Bibel zu entkräftigen, zu entschärfen ist also nichts als Pfaffengeschwätz und geradezu wider den göttlichen Willen. Noch mal – Jesus sagt „Meinen Frieden gebe ich Euch, nicht so wie die Welt ihn gibt, gebe ich ihn Euch. Euer Herz erschrecke nicht.“ Die Welt scheint nur den Siegfrieden zu kennen – die Befriedung mit Gewalt, das was nun gerade so viele evangelische Theologen und Kirchenleitungen auch empfehlen und nachplappern, von wenigen Ausnahmen wie der ehemaligen Ratsvorsitzenden Frau Kässmann mal abgesehen. Das ist aber der Frieden, wie ihn die Welt gibt, die Befriedung, der sogenannte Siegfriede, der Sieg des Stärkeren, Überlegenen, die Macht des Schwertes und der Panzerdivisionen und nicht der Friede, wie er uns von Gott und Christus ans Herz gelegt wird.
Jesus sagt deutlich, dass sein Friede und der Friede Gottes sich davon unterscheiden und dass wir in der Welt nicht erschrecken sollen, uns also von dem üblichen Umgang mit Konflikten durch die Lösung der Gewalt nicht beeinflussen lassen sollen, uns davon nicht schocken und bannen lassen sollen. Das richtet sich freilich nicht an jemanden, der gerade zusehen muss, wie seine Familie bestialisch vor seinen Augen abgeschlachtet wird – einfach erschossen oder geköpft. Aber es ist grundsätzlich an uns alle als Orientierung gerichtet, Gewalt und Krieg einzudämmen – im Vorfeld und auch, wenn es schon in Gang kommt, statt ins übliche Siegfriedenshorn zu blasen.
Mit diesen Worten Jesu vom Frieden Gottes, der ganz anders aussieht, decken sich auch die Worte des Epheserbriefes, den es gleich noch mal näher anzuschauen gilt.
Wie gesagt, wenn ich mir selbst keinen anderen Rat weiß, als das Schwert zu ziehen bzw. damit zurückzuschlagen oder es Anderen in die Hand zu drücken, dann muss ich aber, wo mein Erschrecken vor der Welt mich ganz zu fesseln scheint, wenigstens gleichzeitig vor dem Anspruch Gottes erschrecken und für jedes einzelne Leben, was da getötet wird, egal auf welcher Seite und ob Militär oder Zivil tagtäglich ein Bußgebet sprechen so wie ich auch für jedes einzelne Leben, was gerettet wurde, ein Dankgebet sprechen darf. Und da fühle ich mit allen, die erleben dürfen, dass ihre Geiseln doch befreit wurden oder dass jemand den Schergen des Todes entkommen war oder aber einen Bombenangriff überlebt hat.
Von solchen Bußgebeten unserer Kirchenleitungen oder Aufrufen dazu habe ich bislang nichts in der Öffentlichkeit gehört. Das stünde uns heute gut an, wo die deutschen Kirchenleitungen früher immer für den Sieg Preußens oder des deutschen Kaiserreiches oder von Nazideutschland gebetet haben.
Kommen wir aber nun zum Epheserbrief und zu uns selbst zurück! Was schreibt der Autor den einzelnen Christen ins Herz? Er ruft zu den Waffen und empfiehlt die Aufrüstung, allerdings ganz anders als wie es in der damaligen Welt üblich war und auch als wie es in der heutigen Welt politisch und medial eingepeitscht wird.
Sein Ruf ist vielmehr dergestalt: „Seid stark in dem Herrn und in der Macht seiner Stärke. Zieht an die Waffenrüstung Gottes, damit ihr bestehen könnt gegen die listigen Anschläge des Teufels.“
Mit „listigen Anschläge des Teufels“ sind hier nicht einzelne Gewaltanschläge gemeint wie damalige Brandanschläge auf Häuser der ersten Christen oder wie die schrecklichen Anschläge der Hamas in Israel. Teufel meint in der Bibel nie eine Personifizierung des Bösen oder das personifizierte Böse, sondern will einfach nur die zerwerfenden Kräfte und Dynamiken benennen, die uns von Gott abführen können. Listig sind sie deshalb, weil sie uns als vermeintlich einfacherere Lösungen erscheinen, verlocken und verführen wollen, also von Gott abbringen wollen. Und eben dazu gehört das übliche Schema von Gewalt und Gegengewalt. Die Christen sollen sich nicht davon beeindrucken und verlocken lassen, diesem Diktat zu gehorchen und dem gleich zu tun. Umso mehr hätten die Römer Anlass gefunden, diese weiterhin als Staatsfeinde ausrotten zu wollen.
Dann heißt es im Epheserbrief: „Denn wir haben nicht mit Fleisch und Blut zu kämpfen, sondern mit Mächtigen und Gewaltigen, mit den Herren der Welt, die über diese Finsternis herrschen, mit den bösen Geistern unter dem Himmel.“ Was soll das heißen? Der Schreiber will mit seinen Worten deutlich machen: Als Christen müssen wir schlau sein, den Kopf einschalten und Macht- und Ränkespiele durchschauen. In dem Moment, wo wir einen Krieg führen, führen wir ihn nicht nur gegen Fleisch und Blut, sondern gegen unsere eigentliche Bestimmung als friedliebende Wesen, die eigentlich nach den Geboten Gottes leben und ein menschliches Miteiander pflegen wollen. Wir unterwerfen uns letzten Endes den Interessen der Mächtigen dieser Welt , den Interessen von Menschen, statt dem Interesse Gottes, wenn wir irgendwelche Kriege führen. Unsere von Gott aus gewollte Daseinsbestimmung gerät aus dem Blick und ins Wanken. Wir gehorchen in dem Moment den Weltgewalten oder politischen Interessen und Gewalten statt dem Willen Gottes. Also auch das ein Ruf zur Nüchternheit und kritischen Wahrnehmung der Geschehnisse und gleichzeitig ein Weckruf, Gott selbst nicht aus dem Blick zu verlieren.
