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Predigt über Maria Magdalena zum 17.07.2022

Lesung: Joh. 20, 1-18
Aus dem Evangelium nach Johannes, Kapitel 20
Übersetzung der Bibel in gerechter Sprache

1 Am ersten Tag nach dem Sabbat kam Maria aus Magdala früh, als es noch dunkel war, zum Grab und sah, dass der Stein vom Grab weggenommen war.
11 Maria aber stand draußen vor dem Grab und weinte. Als sie weinte, beugte sie sich in das Grab hinein
12 und sah zwei Engel in weißen Kleidern dasitzen, einer am Kopf und einer an den Füßen, wo der Körper Jesu gelegen hatte.
13 Sie sagten zu ihr: “Frau, warum weinst du?” Sie sagte zu ihnen: “Sie haben meinen Rabbi fortgenommen, und ich weiß nicht, wo sie ihn hingebracht haben.”
14 Als sie dies gesagt hatte, drehte sie sich um und sah Jesus dastehen, aber sie wusste nicht, dass es Jesus war.
15 Jesus sagte zu ihr: “Frau, warum weinst du, wen suchst du?” Sie dachte, dass er der Gärtner wäre, und sagte zu ihm: “Herr, wenn du ihn weggetragen hast, sage mir, wo du ihn hingebracht hast, und ich werde ihn holen.”
16 Jesus sagte zu ihr: “Maria!” Sie wandte sich um und sagte zu ihm auf hebräisch: “Rabbuni!” – das heißt Lehrer.
17 Jesus sagte zu ihr: “Halte mich nicht fest, denn ich bin noch nicht zu Gott, meinem Ursprung, aufgestiegen. Geh aber zu meinen Geschwistern und sage ihnen: Ich steige auf zu meinem Gott und eurem Gott, zu Gott, die mich und euch erwählt hat.”
18 Maria aus Magdala kam und verkündete den Jüngerinnen und Jüngern: “Ich habe Jesus den Lebendigen gesehen.”

Predigt zu Maria Magdalena

Die Gnade Jesu Christi und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen.
Amen

Liebe Gemeinde,
heute beschäftigen wir uns in der Predigtreihe „Wollen Sie mich kennenlernen“ zu biblischen Persönlichkeiten, die in diesen Wochen des Jahres ihren Gedenktag haben, zum ersten Mal mit einer Frau.
Denken wir an Frauen in der Bibel, kommt uns ein Name, der Name „Maria“ wohl ganz schnell in den Sinn (auch wenn wir evangelisch sind). Ja, Maria war ein gebräuchlicher Name, damals wie heute.

Maria ist die griechische Form des hebräischen Mirjam, das sich aus „mir“ für „bitter“ und „jam“ für Meer zusammensetzt, was vielleicht einen Sinn ergibt, wenn man daraus „Meerestropfen“ oder „Meeresstern“ macht.
Andere Ableitungen könnten „Die Widerspenstige“ daraus übersetzen.
Bereits im Alten Testament finden sich zwei Trägerinnen dieses Namens: Mirjam, Schwester des Mose und Prophetin, und eine ansonsten unbekannte Frau des Stammes Juda, die in einer Genealogie des Buches 1. Chronik erwähnt wird.
Im Neuen Testament erscheint der Name Maria in den Evangelien und der Apostelgeschichte, es gibt Maria die Mutter Jesu, Maria von Magdala und die Maria des Kleophas sowie noch eine weitere Maria.
Wir schauen heute auf Maria Mafdalena, oder auch: Maria aus Magdala.
Augenblicklich wird klar: Magdalena ist kein zweiter Name oder Nachnahme, sondern eine Herkunftsbezeichnung.
Magdala (hebräisch „Migdal“ d.h. „Turm“) war zu Jesu Zeiten eine bedeutende Stadt an der Westküste des Sees Genezareth, etwa 6 km von Tiberias entfernt, bekannt durch ausgezeichnete gesalzene Fische und einen reichhaltigen Markt. Magdala wird in der Bibel 11 Mal im Zusammenhang mit unserer Maria erwähnt, die als frühe Anhängerin oder eine der ersten Jüngerinnen gilt.
Heute gibt es dort Ausgrabungen, u.a. einer Synagoge aus dem frühen ersten Jahrhundert, eine moderne Kirche und ein Restaurant das den Namen „Magdalena“ trägt.

Die Evangelien, Apostelgeschichte und Paulusbriefe der Bibel machen- zum Teil in Nebensätzen und Randbemerkungen, aber dennoch immer wieder deutlich, dass Frauen im Geiste Jesu zusammen mit Männern frei und partnerschaftlich den Christusglauben lebten und für seine Ausbreitung wirkten. Unter ihnen ist Maria Magdalena die Einzige, die in allen Evangelien erwähnt wird und die bei Tod und Auferstehung Jesu eine wichtige Rolle spielt.
Den Text dazu haben wir in der Lesung gehört.

