Du betrachtest gerade Predigt Christvesper Heiligabend zum Thema „Zuhören“

Predigt Christvesper Heiligabend zum Thema „Zuhören“

(gehalten von Pfarrer Dr. Gerhard Wenzel am 24.12.2023, 17 Uhr in der Versöhnungskirche in Köln-Rath-Heumar)

Die Gnade und der Friede Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. Amen

Liebe Schwestern und Brüder in Christus,

kürzlich bin ich gefragt worden, ob ich mir künftig meine Predigten nicht von chat GPT schreiben lassen möchte, also der Internetplattform, die es ermöglicht, dass man sich zu bestimmten Themen in Minuten bis Sekundenschnelle ganze Aufsätze zusammenstellen und schreiben lassen kann, was auf der Grundlage einer ungeheuren Datenfülle und Datenbefehlsfolgen tatsächlich funktionieren kann. Deshalb ist das ja auch ein besonders beliebtes Werkzeug unter Schülern und Studenten – jedenfalls von denen,  die nicht nur zu faul zum Schreiben, sondern auch zum Denken geworden sind. Klar, ein einziger Knopfdruck zur Bearbeitung eines Themas geht sicher schneller von der Hand als ein mehrstündiges oder tagelanges Lesen von Büchern in einer Bibliothek, die ich extra aufsuchen müsste. Und es gibt ja im Internet tatsächlich den großen Vorteil, dass ich blitzschnell an Informationen kommen kann, die zuvor nur schwer oder recht umständlich zugängig waren. Ich gehe also z. B. ja auch auf Wikipedia, das bekannte Internetlexikon, um dort mal schnell bestimmte Informationen abzurufen und schaue dazu nicht mehr unbedingt in das Brockhaus-Lexikon vergangener Jahrzehnte.

Aber als ich gefragt wurde, ob ich meine Predigten künftig nicht lieber von Chat-GPT schreiben lassen möchte, wusste ich im ersten Moment nicht, ob derjenige es einfach nur gut meinte, weil es Arbeitsentlastung wäre, oder ob er mit meinen Predigten unzufrieden ist. Und ich wusste auch nicht, wer sich im letzteren Fall mehr beleidigt fühlen sollte: Ich oder der liebe Gott. Denn einer der beiden oder beide wären oder werden damit ja dann wohl überflüssig und arbeitslos.

Meine Antwort war jedenfalls, dass das dann seelenlose Predigten wären. Das Zusammentragen von Informationen ist noch keine Predigt. Und ich traue ja Gott Einiges zu. So durchaus auch, dass er durch das Internet zu uns sprechen kann, wie er auch durch Bäume oder Blumen, die Musik oder überlieferte Texte der Bibel zu uns sprechen kann.

Aber genau das ist das Problem. Gott lässt man nicht mehr zu Wort kommen. Von Gott kann man eigentlich nur reden, indem man ihm selbst wieder zuhört, selbst wieder zu Wort kommen lässt.

Wo der Mensch sich selbst zum Gott erhebt und nichts als Selbstvergötterung betreibt, ist das schwierig. Und warum etwa sollte sich Gott von Chat-GPT sagen lassen oder vorgeben lassen, was er in einer Predigt zu sagen hat? Wie kann Gott überhaupt Gehör finden? Wie kann das Göttliche unser Herz berühren, wenn wir keine Zeit haben, hineinzuhören? Wie kann es unser Herz berühren, wenn wir immer zu allein darauf achten, was dem Menschen möglich ist und nicht etwa auch, wo seine Grenzen und seine Begrenztheit liegen und auch mal auf das ganz Andere und den ganz Anderen hören?

Das ist das grundsätzliche Problem unserer Zeit heute. Wir wollen uns von niemandem mehr etwas sagen lassen, schon mal gar nicht von dem, den man im allgemeinen Sprachgebrauch „Gott“ nennt. Mit dem Wort verbindet man eine höhere Instanz, die außerhalb unserer Selbst liegt. Wir sind doch alle so autonom und wollen selbst alles entscheiden und meinen, dass wir dafür auch niemandem mehr zuhören müssen, uns niemandem gegenüber mehr rechtfertigen oder unser Gehör schenken müssten.

