Predigt über Lukas 8, 4-8 (15) – Gleichnis vom vierfachen Ackerfeld
„4 Eine große Menschenmenge sammelte sich um Jesus, aus allen Orten strömten die Leute zu ihm. Da erzählte er ihnen ein Gleichnis:
5 »Ein Bauer ging aufs Feld, um seinen Samen zu säen. Als er die Körner ausstreute, fiel ein Teil von ihnen auf den Weg. Dort wurden sie zertreten und von den Vögeln aufgepickt.
6 Andere Körner fielen auf felsigen Boden. Sie gingen auf, vertrockneten dann aber, weil sie nicht genug Feuchtigkeit hatten.
7 Wieder andere Körner fielen mitten in Dornengestrüpp, das wuchs mit auf und erstickte das Korn.
8 Andere Körner schließlich fielen auf guten Boden, gingen auf und brachten hundertfache Frucht.« Darauf rief Jesus: »Wer Ohren hat, zu hören, der höre!«“
Die Gnade Jesu Christi und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen.
Amen
Liebe Gemeinde!
An diesem Sonntag geht es um das Wort Gottes und die Frage, wie wir Menschen auf Gottes Wort reagieren. Dabei steht die Verheißung, dass Gottes Wort gelingt, wozu es gesandt wird.
Eigentlich geht es an diesem Sonntag in der Vorfastenzeit, in der Woche vor Weiberfastnacht, in Köln um ganz andere Dinge.
Verabredungen zu Karnevalsveranstaltungen, Freude auf gemeinsames ausgelassenes Treiben, Viel Arbeit und Engagement bei denen, die Karneval feiern möglich machen, und natürlich: Die Frage nach dem guten und richtigen Kostüm!
Als ich 2000 aus dem nördlichen Rheinland nach Köln kam, traf mich die Frage damals auch unvermittelt, und ich wusste noch gar nicht so genau was mich in Köln so erwartet.
Entschieden habe ich mich damals in den ersten beiden Jahren dafür, mich nicht als irgendeine „Person“ verkleiden zu wollen, sondern ich wählte Kostüme aus der Natur: ich ging als Dschungel und als Blumenwiese.
Es ist ja auch so – die Tage im Februar sind oft noch düster und trist, wir versuchen es uns mit den ersten Primeln im Topf den Frühling in die Wohnungen zu holen und freuen uns an jedem Schneeglöckchen, das im Garten schon den Kopf rausstreckt. Und die Hobbygärtner scharren schon mit den Hufen, wann endlich draußen wieder gepflanzt werden kann und man sehen kann, dass etwas wächst und gedeiht.
Vom Wachsen und Gedeihen handelt auch das Gleichnis, das uns an diesem Sonntag in der Fassung des Lukasevangeliums begegnet, aber auch die anderen Evangelisten kennen.
Es wird Jesus in den Mund gelegt, der in diesem Fall nicht nur einer ausgewählten Jüngerschar, also religiös „Eingeweihten“, sondern sich einer großen Menschenmenge gegenübersieht, von denen er sicher nur wenige persönlich kennt. Was er aber weiß und vermutet: Mit dem Thema Wachsen und Gedeihen, da können diese Menschen etwas anfangen, und sicher auch mit dem Wunsch und mit der Hoffnung, dass ihr Glaube sie nicht in die Wüste führt, sondern auf die „grüne Aue“, die der Psalmbeter des 23. Psalmes so eindrücklich beschreibt.
Ihnen, diesen Menschen, erzählt Jesus davon, dass ein Sämann ausgeht, um guten Samen auszustreuen. Dabei begegnet ihm etwas, das durchaus bekannt ist: An manchen Stellen, da fällt es auf guten Boden, die Wasser und Lichtverhältnisse stimmen und das Saatgut kann wurzeln, sich entfalten, dem Licht entgegenstreben.
Aber es begegnet auch das: Der Untergrund ist nicht gut beschaffen. Andere, in diesem Falle Vögel, bedienen sich an dem Samen (übrigens weil er ihnen schmeckt und sie davon am Leben bleiben). Es fehlt an Wasser (auf dem Felsen) und am Licht (unter den Dornen).
