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Otto Pankok, Christus zerbricht das Gewehr 1950

Predigt an Pfingstsonntag, 5. Juni 2022

Die Predigt wurde gehalten von Pfarrer Dr. Gerhard Wenzel in der Versöhnungskirche in Rath-Heumar und der Auferstehugskirche in Ostheim. In Rath-Heumar hatte Pfarrer Wenzel hinterher zu einem Gespräch über bestimmte Predigtinhalte auf dem Kirchvorplatz unter den Sonnensegeln eingeladen. Das Gespräch hat alle Beteiligten unabhängig von ihrer Position noch mal sehr nachdenklich gemacht. Es war jedenfalls eine positive Erfahrung, als Gemeinde bezüglich des Krieges in der Ukraine überhaupt im Gespräch zu sein und einander zuzuhören, so unterschiedlich die Positionen auch waren. Aus der Diskussion sind keine Gewinner hervorgegangen, aber wir haben Gedanken und Gefühle ausgetauscht und geteilt, Fragen gestellt, uns in Frage gestellt. Das hat in einer Situation einer von allen emfundenen Angst und Ohnmacht letztlich gut getan.

Die Gnade und der Friede Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. Amen

Liebe Schwestern und Brüder in Christus, wenn ich fragen würde: „Wer kommt zu Pfingsten?“ da würdet Ihr vermutlich unisono antworten: „Der Heilige Geist.“ Ihr gehört zu den offenbar recht Wenigen, die heute noch wissen, dass Pfingsten das Fest ist, an dem wir als Christen das Kommen des Heiligen Geistes erinnern und feiern. In der Bevölkerung ist das kaum noch präsent. Und das scheint auf dem Lande auch nicht besser auszusehen als in der Stadt. Hört, was eine junge Lehrerin im Religionsunterricht der ersten Klasse einer ländlichen Grundschule erlebte.  Es war kurz nach Christi-Himmelfahrt und auf dem Lehrplan stand das Thema Pfingsten.

Also stellte sie am Anfang der Stunde schlicht und einfach die Frage, was fällt euch ein, wenn ich “Pfingsten” sage. Sonntag, schulfrei, spielen, mit den Eltern spazieren fahren, waren die Antworten der Kinder.

Die Lehrerin war damit natürlich nicht zufrieden. Sie wollte wissen, was denn wohl an christlich-religiösem Gedanken vorhanden war.

Und so setzte sie noch mal ganz neu an und fragte: “Was passierte denn zu Weihnachten, wer kommt da? ” Hier bekam sie sehr schnell die Antwort: “Das Christkind !” Einige wussten sogar von der Geburt Jesu! “Na, und  was feiert man Ostern?” Dann fragte sie schließlich: “Und wer kommt Pfingsten?”Stille, alle dachten gespannt nach. Endlich  meldet sich ein Kind. Glücklich, dass es ein Kind  zu wissen schien, rief sie es auf. Das Kind war ganz stolz die vermeintlich richtige Antwort zu haben und sagte ganz laut: “Der Pfingstochse!“

Dazu muss man wissen: Der Pfingstochse ist Bestandteil eines heute auf dem Lande noch vereinzelt gepflegten Brauchtums zum Pfingstsonntag. Das Vieh wird an diesem Tag das erste Mal auf die Weide getrieben und dabei in einer Prozession durch den Ort geführt. Das kräftigste Tier wird mit Blumen, Stroh und Bändern geschmückt und führt als Pfingstochse die Herde an.

Nun, manche mögen heute nicht nur den Heiligen Geist für einen Ochsen halten, sondern auch diejenigen, die noch an den Heiligen Geist glauben.

Sicher liegt das auch daran, dass viele mit dem Begriff „Heiliger Geist“ oder „Geist Gottes“ nichts anfangen können. Entweder stellen sie sich einen Kellergeist darunter vor, ein Gespenst oder gar nichts, weil die Begrifflichkeit ihnen viel zu fremdartig, zu unkonkret, zu abstrakt erscheint.

Wie mag es da den ersten Christen ergangen sein. Für sie hat der Heilige Geist eine ganz existentielle Bedeutung gehabt. Eine Bedeutung, in der auch eigentlich wir uns mit unserm Christsein, mit unserem Glauben verankert fühlen dürfen. Was der Apostelgeschichte nach zu Pfingsten geschehen ist, haben wir eben in der Lesung noch mal gehört. Die Jünger waren im wahrsten Sinne des Wortes aus dem Häuschen, als der Heilige Geist über sie kam. Es war Ermutigung, sich nicht mehr hinter verschlossenen Türen zu verstecken und der eigenen Angst zu gehorchen, sondern mutig hinaus zu den Menschen zu gehen und von Jesus Christus zu erzählen, ihn zu bekennen und Menschen für ein Leben mit ihm zu gewinnen. Aber was bedeutete es darüber hinaus der Heilige Geist für die Existenz der ersten Christen? Was verband sich mit dem Heiligen Geist für ihr Leben?