Nun ist seit dem Kirchenjahr 2018/2019 ist in allen Gliedkirchen der EKD eine neue Ordnung gottesdienstlicher Texte und Lieder in Kraft getreten, und darin zwei biblisch verwurzelte Gedenktage aufgenommen worden, die in der evangelischen Tradition zuvor keine Bedeutung hatten, darunter eben der 22. Juli als Tag der Maria Magdalena.
Als Grund für die Aufnahme des Tages der Maria Magdalena wird die Ökumene angegeben, und darin die unterschiedliche Rezeptionsgeschichte dieser Frau innerhalb der Ost- und Westkirche und ihre Ernennung zur „Apostelin der Apostel“, in der Ostkirche gang und gäbe, in der westlichen katholischen Tradition 2016 durch Papst Franziskus so benannt und somit den zwölf Jüngern gleichgesetzt.
Das war ein „Paukenschlag“ innerhalb der römisch-katholischen Tradition, dessen Hall – so sagen Vertreterinnen der Initiative „Maria 2.0“ leider die Kirche immer noch nicht durchdrungen hat, so dass an Frauenbild und Frauenrechten immer noch gearbeitet werden muss.

Betrachten wir das Frauenbild in der Bibel und unserer christlichen Tradition, müssen wir leider sagen: Manches ist da immer noch auf dem „alten Stand“.
Frauen sind gute Zuhörerinnen, Dienerinnen, Fürsorgerinnen, in der Regel schweigend, das Urteil von Männern hinnehmend, Ungerechtigkeiten duldend, waren seelsorgerlich und karitativ tätig, waren Diakoninnen, Dienerinnen.
Werden Begegnungen von Jesus und Frauen geschildert, wird allerdings auch deutlich, dass dieser Jesus sich teilweise auf unerhörte und andere Weise einer Frau näherte oder die Nähe einer Frau zuließ.
Das Unerhörte und Besondere verschmilzt „sagenumwoben“ in einer Person, in der Person der Maria Magdalena, so dass diese im Laufe der Überlieferungsgeschichte und bis heute zu einer schillernden Persönlichkeit wird.
Und wer ist sie nun wirklich?

Die früheste Erwähnung von Maria Magdalena findet sich im Lukasevangelium, das uns berichtet, dass außer den zwölf Jüngern auch einige Frauen Jesus begleitet haben. Maria Magdalena, aus der Jesus sieben Dämonen ausgetrieben hatte, wird hier namentlich genannt. (Lk 8). Maria Magdalena war also zu Beginn ihrer Jüngerschaft eine Bedürftige, die aufgrund einer Heilungserfahrung zu einer Anhängerin Jesu wird. Hier unterscheidet sich der Beginn der Jüngerschaft von dem der uns bekannten Zwölf, die von ihrem Beruf weg und aus ihrer Familie heraus zur Nachfolge „gerufen“ wurden.
Wird nun Maria Magdalena als eine mit 7 Dämonen belastete Frau beschrieben, deutet die Zahl „sieben“ auf eine schwere und langwierige Krankheit hin. Die Wortwahl „Dämonen“, lässt auf eine psychische Erkrankung schließen, es könnte sich z.B. um Depressionen handeln, die damit einhergehen, dass man nicht essen kann (1) oder aufstehen will (2) , nicht sprechen möchte (3), keine Körperpflege betreibt (4), nicht schlafen kann (5), Angstzustände hat (6), geräuschempfindlich ist (7) – schon sind 7 Dämonen beisammen.

(Die Theologin Hanna Strack hat einmal gesagt, die 7 Dämonen könnten heute sein: Die Macht des Geldes / Die Macht des Mode- und Schlankheitsideals / Die Macht der Sinnlosigkeit und Leere / Die Macht der Angst / Die Macht der Gewalt / Die Macht der Umweltvernichtung / Die Macht der Lieblosigkeit.)

Maria gehörte anschließend zu einer Gruppe von Frauen, die Jesus nachfolgten, und für den Unterhalt des Wanderpredigers und seiner „mathetai“ = Schüler-Gruppe (Männer) sorgten. Das taten sie, indem sie materiell unterstützten, also für die Reisen und Unterkünfte Geld gaben. Sie muss eine unverheiratete (sonst hieße sie: Maria von Magdala, Frau des ……) und wohlhabende Frau gewesen sein, die für sich selber und andere dazu sorgen konnte.
Mit Jesus und den Jüngern zog auch unsere Maria nach Jerusalem, zusammen mit zwei anderen Frauen flüchtete sie aber nicht wie die anderen Jünger, sondern blieb bei der Kreuzigung und dem Sterben Jesu dabei (Mt 27, 55 – 56).
Maria war an der Kreuzabnahme Jesu beteiligt und verharrte nach der Grablegung durch Josef von Arimathia weinend am Grab (Mt 27, 61; Joh. 20, 11).
Sie ging dann am Morgen nach dem Sabbat zusammen mit zwei anderen Frauen zum Grab, um den Leichnam Jesu einzubalsamieren; diese wurden dann die ersten Zeuginnen des leeren Grabes und der Botschaft des Engels: Erschrecket nicht! Er ist nicht hier, er ist auferweckt worden (Mk 16, 6) und erhielten den Auftrag, dieses den sich versteckt haltenden Jüngern zu berichten (Mk 16, 7).