Nun könnte man den Blick darauf richten, warum denn der Sämann in der Wahl seines Saatplatzes nicht genau darauf achtet oder vielleicht einfach wahl- oder ziellos den Samen verstreut. Aber der Blick ist darauf gerichtet, warum das so ist, dass gute Saat nicht aufgeht. Und an dieser Stelle geht Jesus in die Übertragung und will den Menschen mit dem Bild die Augen und Ohren öffnen. Und, nachdem die Jünger nachgefragt haben, da erklärt Jesus das Gleichnis auch:
Die Saat, das ist das Wort Gottes. Und der Grund, auf den das Wort Gottes fällt und seine Beschaffenheit und Bedingungen, die richten sich auf uns Menschen.
So werden im Gleichnis vom vierfachen Ackerfeld vier Gruppen von Personen benannt, die sich unterschiedlich zum Wort Gottes verhalten. Die Einen werden daran gehindert, beim Wort Gottes zu bleiben; bei den Nächsten bleibt es an der Oberfläche und es fehlt an Verwurzelung, um dauerhaft beim Wort zu bleiben; bei Dritten gibt es so viel anderes, was das Wort nicht zum Zuge kommen lässt; nur bei der vierten Gruppe fällt es auf „gutes Land“.
Die Rahmenbedingungen werden gleich mit genannt, die hilfreich sind, dass das Wort in einem Menschen wachsen kann: zunächst ist es nötig, das Wort überhaupt zu hören, vom Ohr muss es ins Herz gehen – wo das gelingt, bringt ein solcher Mensch Frucht, indem sein Leben sich offenbar verändert.
Und das ist in der Bibel wahrlich kein „neues“ Thema.
Das Hören, Bewahren und Tun des Wortes Gottes – es ist bei Lukas immer wieder ein Thema: Er erzählt von Maria und Martha (Lk. 10,38-42) – die eine, Martha, will es Jesus schön machen, tut und macht, was sie kann; die andere, Maria, sitzt und hört zu. „Maria hat das gute Teil erwählt“ (Lk. 10,42) lobt Jesus sie. Oder, kurz auch im Lukasevangelium „Selig sind, die das Wort Gottes hören und bewahren“ (Lk. 11,28).
Schon die Propheten des Alten Testaments haben diese Erfahrung gemacht: das Wort Gottes ist nicht wie Milch und Honig. Bei Micha kommt das Gotteswort als Weheruf daher. Jeremia (20,8) klagt, das Gotteswort werde ihm zu Hohn und Spott täglich. Und Jesaja (55, 10f) erklärt mit Bildern aus der Natur, wie das Wort Gottes wirkt: Es wird ausgesprochen, es wird wirksam, und zwar zwingend, wie Regen und Schnee, die vom Himmel fallen, unausweichlich die Erde befeuchten. Wie Schnee und Regen Saat aufgehen lassen, so wird auch dem Wort Gottes gelingen, wozu Gott es sendet.
Was wir in dem Gleichnis vom vierfachen Ackerfeld herauslesen können, ist vielleicht überraschend:
Schon damals brauchten die Menschen für ihren Glauben und ihr Durchhalten als Christen eine besondere Stärkung und Unterstützung. Wahrscheinlich sahen sich schon damals die Menschen von außen und innen bedroht.
Warum wirkt Gottes heilsames Wort nicht überall? Diese Frage will Jesus beantworten. Er muss sie wohl auch beantworten, weil Menschen ihn danach gefragt haben könnten. Das deutet darauf hin, dass eben früher nicht alles besser war. Auch damals, und selbst bei Jesus, verwehten die heilsamsten Worte im Wind wie Samen, den einer aufs Feld werfen will. Der Same kommt aber dort nicht an. Er verfliegt, landet auf Felsen oder unter Dornen.
Warum wirkt Gottes heilsames Wort nicht überall? Jesus antwortet mit einem Gleichnis, das uns unmittelbar einleuchtet. Worte verfliegen, werden überhört, lassen Menschen gleichgültig, sind nur halbherzig gesprochen oder gar nicht so gemeint. Da hilft nur eins: meine Beständigkeit. Es wird so lange gesät, bis Samen und gute Erde zusammenkommen. Und es wird sorgsam darauf geachtet, dass zarte Pflänzchen wachsen und gedeihen können.
Dem Wort Gottes wird gelingen, wozu Gott es sendet. Eine ungeheure, kühne Versicherung ist das. Ich möchte unbedingt den Blick auf das Moment des Gelingens in diesem Gleichnis richten.