Deshalb ist auch die Durchschnittsdauer von Wortbeiträgen im Radio im Laufe der letzten Jahrzehnte immer kürzer geworden. Sie liegt heute bei maximal 2 Minuten. Ausnahmen bestätigen die Regel. Man hat festgestellt: Länger hören die Leute kaum hin. Sie schalten äußerlich oder innerlich ab. Als ich 1981 mein Studium begann, hieß es: Du kannst über alles predigen: Nur nicht über eine halbe Stunde. Heute heißt es: Du kannst über alles predigen, nur nicht über 10 Minuten.

Es gibt viele Kriege und viel Inhumanes auf der ganzen Welt. Einer der wesentlichen Hintergründe des Inhumanen in unseren westlichen Gesellschaften ist jedoch, dass wir keine Zeit und damit zugleich auch kein Gehör mehr füreinander haben – und für Gott erst Recht nicht! Denn Zuhören bedeutet, sich Zeit nehmen, Zeit zum Hören und Zeit zum Auseinandersetzen.

Hartmut Rosa, einer der wichtigsten und lesenswertesten deutschen Soziologen unserer Zeit, bringt seine wissenschaftlichen Ergebnisse folgendermaßen auf den Punkt: Die Geschichte der Moderne sei die Geschichte des technischen Fortschritts, aber zugleich auch die Geschichte von Beschleunigung. Aufgrund des Zeitgewinns durch den technischen Fortschritt entstehe eine Zeitnot und kein Zeitgewinn. Laut Rosa führt gleichzeitig die große Vielzahl der Möglichkeiten dazu, dass ein Mensch die ihm gegebenen Möglichkeiten nicht mehr im Laufe seines Lebens ausschöpfen kann, was zu einem einem Gefühl von Frustration und Unglücklichsein führt. Der Mensch darf oder kann sich nie ausruhen und sich nie zufriedengeben, da er sonst mit einem Verlust oder Nachteil rechnen müsse. Soweit Hartmut Rosa.

Ja, ich würde sagen: diesen unausgeruhten, gestressten, unzufriedenen Menschen, den Rosa da beschreibt, den kennen wir. Wer ihn nicht kennt, schaut nicht durch die Brille von Hartmut Rosa auf diese Welt, sondern durch eine rosa-rote !

Die Zunahme der Gewaltbereitschaft in Deutschland – nicht nur unter Jugendlichen – spricht freilich ebenso dafür, dass es so ist wie es ist. Keine Zeit und kein Hören mehr. Frustration führt zu Aggression.

Die Bibel lehrt uns, dass vor allem Sehen und Erkennen, das Hören kommt. Vor allen Erkenntnissen steht das Hören, insbesondere das Hören auf das, was die Bibel das Wort Gottes nennt, also Gottes Stimme. Nun wissen wir alle, dass die Bibel nicht vom Himmel gefallenes Wort Gottes ist, sondern Schriftstellerei mit einem langen und komplizierten Überlieferungsprozess. Aber in ihr tut sich die Stimme Gottes dennoch kund.

Und auf eine dieser zentralen Stellen möchte ich mich nun in der heutigen Predigt am Heiligabend konzentrieren.

Im Lied „Vom Himmel hoch, da komm ich her“, das uns im heutigen Gottesdienst ganze zwei Mal begegnet ist, nämlich einmal als Gemeindelied bei der Lesung und eben vom Chor gesungen vor der Predigt, heißt es im Liedtext von Martin Luther in der ersten Strophe ja aus dem Munde der Engel: „Vom Himmel hoch, da komm ich her, ich bring Euch gute neue Mär, der guten Mär bring ich so viel, davon ich sngn und sagen will.“ Mär ist die Abkürzung von Märchen. In der Tat geht es da um eine himmlische Märchenstunde. Dabei sind es keineswegs Lügenmärchen, sondern Märchen haben ja bekanntermaßen eine tiefe Wahrheit. Und es geht bei dieser himmlischen Märchenstunde insbesondere ja um eine Botschaft aus einer ganz anderen Welt, nicht aus der, in der der Mensch nur um sich selbst kreist, sondern aus der, die auf die Möglichkeiten Gottes hört und seine Perspektive auf diese Welt wahrnimmt.