Alle vier Evangelien berichten, dass sie mit anderen Frauen das leere Grab mit wohlriechenden Ölen aufsucht. Die Evangelisten Markus, Matthäus und Johannes berichten, dass sie die erste ist, die eine direkte Begegnung mit dem Auferstandenen hat.
Wenn Maria Magdalena genannt wird, dann immer als erste in der Rangfolge der Frauen. Sie muss so etwas, wie eine Führungsrolle unter den Frauen inne gehabt haben.
Das Johannesevangelium schildert am ausführlichsten die Begegnung mit dem Auferstandenen. Maria Magdalena wird von Jesus beim Namen gerufen und erkennt ihn daran als ihren Rabbi. Beim Namen genannt zu werden, bedeutet zu den Vertrauten zu den „Seinen“, wie die Bibel sagt, zu Jesus zu gehören. „Ich habe den Herrn gesehen“(Joh 20,18) bezeugt sie vor den Jüngern.

Nach diesem Auferstehungszeugnis wird sie in der Bibel nirgends mehr namentlich erwähnt. Wir erfahren nur noch einmal in der Apostelgeschichte, dass die Jünger nach der Himmelfahrt Jesu zusammen mit „den Frauen“(Apg 1,14) einmütig im Gebet in Jerusalem im Obergemach verharrten. Bis das Pfingstereignis sie in aller Welt Jesus den Auferstandenen verkünden ließ.
So weit der biblische „Befund“ über Maria Magdalena.

Zunächst gibt es darüberhinaus einige nicht zum biblischen Kanon zählenden Schriften, sog. Apokryphen, die von Maria Madalena erzählen. Im Philippusevangelium wird Maria Magdalena als Gefährtin Jesu bezeichnet. Allerdings ist diese Passage nur unvollständig erhalten. Das Thomasevangelium (von dem bereits am dem Apostel Thomas gewidmeten Sonntag die Rede war) berichtet von einer scharfen Auseinandersetzung zwischen Simon Petrus und Maria Magdalena, bei der Jesus sich auf ihre Seite stellt. Wohl um 160 entstand das ihr selbst zugeschriebene Evangelium mit Gesprächen zwischen dem Auferstandenen und seinen Jüngerinnen und Jüngern. Maria Magdalena besitzt danach ein besonderes Vertrauen zu ihrem Erlöser und kennt besondere Offenbarungen. In der Pistis Sophia, einem der wichtigsten gnostischen Texte, ist Maria Magdalena eine religiöse Diskussionspartnerin Jesu, eine, die die Lehre Jesu und Lehre von Gott verstanden hat.

Dennoch fragt man sich dann, warum diese Frau dann in der christlichen Kunst, in weltlicher Dichtung, in Filmen bis hin zu Hollywood Blockbustern als verführerische, leicht bekleidete oder gar nackte Schönheit dargestellt wird, als Geliebte oder Gefährtin Jesu oder gar als Ehebrecherin oder Hure gilt, die den Weg zu Jesus gefunden hat?
Im 6. Jahrhundert ist es Papst Gregor I., der die Jüngerin Maria Magdalena mit anderen Marienfiguren oder namenlos bleibenden Frauengestalten der Bibel ver¬mischte. So geht es um die Frau, die Jesus die Füße wusch (Lk 7,36-50) und die als Sünderin oder gar ehemalige Prostituierte betitelt wird. Oder um Maria von Betanien, die Jesus mit kostbarem Öl salbt, was Judas für eine Verschwendung hält (Joh. 12,3). Legenden einer Maria aus Ägypten fließen mit ein, die als reuige Sünderin als Eremitin in Askese lebte.
Aber seien wir ehrlich: Nichts von all dem ist zu beweisen, außer, dass es irgendwie revolutionär gewesen zu sein scheint, dass das Verhältnis von Männern und Frauen im Umfeld von Jesus sich zu verändern scheint.
Sagen wir es geradeheraus: Maria Magdalena als Verführerin, Hure, Ehebrecherin, darzustellen, entspringt vermutlich einfach nur Männerfantasien. Aus historischer Sicht bleiben sie ein neuzeitliches Konstrukt ohne faktische Anhaltspunkte in den Quellen.
Andererseits: Es gibt nichts, zu wiederlegen, warum nicht Jesus mit einer Frau eine partnerschaftliche und / oder erotische Beziehung gehabt haben sollte. Es ist nicht auszuschließen, dass Jesu mit ihr oder einer anderen Frau verpartnert war – aber es ist auch nicht wahrscheinlicher als das Gegenteil.