Gott will aus der scheinbaren Hoffnungslosigkeit ein herrliches Ende machen. Auch wenn es aussieht, als wäre alles Mühen vergeblich, am Ende wartet ein Erntesegen. Solcher Erntesegen ist nicht mein und dein Verdienst. Nicht weil wir fleißig sind, kommt Gottes Wort zum Zuge, sondern weil Gott es so will und wirkt. Von Faulheit und Passiv-Sein ist nichts gesagt. Ohne Säen geht es nicht. Aber was dann aus dem fleißig und gut Gemachten wird, liegt am Ende nicht in meiner Hand. Mit Aktionismus lässt sich die Gemeinde nicht bauen, der Glaube nicht pflanzen und die Kirche nicht retten. Aber gesät muss werden, damit Gott wachsen lassen kann.
Die Saat muss gesät werden, aber sie wächst am Ende nur, wenn Gott sie wachsen lässt. Das führt mitten hinein in die Frage, was denn eigentlich die Aufgabe der Kirche ist. Kirche findet sich eben nicht durch Menschen zusammen, die sich sympathisch finden oder die gemeinsame Interessen haben. Das alles mag auch sein.
Aber Kirche findet sich zusammen, weil Gott die Kirche ins Leben ruft. Sie ist dort zu finden, wo sich eine Gemeinde versammelt und wo diese Gemeinde das tut, was sie tun soll: sie soll säen. Oder, mit dem Augsburger Bekenntnis gesprochen: Sie soll das Evangelium predigen und die Sakramente reichen (CA 7). Wie genau die jeweilige Kirche dann organisiert wird, kann verschieden sein. Wenn sie nur eben das tut: Säen. Klingt einfach und ist es auch; und es ist herausfordernd zugleich. Martin Luther fasste dieses kinderleichte Verständnis in einen schönen Satz „Es weiß, Gott Lob, ein Kind von sieben Jahre, was die Kirche ist: nämlich die heiligen Gläubigen und die Schäferin, die ihres Hirten Stimme hören“. (Schmalkaldische Artikel von 1536)
Luther lehrte dann Unterscheiden zwischen der „verborgenen“ und der „offenbaren“ Kirche. Wo gesät ist und Gott die Saat aufgehen lässt, da ist Kirche – aber ob alle, die man als Mitglieder der Kirche zählt, solche sind, in denen Gott etwas hat wachsen lassen, das entzieht sich dem, was Menschen wahrnehmen können.
Glaube kann nur wachsen, wo es die wahrnehmbare Gemeinschaft von Menschen gibt, aber nicht alle, die zur wahrnehmbaren Gemeinschaft zählen, sind solche, in denen die Saat des Glaubens aufgegangen ist.
Kirche soll säen und Wachsen im Glauben ermöglichen. Dazu ist sie eine Organisation. Sie hat Mitglieder, sie hat Strukturen und Ordnungen. Sie tritt für etwas ein, für bestimmte Werte und für bestimmte Vorstellungen. Sie bringt Gott zur Sprache. Sie spricht aus, dass dem Tod die Macht genommen ist und Gott ein Freund des Lebens ist. Und dass es Konsequenzen hat, davon zu hören, nämlich geliebt werden und dann andere lieben. Barmherzigkeit erfahren und zu anderen barmherzig sein.
Zur Kirche gehört es, dass Menschen sich begegnen, Gemeinschaft haben untereinander und mit Gott. Kirche lebt in den Menschen, die zusammenkommen und miteinander hören und fragen, wie sie das Gehörte ins Leben umsetzen können.
Kirche ist nicht nur Organisation oder nur Institution oder nur Gemeinschaft. Sie ist alles zusammen. Eins greift ins andere. Und alles dient dem Zweck von Kirche: dass gesät wird und dass wachsen kann, was ausgeteilt wird.
