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Predigt für Sonntag, 16.05.2021

Predigt am 16. Mai 2021 (gehalten von Pfarrer Dr. Gerhard Wenzel in der Versöhnungskirche in Rath-Heumar und der Auferstehungskirche in Ostheim)

Die Gnade und der Friede Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. Amen

Liebe Schwestern und Brüder in Christus,

„Dat Wasser von Kölle is jut“ so heißt es in einem Lied der Bläck Fööss mit dem gleichnamigen Titel. Es stammt von 1982. Schon vor fast 40 Jahren haben sie sich in diesem humoristischen Lied mit der Wasserverschmutzung und Wasserknappheit auseinandergesetzt – lange vor Greta Thunberg und der “Friday for Future”-Bewegung.

Und in der Einleitung zu dem Lied hört man die Stimme Gottes sprechen. Und ganz in Entsprechung zur biblischen Schöpfungsgeschichte und der Geschichte von Adam und Eva heißt es dort im Lied:

„Als unser Vatter do bovven de Welt jemaat,
do hät hä et schönste Fleckche Ääd he an d’r Rhing jelat.
Dann nohm hä die Kölsche an de Hand un sat:
Dat es jetz üch – et jelobte Land.
He künnt ehr klüngele, bütze, singe un fiere,
ävver halt mer all die Sache
öm Joddeswille en Ihre,
un maat och nit nur ei Deil dovun kapott,
denn ihr weßt, ich sin alles,
un dann nemm ich et üch widder fott.“

Ich hoffe, Ihr habt das Wesentliche trotz meines schlechten Kölsch verstanden:

Als Gott die Welt erschaffen hat, hat er auch das schöne Fleckchen Erde hier in Köln geschaffen und die Kölner an die Hand genommen, es ihnen gegeben und gesagt: Hört, Ihr könnt hier alles machen. Ihr könnt hier zusammen Spass haben, Küsschen geben, singen und feiern. Aber haltet mir die Sachen um Gottes Willen in Ehren. Und macht bloß nicht nur irgendeinen Teil davon kaputt. Denn Ihr wisst: ich sehe alles. Und dann nehme ich es Euch wieder weg.

Wir wissen, dass die Wasserqualität des Rheins inzwischen besser geworden ist. Aber grundsätzlich ist Wasser heute ein knapperes Gut in der Welt als je zuvor.

Als ich vor zwei Jahren das erste Mal in meinem Leben in Ägypten war, konnte ich wahrnehmen wie ganz Ägypten nur von einem einzigen Fluß lebt, dem Nil. Das Land, wo so viel Wüste ist, lebt von diesem Fluß. Wenn man eine Fahrt durch Ägypten macht, dann fährt man durch ewige Wüstenabschnitte, wo außer Straßen nichts als karge Landschaft zu sehen ist. An den Rändern des Nils hingegen ist es grün. Dort wachsen und gedeihen Bäume, Korn, Gemüse und andere Nutzpflanzen. Der Bau des Staudamms in Athiopien, das genauso wie Ägypten auf Wasser zum Leben angewiesen ist, führt zwischen den beiden Ländern zu riesigen Konflikten, denn in Ägypten führt der Nil dadurch entsprechend weniger Wasser.

Längst versuchen auch die nordafrikanischen Länder sich im wahrsten Sinne des Wortes gegenseitig das Wasser abzugraben, das unter der Erde liegt. Und es gibt viele Wissenschaftler, die sagen, dass in und für die Zukunft der Welt die Kämpfe um das Wasser weit entscheidender sein werden als die Kämpfe um das ÖL.

Alles Leben kommt vom Wasser. Im für den heutigen Sonntag vorgesehenen Predigttext begegnet uns auch Wasser und dort ist dieses Bewusstsein ebenso vorausgesetzt: Wasser ist ein knappes kostbares Gut und es ermöglicht Leben. Das war im Alten Israel zur Zeit Jesu nicht anders. Ja, es war gewiss noch knapper. Umso deutlicher war aber auch seine lebenspendende, segnende Wirkung zu sehen und zu erfahren.

Hören wir zunächst die Verse aus dem Johannesevangelium. Sie sind einem längeren Abschnitt entnommen, wo erzählt wird, dass Jesus am sogenannten Laubhüttenfest teilnahm. Klar, denn Jesus war Jude. Es ist ein jüdisches Fest, das in Israel seit altersher gefeiert wurde. Es ist ein einwöchiges Erntedankfest im Herbst, bei dem das Wasser eine große Rolle spielt. Am Ende der Trockenzeit betete man um genügend Regen für das neue Erntejahr. Das Besondere an diesem Fest ist, dass es in Israel schon immer mit einer Erinnerung an die Wüstenwanderung und den Auszug aus Ägypten verbunden wurde. Die Erinnerung an die Wüstenwanderung wird durch durch besondere Wasserschöpfungsriten aufgefrischt, bei denen man sich erzählte, wie Gott damals sein Volk wunderbar mit Wasser versorgt hatte.