Die zentrale Botschaft aus der göttlichen Welt, die  die Engel mitteilen, lautet gemäß dem Lukasevangelium, Kap. 2, Vers 14: „Ehre sei Gott in der Höhe und Frieden auf Erden den Menschen seines Wohlgefallens.“ Oder in anderer angemessener Übersetzung, wie sie noch in der ursprünglichen  Übersetzung von Martin Luther 1545 und der Version der Lutherbibel von 1912 vorzufinden war: „Ehre sei Gott in der Höhe und Frieden auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen.“

Das ist schon ein grawierender Unterschied in der Übersetzung. Es spricht allerdings alles dafür, dass die letztere Übersetzung des Verses die angemessenere ist. Die zuerst genannte Übersetzungsvariante hat aber maßgeblich Geschichte gemacht, wenn man so will.

Ich lese noch mal diese erste Übersetzungsvariante: „Ehre sei Gott in der Höhe und Frieden auf Erden den Menschen seines Wohlgefallens.“ Sie wird nicht nur rein grammatikalisch dem Griechischen nicht wirklich gerecht und ignoriert die wichtige Konjunktion „und“, die im griechischen Urtext zu finden ist. Sie ist auch die Variante, die einem am meisten Bauchschmerzen bereiten dürfte und wenig nachvollziehbar ist. Sie klingt nicht wirklich aus der göttlichen Welt kommend, sondern vielmehr aus der all zu menschlich vertrauten Welt. Sie klingt nach menschlicher Projektion. Ganz so wie Religion oft funktioniert. Da wird eingeteilt in zwei Gruppen. Nach dem Motto. Da sind die guten Gott Wohlgefälligen auf der einen Seite und da sind die Bösen auf der anderen Seite, die Gott missfallen. Nur die Guten bekommen Gottes Frieden und Gottes Gunst zu spüren. Die anderen gehen leer aus.

Nach dieser Übersetzung oder Deutung des Bibelwortes müssen sich die Menschen das Wohlgefallen Gottes bei ihm erst mal verdienen. Im schlimmsten Fall durch Kampf und Krieg und mit dem anhaftenden Siegel des „Gott mit uns“. Im Umkehrschluss ist Gott freilich dann gegen die Anderen.  Durch die menschheitsgeschichtlichen Zeiten hindurch entstand so immer wieder eine höchst unheilige Verbindung von „Gottes Wohlgefallen“ und der Erwählung eines besonderen Volkes, einer besonderen Gruppe oder der eigenen Person – natürlich bei gleichzeitigem systematischem Ausschluss aller Anderen.

Auf biblischer Linie ist diese Übersetzung nicht, denn auch die Erwählung Israels vollzieht sich nicht, weil Israel besondere Vorzüge gehabt hätte oder es so wollte, sondern weil Gott sich solidarisch zeigte mit denen, die unterdrückt waren. In der Tat erleben die Betroffenen das als Wohlgefallen. Aber es ist ebenso deutlich in der Bibel, dass sich unser Gott mit allen Leidenden dieser Welt identifiziert und nicht nur mit einem einzigen Volk oder Menschen.

Das sollten wir auch sehr deutlich bedenken in den aktuellen Diskussionen um Krieg und Frieden, Terror und Gewalt. Mir persönlich kommt das viel zu kurz.

Es ist also recht deutlich, dass diese zuerst genannte  Übersetzungsvariante unzutreffend sein dürfte bzw. unglücklich gewählt ist und eher auf menschliche Begehrlichkeiten und Interessen zurückzuführen ist als auf das, was Gott selbst will. „Gott will es so“ hieß es damals aus dem Munde des Papstes zur Legitimierung der Kreuzzüge – „Gott mit uns und gegen die Anderen“  – das ist reine menschliche Wunschprojektion, ähnlich wie es islamische Fundamentalisten heute auch behaupten und hat wenig mit dem zu tun, wie Gott in der Bibel bezeugt wird.