Kirche kann nur bleiben, wenn sie für etwas steht, was in Menschen etwas zum Schwingen und zum Klingen bringt. Dort, wo sie nah dran ist bei den Menschen. Wo sie zugewandt Trauernde begleitet. Wo sie sich zeitgemäß in sozialen Netzwerken an Gesprächen beteiligt. Wo sie Flüchtlinge betreut und Menschen, deren Geld nicht bis zum Monatsende reicht, unterstützt. Nicht Kirche „für“ andere (Dietrich Bonhoeffer) ist heute dran, kein Gefälle
von Gebenden hier und Nehmenden dort, sondern Kirche „mit“ anderen. Kirche als Organisation, Institution und Gemeinschaft, die konsequent an der Seite derer steht, die es brauchen und mit ihnen fragt, was sie nötig haben. Dann zeigt sich Kirche als Anwältin für das Unverfügbare, für das, was wir nicht im Griff haben. Und in allem handelt sie in dem Wissen, dass wir auf Gott angewiesen sind.
Auch wenn die Zahlen kleiner werden – und das werden Sie, es gibt sicher noch ein böses Erwachen, warten wir mal die Austrittszahlen bis Mai / Juni ab. Sie haben sicher davon gelesen. Wir werden kleiner. Wir werden an Menschen weniger und werden mit weniger Geld auskommen müssen. Wie tröstlich, dass die Fachleute sagen: Die Kirche hat nicht alles, aber vieles gut gemacht, und dennoch gerät sie aufs Abstellgleis. Viele Menschen haben schlicht kein Interesse an Kirche und an anderen spirituellen Angeboten. Nicht dass sie unzufrieden wären mit den Antworten, die die Kirche auf die Frage nach Gott bietet – sie fragen gar nicht mehr nach Gott. Sie sind konfessionslos glücklich und brauchen nichts Jenseitiges, um ihr Leben hier und heute deuten und führen zu können.
Es bleibt die Aufgabe der Kirche zu säen, zu predigen. Zu helfen, das Leben im Licht Gottes zu deuten. Davon zu reden, dass es einen Gott gibt, der mich gewollt hat, dass ich da bin und will, dass mein Leben gelingt und Gutes aus allem, was ich tue, herauskommt. Es kann geschehen, dass Pläne scheitern. Denn ich habe mein Leben nicht selbst in der Hand. Es kann sein, dass ich mit und ohne eigenes Verschulden nicht mehr sehe, wie es weitergehen kann. Aber der Sämann geht weiter und weiter, zu säen seinen Samen.
Das Gleichnis Jesu vom Sämann ermutigt und ermuntert mich. Es ist eine Geschichte gegen Verzweiflung und Müdesein. Wo ich denke, es gelingt nichts Rechtes, da brauche ich, dass jemand mir die Augen öffnet, dass jemand mir sagt: Wo du alles verloren glaubst, da probiere es neu mit Vertrauen. Es gibt nicht nur Niederlagen und Enttäuschungen und am Ende das Sterben und den Tod. Schau hin! Es gibt immer den Sämann, der ausgeht zu säen. Der dich und mich geschaffen hat. Der dich und mich trägt und ein Leben in Fülle verheißt. In solchem Hören, Bewahren und Tun will ich leben, ganz im Vertrauen auf Gott, der das gelingen lässt, was er mit mir vorhat.
Mir gefällt sehr die Übersetzung der neuen Basisbibel und die Worte, mit denen unser Predigttext dort schließt:
11Dies ist die Bedeutung des Gleichnisses: Die Saat ist das Wort Gottes.12Was auf den Weg fällt, steht für die Menschen, die das Wort hören. Aber dann kommt der Teufel. Er nimmt es wieder weg aus ihren Herzen, damit sie nicht glauben und gerettet werden.13Ein anderer Teil fällt auf felsigen Boden. Er steht für die Menschen, die das Wort hören und gleich mit Freude in sich aufnehmen. Aber es schlägt keine Wurzeln. Eine Zeit lang glauben sie. Doch sobald sie auf die Probe gestellt werden, wenden sie sich wieder ab.14Noch ein anderer Teil fällt zwischen die Disteln. Er steht für die Menschen, die das Wort zunächst hören. Doch dann gehen sie fort. Sie ersticken in Sorgen, in Reichtum und den Freuden, die das Leben bietet. Daher bringen sie keinen Ertrag.15Aber ein Teil fällt auch auf guten Boden. Er steht für die Menschen, die das Wort mit offenem und bereitwilligem Herzen hören. Sie bewahren es und halten durch –und so bringen sie viel Ertrag.«
Amen.
Und der Friede Gottes, der größer ist als all unser Denken und begreifen, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus unserem Herrn. AMEN
Andrea Stangenberg-Wingerning mit Gedanken von Andreas Lange