In dem für den heutigen Pfingstsonntag vorgesehenen Predigttext hören wir eine Stimme dazu – die Stimme des Apostel Paulus, der damals, als er umherzog, zahlreiche Gemeinden gegründet hatte und andere von ihm nicht selbst gegründete Gemeinden auch gerne besuchte. Mit den Menschen dieser ersten Gemeinden stand er im regen Briefaustausch, so auch mit denen in Rom. Im Römerbrief Kap. 8, Verse 4 – 10 hören wir von ihm Gedanken über das, was man nennen kann: „Leben im Geist“. Es geht da also genau um diese existentielle Bedeutung des Heiligen Geistes für unser Leben als Christen. Da heißt es:

„Gott hat Christus gesandt, damit wir nicht so leben wie es der Menschen Art ist, sondern nach dem Geist hin orientiert. Denn diejenigen, die von den Begierden der Menschen bestimmt sind, verhalten sich nach der Menschen Art, die sich aber vom Geist leiten lassen; die leben dem Geist gemäß. Denn nach der Menschen Art gesinnt sein zieht Tod nach sich, doch geistlich gesinnt sein bewirkt Leben und Frieden. Denn nach rein menschlicher Gesinnung zu leben ist Feindschaft gegenüber Gott, weil der Mensch sich dem Gebot Gottes nicht unterwirft; denn solch ein Mensch vermag es auch nicht. Diejenigen, die so gesinnt sind, können Gott nicht gefallen. Ihr aber seid nicht fleischlich, sondern geistlich, da ja Gottes Geist in euch wohnt. Wer aber Christi Geist nicht in sich trägt, der gehört nicht zu ihm. Wenn Christus in euch ist, so ist das Fleisch zwar tot um der Sünde willen, der Geist aber ist Leben um Gottes Gerechtigkeit willen.“ Amen

Liebe Schwestern und Brüder in Christus, die Worte des Paulus könnten leicht missverstanden werden. Er will keineswegs das Geistliche dem Körperlichen gegenüberstellen. Das Gegensatzpaar ist nicht Geist und Körper und der Mensch wird auseinanderdividiert in Geist und Körper und der Geist ist gut und der Körper ist schlecht. Und der Geist soll deshalb über den Körper regieren usw. usw. Nein, solche damals in der zeitgenössischen griechischen Philosophie sehr weit verbreitete Leibfeindlichkeit ist hier gar nicht gemeint. Diese griechische Philosophie hat uns übrigens bis heute auch in kirchlicher Verkündigung stark geprägt. Die hier und da anzutreffende Sexualfeindlichkeit in der christlichen Verkündigung geht nicht auf die Gedanken von Paulus zurück, sondern auf die genannte damalige zeitgenössische griechische Philosophie, die eben bis heute im Christentum teils sehr nachgewirkt hat.

Paulus will nicht Körper und menschlichen Geist gegenüberstellen, sondern ein den menschlichen Begierden und Interessen unterworfenes Leben und ein Leben, das sich aus Gottes Geist speist, ein Leben im Sinne, im Geiste Christi. Es geht also um zwei unterschiedliche Existenzweisen, könnte man sagen, und die Ausrichtung unserer Sinne auf Gottes Geist. Wenn der Begriff „fleischlich“ von ihm gebraucht wird, dann ist damit nicht “körperlich” gemeint, sondern einfach nur ein rein an den eigenen menschlichen Bedürfnissen orientiertes Leben, das sich weder Gott noch dem Zusammenleben mit Anderen verpflichtet weiß. Menschliche Macht, menschliche Interessen und Begehrlichkeiten und rein menschliche Triebe sind da Antrieb und stehen im Vordergrund. Dem stellt Paulus das andere „Leben im Geist“ gegenüber. Das meint kein geistig abgehobenes Leben. Dazu muss man nicht studieren oder sein Leben zurückgezogen auf einem Elfenbeinturm verbringen, sondern einfach nur sein Leben mit Gott führen, ein Leben mit dem Bewusstsein von Gottes Geistgegenwart führen. Ein Leben, wo ich im Geist Gottes mit Christus verbunden bleibe.