Und Laubhüttenfest heißt dieses Erntedankfest deshalb, weil die Juden in Erinnerung an den Auszug aus Ägypten, als das Volk Israel in provisorischen Behausungen wohnte, jedes Jahr dort, wo sich Platz dafür bietet – im Garten, im Hof, auf dem Parkplatz, Balkon oder Dach – eine Sukka – eine mit Ästen, Stroh oder Laub gedeckte Hütte herrichten, die unter freiem Himmel stehen muss. In ihr werden, wenn es das Wetter erlaubt, die Mahlzeiten während der siebentägigen Dauer des Festes eingenommen; gemäß den biblischen Vorgaben übernachten auch viele Juden in diesen Tagen in dieser Laubhütte.

Jesus nahm der Erzählung im Johannesevangelium nach also an diesem wunderschönen Fest Teil und dann lesen und hören wir in Kap. 7, Verse 37-39 Folgendes: „Am höchsten Tag des Festes trat Jesus auf und rief: Wen da dürstet, der komme zu mir und trinke! Wer an mich glaubt, von dessen Leib werden, wie die Schrift sagt, Ströme lebendigen Wassers fließen. Das sagte er aber von dem Geist, den die empfangen sollten, die an ihn glaubten; denn der Geist war noch nicht da; denn Jesus war noch nicht verherrlicht.“ Amen

Liebe Schwestern und Brüder in Christus,

der letzte Vers macht klar, dass dies eine vorweggreifende Einladung ist; das heißt, sie schaut über das Kreuz hinaus hin zur Verherrlichung Christi im Himmel. Das heißt: es ist ein Ausblick auf Pfingsten, denn bei seiner Wolkenreise zu Gott, hörten wir jetzt erst vor wenigen Tagen zu Himmelfahrt, spricht er den Jüngern den Empfang des Heiligen Geistes zu. Sie werden also nicht allein bleiben, sondern ganz erfüllt sein vom Geist Gottes, mit dem Christus innerlich verbunden ist.

Jesus oder der Schreiber des Johannesevangeliums greifen hier also das Bild vom Wasser, ja vom „lebendigen Wasser“ auf, was uns im Johannesevangelium bereits an anderer Stelle begegnet. Nämlich bei der Erzählung von der Begegnung Jesu mit einer fremden Frau an einem Brunnen. Juden und Samaritaner sprachen nicht unbedingt miteinander, ein bisschen so ähnlich oder besser gesagt schlimmer als Kölner und Düsseldorfer, denn bei denen ist das ja nur Spaß, aber im Blick auf Juden und Samaritaner war das bitterer Ernst. Auch, dass ein Mann eine Frau in der Öffentlichkeit ansprach, war eher ungewöhnlich und verpönt. Und die Samaritanerin reagierte entsprechend auf Jesus: „Wie, du, ein Jude, erbittest etwas zu trinken von mir, einer samaritanischen Frau.“ „Denn die Juden haben keine Gemeinschaft mit den Samaritern“, heißt es dann im Text und „Jesus antwortete und sprach zu ihr: Wenn du erkenntest die Gabe Gottes und wer der ist, der zu dir sagt: Gib mir zu trinken!, du bätest ihn, und er gäbe dir lebendiges Wasser.

Lebendiges Wasser – es ist klar, dass damit nicht das Wasser aus diesem Brunnen gemeint war. „Lebendiges Wasser“ steht in der Bibel für den Anbruch der Heilszeit – einer heiligen und heilenden Zeit – für den Anbruch von Gottes Gegenwart unter uns Menschen – kurz für den Heiligen Geist, den Geist Gottes, der unter uns am Werke ist. Im Prophetenbuch Joel ist Wasser bildlich mitgedacht, wenn Gott dort mit den Worten zu hören ist: ” Ich werde meinen Geist ausgießen  über alles Fleisch. Da werden eure Söhne und eure Töchter Visionen haben, und eure Alten werden Träume haben.“

Wenn Jesus also sagt: „Wen da dürstet, der komme zu mir und trinke! Wer an mich glaubt, von dessen Leib werden, wie die Schrift sagt, Ströme lebendigen Wassers fließen.“, dann sieht er sich selbst als Teil einer Hoffnungsgeschichte Gottes mit dem Volk Israel und mit den Menschen. Ja, er stellt sich förmlich in sie hinein und gibt den Jüngern, die ohne seine leibliche Anwesenheit hier auf Erden weiter leben werden müssen, einen ungeheuer starken hoffnungsvollen Ausblick: Gottes Geist, der wie eine ewige Wasserquelle ist, wie lebendiges Wasser, das da strömt und strömt.