Und so dürfen wir uns nun der anderen stimmigeren Übersetzugsvariante widmen und diese zu uns sprechen lassen. Denn wie gesagt: Das Hören steht nicht nur in der Bibel grundsätzlich im Vordergrund, sondern sollte auch gerade an einem Tag wie Heiligabend im Vordergrund stehen, erzählt die Geburtsgeschichte Jesu doch von Botschaftern – den Engeln – und denen, die die Botschaft  hören und ihnen im wahrsten Sinne des Wortes nachgehen – den Hirten – und nicht zu vergessen auch von Josef und  Maria. Von Maria heißt es auf die Botschaft bezogen: “Maria aber behielt alle diese Worte und bewegte sie in ihrem Herzen.“

Wollen wir dem gleich tun? Ich denke ja. Jedes Jahr auf’s Neue ist diese Kirche gefüllt an Heiligabend und ich freue mich ausgesprochen darüber, weil ich denke, dass uns alle die Sehnsucht verbindet, etwas aus dieser anderen göttlichen Welt hören zu wollen und mitzunehmen, was uns das Jahr über tragen kann. Manche fragen: „Wo sind die Vielen das übrige Jahr über?“ Ich sage: da sind sie nicht da, weil sie vermutlich die ganze Zeit über von der Botschaft der einen Nacht zehren.

Also hören wir: „Ehre sei Gott in der Höhe und Frieden auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen.“ In meiner Beschäftigung mit dieser den  Hirten und uns zugesprochenen Botschaft, ist mir das vielleicht wichtigste Wort in dem Satz aufgefallen. Und dieses Wort sollte uns heute besonders nachdenklich machen. Ich meine das Wort „und“.

Jawohl richtig gehört. Alle drei Dinge: Die Ehre oder Ehrung Gottes, so wie der Frieden und das Wohlgefallen der Menschen sind mit dem Wort „und“ verbunden, was sagen will und soll: Das eine geht nicht ohne dem Anderen. Es ist eine Einheit. Gott die Ehre zu geben, ihn zu sehen und zu respektieren, ihm in meinem Denken und Herzen Raum machen, geht nur zusammen oder einher mit Frieden und Wohlgefallen der Menschen. Und Frieden und Gerechtigekeit geht ebenso nur zusammen, denn Wohlgefallen bedeutet nichts Anderes als Gerechtigkeit. Gerechtigkeit in dem Sinne, dass jeder Mensch Genüge hat – und nicht die einen Alles haben und die Anderen nichts. Wo keine Gerechtigkeit, kein Wohlgefallen, da kein Frieden, sondern allenfalls Krieg und Flucht.

Dieses Wort „und“ müssen wir heute in unserem Glauben beherzigen und in aller Konsequenz zuende denken, uns bewusst machen, was das eigentlich heißt.

Es heißt Gott ist die Quelle für unseren Frieden. Wenn wir den Kontakt zu Gott in unseren Herzen bewahren, dann bewahren wir gesellschaftlichen Frieden, sowohl in unserem Land als auch zwischen den Staaten und Nationen.

Dass immer wieder versucht wird, das Wort „Gott“ aus unserer Staatsverfassung zu streichen und dass heute unzählige Menschen aus der Kirche austreten und auch konkret aus unserer Gemeinde, ist nicht nur schmerzlich für die, die auf Gott hören wollen und Christus aufrichtig in unserer Kirche und Gemeinde zusammen nachfolgen wollen, sondern ist auch ein Armutszeugnis unserer westlichen Kultur. Es zeigt die Enfremdung von Gott, die im Vollzug ist. Laut Umfragen wissen die Leute kaum noch, was Weihnachten und was Ostern bedeutet und die Wenigsten kennen noch die 10 Gebote auswendig. Viele machen sich auch nicht bewusst, warum „Gott“ als Begriff im Grundgesetz steht. Weil die Nationalsozialisten die Ehre Gottes und die Würde, den Frieden und das Wohlbefinden der Menschen mit Füßen getreten haben und nur der Respekt vor Gott den Respekt vor menschlichem Leben garantiert.

Der franzöische Schriftsteller und Existenzphilosoph Albert Camus hat genau aus diesem Grund einmal gesagt: „Wenn es keinen Gott gäbe, müsste man ihn erfinden“. Die Bewusstmachung Gottes, der Respekt vor ihm, die Ehrerbietung, ja, das Eintauchen in einen Dialog mit dem, was wir Gott nennen, in die himmlische Welt, soll uns auf Abstand bringen zu unseren menschlichen Anmaßungen und Allmachtsfantasien jedweder Spielart und Menschenleben auf diese Weise schützen. Es soll uns vielmehr unsere Begrenztheit vor Augen führen und uns Demut lehren, damit diese Schöpfung und die eine Welt eine Zukunft haben.