Diese beiden Existenzweisen, diese beiden Lebensweisen stellt Paulus hier gegenüber und sagt damit tatsächlich: Wenn Du Christ bist, hat das für dein Leben Konsequenzen. Du bist von Gottes Geist getragen und darfst dich in ihm fallen lassen, aber der Geist Gottes zeigt auch umgekehrt seine Spuren in deinem Leben und erhebt auch einen Anspruch auf deine Lebensgestaltung. Gottes Geist will in deiner Lebensausrichtung für andere greifbar werden, ja, zum Segen werden. Und da ist Paulus mit seinen Worten sehr deutlich, dass sich das Leben eines Christen, auch wenn er immer auch Sünder bleibt, doch wohltuend abheben kann und abheben muss von einem Lebensentwurf, der mit diesem Geist nichts am Hut haben will.

Paulus will seine ersten Mitchristen und damit auch uns heute ermutigen in unserer Spiritualität. Er will uns im Glauben ermutigen, darauf zu vertrauen, dass dieser Geist da ist, in uns wirkt und durch uns wirkt, und ermutigen von diesem Geist her zu leben und im Sinne dieses Geistes unser Leben zu führen, sich also auch an die Gebote und das Vorbild Christi zu halten, statt einfach nur dahin zu vegetieren und uns leben zu lassen und nur an den eigenen Interessen zu orientieren, wie es die Menschen für gewöhnlich tun.

In römischer Zeit waren es Christen, die die ersten Armenküchen eingerichtet haben und was sie hatten, mit die Armen geteilt haben. Und es waren Christen, die die Leichname von Gestrandeten am Meer auflasen und würdig beerdigt hatten, die von den Römern hingegen einfach dort liegen gelassen wurden. Die Römer brachten das Schwert und das Kreuz, also Gewalt und Tod. Die ersten Christen predigten und lebten die Vergebung, Versöhnung und Feindesliebe. All das müssen wir hier mithören und vor Augen haben, wenn Paulus genau darauf bezogen seine Zeilen, wie die folgenden, dort im Römerbrief schreibt: Diejenigen, die von den Begierden der Menschen bestimmt sind, verhalten sich nach der Menschen Art, die sich aber vom Geist leiten lassen; die leben dem Geist gemäß. Denn nach der Menschen Art gesinnt sein zieht Tod nach sich, doch geistlich gesinnt sein bewirkt Leben und Frieden.“ Und das hat dann nichts mit christlicher Vermessenheit oder Überheblichkeit zu tun oder etwa abgehobener Lebensphilosophie, sondern schlicht und ergreifend mit dem gelebten Leben der ersten Christen, mit ihrem Grundverständnis und ihrem Leben im Geist, wie Paulus es beschreibt. Jedenfalls da, wo sie wirklich auf den Geist bezogen leben.

Das ist ja Voraussetzung. Unser Christsein macht sich nicht an dem Papier fest, wo das vielleicht drauf steht, also nicht an der Taufurkunde oder der Konfirmationsurkunde etwa, sondern daran, ob wir uns in unserem Herzen mit diesem Geist verbunden fühlen und von da her die Vorgaben für unser Leben und Handeln ableiten. Das ist die tiefe spirituelle Dimension, die Paulus hier anspricht. Dazu musst du nicht studiert haben können. Dazu muss Du nur das Herz am rechten Fleck haben und es geöffnet haben und offen halten für die Botschaft Jesu Christi. Das kann ein armer Nicht Gebildeter genauso wie ein reicher Gebildeter und manchmal sogar besser.

Für mich haben aber die Zeilen des Paulus aus zwei Gründen für unser Leben heute noch eine ganz besondere Bedeutung.

Das eine ist: Wir sind auf dem Weg, wieder eine kleine bekennende Minderheit zu werden, wie es die ersten Christen im Römischen Reich waren. Nicht nur, dass sich die Menschen von der Kirche distanzieren. Sie entfremden sich auch von christlicher Überlieferung und ihren Inhalten. Kein Wunder, dass der Weihnachsmann, der Osterhase und der Pfingstochse das Regiment übernommen haben, wo man von den Inhalten der Feste nichts mehr weiß. Auch die Götzen der heutigen Gesellschaft, ob es der Mammon ist, oder aber die Vergötterung des Selbst und der medialen Welt, werden zunehmend fremdbestimmend und immer mächtiger wie damals zu Römerzeiten und die Botschaft des Evangeliums wird immer ungehörter und in der Konsequenz hier und da in der Wahrnehmung der nicht-christlichen Mehrheit vielleicht auch zuehmend unerhörter. Aber gerade da dürfen wir uns von Paulus ermutigt wissen. Wir sind als Christen keine Geisterfahrer, die sich gerade darüber wundern sollten, dass alle Anderen im Moment in die entgegengesetzte Richtung fahren, sondern wir sind auf der richtigen Spur, bei der der Heilige Geist lenkt. Die Geisterfahrer sind tatsächlich hingegen all die vielen Anderen. So oder so werden nicht wir es richten oderdarüber richten, sondern der Heilige Geist.