Schweren Herzens hatte sich der evangelsiche Pfarrer und Theologe Dietrich Bonhoeffer entschieden, sich dem bewaffneten Widerstand anzuschließen, also ein Attentat auf Hilter zu planen etc., denn er wusste, dass er im Konflikt stand zwischen der Vorgabe Gottes und den konkreten Notwendigkeiten, Menschenleben retten zu müssen. Seine Hoffnung war, dass durch den gezielten Schuss auf diesen einen Menschen, unzählige andere Leben bewahrt würden und doch wusste er, dass er sich schuldig machen würde, auch wenn es das Richtige war.
Kommen wir zurück zum Epheserbrief. Der Autor entfaltet nun die Waffenrüstung, also den Ruf zu den Waffen und die Aufrüstung in wunderschönen Bildern und verwendet dabei Begriffe aus dem Militär, die er aber bewusst umwandelt, was ihren Bezug betrifft: „Deshalb ergreift die Waffenrüstung Gottes, damit ihr an dem bösen Tag Widerstand leisten und alles überwinden und das Feld behalten könnt. So steht nun fest, umgürtet an euren Lenden mit Wahrheit und angetan mit dem Panzer der Gerechtigkeit und beschuht an den Füßen, bereit für das Evangelium des Friedens. Vor allen Dingen aber ergreift den Schild des Glaubens, mit dem ihr auslöschen könnt alle feurigen Pfeile des Bösen, und nehmt den Helm des Heils und das Schwert des Geistes, welches ist das Wort Gottes.“
Der Panzer der Gerechtigkeit, wie er hier im Epheserbrief genannt wird, dürfte kaum der Panzer sein, wie wir ihn heute bei der Bodenoffensive in Israel vor Augen haben mögen oder bei den Kämpfen in der Ukraine oder andernorts in der Welt, sondern es soll ein Schutz, eien Prävention vor Gewalt sein, indem er letztlich die vermeintlichen Gegner entwaffnet.
Und in der Tat, wo ich Gerechtigekeit walten lasse in meinem Verhalten, da gewinne ich den Gegener als Verbündeten. Wer Gerechtigkeit walten lässt, indem er Land oder was auch immer teilt und nicht nur für sich allein beansprucht, bereitet den Frieden vor.
Wir wissen, dass das in Gaza, dadurch dass die Hamas als Terrororganisation die Palästinenser nicht nur für ihre Sache instrumentalisiert, sondern auch unterdrückt, immens schwierig geworden ist, denn sie selbst wollen ja gar nicht Gerechtigkiet, sondern die Ausrottung Israels. Ich selbst habe einen jordanischen Arzt damals in meinem Studium in Bochum kennengelernt, der angeblich da seine Studien vertieft hatte. Als Arzt hatte er damals im Studentenwohnheim ernsthaft zu mir gesagt und meinte das auch so: „Alle Juden müssen ins Meer geworfen werden.“ Wo die Existenzberechtigung des Anderen als solche streitig gemacht wird, ist es schwierig, positive Veränderungen auf Verhandlungswegen hinzukriegen oder sich in der Frage der Gerechtigkeit irgendwo zu treffen. Und dennoch wären hier Schritte gefragt. Wo nicht gegenüber der Hamas, so doch gegenüber den Palästinensern. Das Schwierige ist aber, dass heute verschiedene islamistische Diktaturen ihre Stellvertreterkriege im Nahen Osten führen. Aufbrechen können das vielleicht nur die Unterdrückten selbst. Nur sie sebst können sich von den Herrschenden befreien, wie die mutigen Frauen im Iran oder anderswo. So ist auch meine Hoffnung, dass sich irgendwann auch die Palästinenser von der Hamas befreien usw. Der Krieg steht nicht nicht im Interesse der betroffenen Menschen. Das sagen auch hunderte Juden, die vor etwa einer Woche einen New Yorker Bahnhof besetzt haben und zu einem Waffenstillstand in Israel und Gaza aufrufen. Also Juden selbst.
Der Schreiber des Epheserbriefes ruft ebenso zur Vernunft. Er legt den Christen ans Herz, den „Helm des Heils und das Schwert des Geistes anzuziehen, welches ist das Wort Gottes.“ Das Wort Gottes soll also zur Beilegung des Konfliktes dienen und nicht die Waffen.
Und vielleicht braucht es hier tatsächlich eines von der UNO ausgearbeiteten Planes, wie sich denn ein friedliches Zusammenleben und die Menschenrechte im Gaza und in Israel gewährleiten lassen. Ob soetwas auf Verhandlungswegen erreicht werden kann mit Menschen, die nur ihren eigenen Terror wollen und nichts Anderes, weiß ich nicht. Aber je mehr Verbündete man dafür gewinnen würde, desto isolierter wären die, die nur die Gewalt ihrer Waffen sprechen lassen wollen. Und diese Verbündeten muss man vielleicht auch unter den gemäßigten islamischen und arabischen Staaten suchen, die im Blick auf Israel positiver aufgestellt sind und auch zum Westen eine bessere Beziehung haben. Gott selbst, sein Wort und sein Festhalten an seinem Wort möge allen Beteiligten helfen, nach Frieden zu suchen und Frieden zu schaffen. Amen