Ich erwähnte bereits, dass die Juden beim Laubhüttenfest die Erinnerung an Gottes Fürsorge bei der Wanderung durch die Wüste im wahrsten Sinne des Wortes mit rituellen Wasserschöpfungen auffrischen. Nicht nur das. Die Symbolhandlungen und Lesungen aus der Bibel machen das Wasser auch zum Symbol für die kommende Heilszeit, für die Zeit, die noch aussteht. Dann, so glaubt man, wird sich niemand mehr um genug Wasser sorgen müssen. Die Quelle des Lebens wird dann übersprudeln, weil Gott alles zum Guten gewendet haben wird.

Auch Jesus lenkt mit seinen Worten den Blick der Jünger und damit auch unseren nach vorn, auf das, was von Gott aus noch alles kommen kann und kommen wird.

Das ist doch ein ungeheuer starkes und positives Bild, was da aus diesem Geist Gottes alles kommen wird – dieses strömende, lebendige Wasser: „Wer an mich glaubt, von dessen Leib werden, wie die Schrift sagt, Ströme lebendigen Wassers fließen.“ Endlich mal positive Worte über die, die Christus nachfolgen und nicht Negativschlagzeilen. Endlich mal nicht ständig die Rede von Kirchenskandalen und Austritten und Finanzknappheit und Entfremdung der christlichen Kultur usw. Endlich mal die andere Wirklichkeit. Die Wirklichkeit, aus der heraus wir als Christen schöpfen und leben. Die Wirklichkeit Gottes. Sie gibt uns Kraft als Christen die Dinge zu tun, die wir aus dem Gauben heraus tun. Ja, tatsächlich, diese Ströme lebendigen Wassers, die aus uns hervorgehen, gibt es doch. Ja, es gibt unzählige Beispiele dafür, wo und wie wir für andere Menschen zu Strömen von lebendigem Wasser geworden sind, konkrete Hoffnung zum Leben geben konnten. Nicht nur in zahllosen ermutigenden Gesprächen, in der Seelsorge und bei Trauerfeiern und ähnlichen Wegbegleitungen in Krisenmomenten. Nein, auch durch unser ganzes soziales diakonisches Handeln vor Ort, in der Gemeinde und in der Welt und auch in unserer gemeindeeigenen Kindertagesstätte. Da lässt ja der Ort schon hoffen bzw. verweist auf diese Hoffnung: “Im Wasserblech”.

Und in der weiten Welt? „Wer an mich glaubt, von dessen Leib werden, wie die Schrift sagt, Ströme lebendigen Wassers fließen.“ In wissenschaftlichen Kommentaren zu dieser Textstelle  ist überall zu lesen, dass es in der Schrift, also im Alten Testament, gar keine solche Textstelle gäbe, auf die sich Jesus hier bezieht. Mit anderen Worten müsste dann also entweder Jesus oder der Evangelienschreiber gelogen haben, wenn es heißt: „wie die Schrift sagt“.

Schon die bisherigen genannten biblischen Bezüge haben gezeigt, wie schlecht Wissenschaftler manchmal offenbar ihre Bibel zu kennen scheinen und wie dumm sie in Wirklichkeit sein können oder wie sehr sie sich irren können.

Noch deutlicher wird das allerdings bei der Bibelstelle, auf die Jesus oder der Schreiber des Johannesevangeliums sich hier am ehesten beziehen dürften, also nicht nur auf die bereits erwähnte Stelle aus dem Prophetenbuch Joel usw., sondern vor allem auf die Stelle aus dem Buch Amos. In diesem Prophetenbuch heißt es in Kapitel 5, Vers 24 wortwörtlich: „Es ströme aber das Recht wie Wasser und die Gerechtigkeit wie ein nie versiegender Bach. Der Prophet Amos konfrontiert mit diesem Bild Israel und unsere globalisierte Welt von heute mit dem Wahr-werden und der Wirklichkeit von Gottes Gerechtigkeit. Gottes Geist im Sinne von Gottes Gerechtigkeit fließt wie ein Wadi oder der Nil in die Wirklichkeit von Gesellschaft, Kirche, Stadt, Land und Staat – gerade angesichts der globalen wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen – fließt er wie ein Wadi, das unerwartet und unvorhersehbar Wasser führt und die Wüste binnen weniger Tage zu einem Ort des Lebens macht.