Das führt mich zum zweiten Punkt. Im Zusammenhang mit dem Ukrainekrieg ist in den Medien und von Politikern und Politikerinnen überall von Zeitenwende die Rede und sie rechtfertigen damit alles und jedes. Das Wort selbst ist auch verräterisch, denn in dem Wort drückt sich eine passive Ergebenheit aus, so als ob man die Geschicke der Geschichte nicht in der Hand habe, so als mache nicht der Mensch Geschichte, sondern iregndein Gott der Zeit. Wer von Zeitenwende redet, fordert damit Unterwürfigkeit ein, bewusst oder unbewusst. Und Zeitenwenden haben natürlich auch immer wieder Wendehälse geboren. Das sollte man doch alles bedenken.

Die große Mehrheit der Deutschen und ihre politischen Repräsentanten sind im Augenblick Zeitenwendeanbeter, die meinen, dass wir der Zeitenwende gerecht werden, wenn wir wieder in Kriege investieren – im wahrsten Sinne des Wortes – und nicht Entfeindung leben, sondern Feindbilder bedienen. Und die Repräsentanten, wie die Außenministerin Anna Lena Baerbock formulieren jetzt schon Durchhalteparolen wie damals in der Zeit des 1. Weltkrieges. Wir müssten Opfer bringen und Ausdauer bewahren heißt es aus ihrem und anderer Munde. Damals, zur Zeit des 1. Weltkriegs wurde das deutsche Volk auch auf einen langen Krieg eingeschworen und dass wir gar nicht anders könnten als ihn zu führen und eben da durch müssen…. “eben da durch müssen” das hören wir in diesen Tagen so oft im Fernsehen.

Die Botschaft von Christus und des ihn vertretenden Heiligen Geistes steht dem diametral entgegen. „Steck dein Schwert zurück, denn wer sein Schwert zieht, wird durch das Schwert umkommen.“ hat er gesagt, als er selbst der Gewalt ausgeliefert war und jemand zur Hilfe kommen wollte, um ihn zu verteidigen. Jesus hat keine solchen Durchhalteparolen von sich gegeben, das Übel des Schwertes auf sich zu nehmen oder was auch immer. Da bin ich – auch auf heute bezogen – dankbar für die Erinnerung von Paulus, der von einer ganz anderen Wende redet – nicht von einer Zeitenwende, sondern von einer Wende durch ein Leben im Geist – Noch mal die Worte des Paulus: „Diejenigen, die von den Begierden der Menschen bestimmt sind, verhalten sich nach der Menschen Art, die sich aber vom Geist leiten lassen; die leben dem Geist gemäß. Denn nach der Menschen Art gesinnt sein zieht Tod nach sich, doch geistlich gesinnt sein bewirkt Leben und Frieden.“ Wir brauchen keine Zeitenwende, sondern wir brauchen eine Geisteswende, und zwar die durch Gott. Und wir merken daran, wie bedeutsam der Geist Gottes für unsere menschliche Existenz ist. Ich verurteile den Angriffskrieg Rußlands zuteifst, und zwar auf guter biblischer Grundlage. Und das ukrainische Volk hat unser ganzes Mitgefühl und wir engagieren usn entsprechend an der Seite der Opfer und Flüchtlinge gerade auch in unserer gemeinde, ob in Ostheim bei der Massenunterkunft oder in Rath-Heumar in einzelnen Familien, die sich sehr solidarishc zeigen durch die Überlassung von Wohnraum etc. Aber es sind im Augenblick unsere Politiker, die Anderen und indirekt auch uns mit ihren Worten und Entscheidungen da gerade ein Schwert in die Hand drücken oder dazu jedenfalls wesentlich beitragen, während Christus es mit seinen Worten Petrus damals hingegen förmlich aus der Hand gerissen hat. Und last but not least: Nicht Selensky ist der Erfinder und Bewahrer der Menschenrechte… der nun weiß Gott nicht! Das war hingegen der Geist Gottes im Gefolge der zehn Gebote und der übrigen biblischen Überlieferungen. Daran ist gerade hier und heute zu erinnern. Amen

Lied: „Liederbuch zwischen Himmel und Erde“ 287 (1-4) „Die Sache Jesu braucht Begeisterte“