Es gilt von daher, dem Engelruf Folge zu leisten und wieder in Tuchfühlung zu kommen mit dem, was wir Gott nennen. Die Geburtsgeschichte erzählt davon, dass Gott sich von sich aus zu uns begibt, weil wir uns mit dem umgekehrten Weg wohl immer wieder schwer tun. Die Engel sagen: „Euch ist heute der Heiland geboren“. Heil und Heilung kommen nicht mit menschlicher Hybris in die erlösungsbedürftige Welt oder durch eine wie auch immer geartete Ideologie oder unmenschliche Bürokratie, wohl aber mit göttlichem Funken, mit Achtsamkeit für den göttlichen Funken in unserem Herzen und für unsere Mitmenschen. Ich kann zu euch nicht sagen: „Kommt öfters in die Kirche, wenn Ihr mit Gott und Christus Kontakt haben wollt“, aber ich kann, will und muss sagen: „Überlegt selbst, in welchem Kontakt Ihr mit ihm seid und wieviel Ihr von ihm braucht und was Ihr dazu braucht. Denn wer und was in unserem Herzen wohnt, bestimmt letztlich, wo es in unserem Leben lang geht und wie es gestaltet ist. Martin Luther hat gesagt: Gott ist das, woran ich mein Herz hänge.“ In diesem Zusammenhang scheint es mir übrigens wichtiger und profunder zu sein, Gott selbst die Ehre zu erweisen als wie irgendwelchen Weihnachtsbäumen, wie etwa von Friedrich März für eine christliche deutsche Leitkultur propagiert. Einen Weihnachtsbaum in einem heimeligen Zuhause haben im Übrigen weder Maria und Josef noch die Hirten gehabt.

Wenn wir dem Engelruf Folge leisten heißt das automatisch auch, mich für den Frieden und die Gerechtigkeit, also das Miteinander mit den Anderen stark zu machen, auch mit den Unfriedlichen, Hasserfüllten oder sogenannten Wutbürgern – was für ein Unwort! Bei dem Apostel Paulus heißt es noch: Unsere Heimat ist im Himmel. Wir sind alle Himmelsbürger. Für mich gibt es nur Himmelsbürger und keine Bürger zweiter Kategorie, die von der Gesellschaft auszuschließen oder zu brandmarken wären, wie etwa sogenannte Wutbürger.

Die große Aufgabe unserer Kirchengemeinden und der Christen in unserem Land und außerhalb unseres Landes ist es, Menschen wieder miteinander ins Gespräch zu bringen und wieder zu lernen einander zuzuhören. Dazu dürfen wir uns von den Engeln anstiften zu lassen.

Und da möchte ich noch mal den Soziologen Hartmut Rosa zu Wort kommen lassen. In einem erst jüngst erschienenen kleinen Essay spricht er in die aktuellen gesellschaftlichen Verhältnisse hinein. Dort schreibt er: „Demokratie bedarf eines hörenden Herzens, sonst funktioniert sie nicht. Ein solches hörendes Herz fällt aber nicht vom Himmel, überhaupt ist diese Haltung in einer Aggressionsgesellschaft besonders schwer einzunehmen.“ Und er fährt fort: „Meine These lautet, dass es insbesondere die Kirchen sind, die über Erzählungen, über Riten , Praktiken und Räume verfügen, in denen ein hörendes Herz eingeübt und eben auch erfahren werden kann.“

Für die Hirten ist es durch die Botschaft der Engel in ihrem Leben hell geworden und sie haben diesen Schein weiter getragen, so dass es auch für andere hell wurde. Und wir dürfen darauf vertrauen, dass es auch bei uns hell wird, wenn wir Hörende bleiben oder werden.

So, ich habe mich nicht an die Regel gehalten. Das waren jetzt eindeutig über zehn Minuten. Aber manchmal ist der Regelverstoß das einzig Richtige, was zu tun ist. Insbesondere, wenn Gott selbst unsere menschlichen Regeln durchbricht. Amen