Kirche muss sich deshalb immer wieder auf die Seite der Menschen stellen, die Ungerechtigkeit und Benachteiligung erfahren und sie tut es auch in Wort und Tat – das sind die Ströme lebendigen Wassers, von denen Jesus spricht und von denen Amos spricht

Brot für die Welt setzt sich mittlerweile seit einer ganzen Reihe von Jahren in der weiten Welt in vielen Projekten besonders im Kampf gegen Wassermangel und zur nachhaltigen Versorgung mit Wasser ein.

Die Bäuerin Bibata Kindo, die in Burkina Faso lebt,  weiß, wie wichtig ausreichend Wasser für die Landwirtschaft ist: „Mit Setzlingen ist es wie mit Kindern. Wenn sie ganz klein sind, brauchen sie am meisten Zuwendung.“ Deswegen ist die 27-Jährige schon morgens um 5 Uhr mit zwei Gießkannen auf dem Feld, um die jungen Pflanzen mit dem lebensnotwendigen Nass zu versorgen. Die junge Frau kennt auch andere Zeiten – als es an Wasser mangelte und von Vielfalt auf dem Acker keine Rede sein konnte. Doch die harten Zeiten sind erst einmal vorbei. Die Bäuerin erklärt: „Zwiebeln, Kartoffeln, Mais, dazu Tomaten und anderes Gemüse: Seitdem wir Wasser haben, wächst hier alles.“ ARFA, eine Partnerorganisation von Brot für die Welt, trug zu dieser neuen Vielfalt auf dem Feld bei.

Mathieu Savadogo, der Direktor von ARFA, fasst es für sein Land so zusammen: „Ob es den Menschen hier gut geht oder schlecht, hängt vor allem vom Wasser ab.“ Burkina Faso liegt in der Sahelzone, die bekannt ist für häufige und lange Dürren. Die meisten Menschen leben auf dem Land. Dort bauen sie vor allem Hirse und Mais an. Doch der Klimawandel macht den Bauern immer häufiger einen Strich durch die Rechnung. Früher fiel in der Regenzeit genug Niederschlag, nun häufen sich Dürren. Für Mathieu Savadogo ist es wichtig, jetzt zu handeln: „Wir müssen den Regen besser nutzen, damit die Menschen auch in der Trockenzeit genügend Wasser für Haus und Hof zur Verfügung haben.“ Genau das setzen Savadogo und sein Team von ARFA jetzt auf dem Land in Burkina Faso um: Sie unterstützen Bauernfamilien beim Bau von Brunnen und Regenwassertanks. So auch im Dorf Diamdiara. Früher lag der nächste Brunnen weit entfernt und war oft kaputt oder ausgetrocknet. Heute haben die Dorfbewohner eigenes Wasser.

Warum erzähle ich das so ausführlich? Weil hier mit den Händen zu greifen ist, wie das lebendige Wasser strömt und wie Christen zur Hoffnung in dieser Welt beitragen. Wir brauchen als Kirche und gläubige Menschen mehr von diesem Blick auf das gelingende Strömen des Wassers statt der Klage, was alles schief läuft oder den Abgesang auf Kirche und Gesellschaft.

Wer bei Christus seinen Durst nach Leben löscht, bekommt so viel Lebenskraft und Hoffnung, dass es auch für andere reicht: “… aus seinem Innern wird lebendiges Wasser strömen”. Von ihm bekommen wir so viel Wasser zum Leben, soviel Kraft, soviel Hilfe, soviel Mut, dass wir es gar nicht für uns behalten können. Es löscht nicht nur unseren Durst nach Leben, sondern reicht auch noch zum Weitergeben. Wenn wir anderen Mut machen, anderen Hoffnung geben, uns für andere einsetzen, mit anderen Geduld haben, uns um andere kümmern – dann fließt etwas von dem Wasser des Lebens auch an sie weiter. Und wenn wir ihnen vielleicht irgendwann im Gespräch auch noch sagen können: Du, ich bin so oder ich tue das, weil die Liebe Jesu mich trägt und weil ich etwas davon weitergeben möchte … warum sollten dann nicht auch unsere Mitmenschen Christus als die Quelle ihres Lebens entdecken können?

Jesus lädt uns ein: »Wer durstig ist, soll zu mir kommen und trinken – jeder, der mir vertraut!“ Amen.