Im Musical „Jesus Christ Superstar“ singt Maria Magdalena „I don´t know how to love him“ (ich weiß nicht wie ich ihn lieben soll, und weiter: Er ist einfach ein Mann, bloß noch einer mehr).
In Indianer-Jones-Filmen, modernen Romanen und Filmen wird Maria Magdalena zu Jesu Geliebten und Gefährtin, sogar selbst als der „heilige Gral“ betitelt. Bei Nikos Kazantakis in „Die letzte Versuchung“ träumt Jesus am Kreuz von Ehe und Familie mit Maria Magdalena, und in Dan Browns „Sakrileg“ und dem Hollywood-Blockbuster „Da Vinci Code“ wird gemutmaßt, dass Maria Magdalena ein Kind von Jesus zur Welt brachte.

Maria Magdalena wird weit eher zu einem Spiegel der Bedürfnisse derer, die sich mit ihr befasst haben als einer Person, über deren genaue Identität man anhand irgendwelcher Quellen Aufschluss erhalten könnte. Die Fragen dazu sind doch zum einen: Was hat das alles mit ihrem Glauben, mit ihrem Zeugnis über den Auferstandenen zu tun? Und zum anderen: Woher kommt das offenbar tiefe Bedürfnis nach einer Romantisierung des Verhältnisses von Jesus und Maria Magdalena?
Manche historische Theologen sagen: Wirksamer hätte man die geistliche Autorität dieser Frau und ihr Apostelamt nicht untergraben können, darum sollte und musste es so sein.
Eine andere These lautet: Eine Geliebte und Mutter Maria Magdalena bringt uns Jesus als Menschen näher – und das ist für aufgeklärte Zeitgenossen sympatischer als der mystische Gottessohn und für unseren Verstand viel besser nachzuvollziehen. Typisch für unseren Zeitgeist ist es doch, dass ein Mensch sich ein erfülltes Leben immer noch primär in einer Zweierbeziehung sucht und den Sinn des Lebens sehen viele Leute immer noch in einer Familie, nicht im Glauben oder im Gottesdienst.

Ich schaue noch einmal auf die biblische Maria Magdalena und folge noch einmal den Gedanken von Hanna Strack: Wenn Jesus von lebensbedrohenden und –einschränkenden Dämonen befreien kann, wenn er Maria Magdalena einen neuen Lebenssinn geschenkt hat, dann kann man sich vorstellen, wie verzweifelt sie war, zu sehen, dass Jesus so bereitwillig in den Tod gegangen ist und sie nun für sein Sterben und seinen Tod Zeugin sein musste. Und dann, am offenen Grab, musste sie auch noch feststellen, dass sich Jesus ihrer Nähe offenbar entzogen hat, er nicht mehr da ist.

Jesus hat Maria bei ihrem Namen gerufen. Die vertraute Stimme, der Klang ihres Namens hat sie zurückgeholt in die Beziehung zu ihm. Und sie antwortet: „Rabbuni“ = mein Meister, mein Lehrer. Auf einmal ist alles wieder da: Die Liebe, die Jesus ihr geschenkt hat, und die Liebe, die sie Jesus entgegengebracht hat. Nur, dass sich diese Liebe nicht so festhalten lässt, wie sich das jeder Mensch wünschen würde. Daher sagt Jesus „Halte mich nicht fest“.
Bei Maria Magdalena und Jesus geht es nicht um eine private Sache, es ist nicht ihre Bestimmung, sich auf ewig an diesen Jesus zu klammern und alles andere drumherum zu vergessen. Maria erfährt, dass die Liebe und Vergebung ihres Meisters allen Menschen gilt. Persönlich, aber nicht privat. So kann Maria weder das Vergangene bewahren, noch ihre Beziehung zu Jesus als eigenen Besitz erhalten. Die Sorge, dass es nicht weitergeht, dass alles zu Ende ist, wird ihr genommen. Und: Zu ihrem neuen Leben gehört, dass sie sich noch mehr als zuvor für die Anderen öffnet. Sie ist es, die den anderen Jüngern verkündet: „Ich habe Jesus, den Lebendigen, gesehen“.

Sie ist die erste Zeugin und die erste Predigerin, wenngleich bei Paulus im 1. Kor. 25,3-7 Kefas, also Petrus der Erstgenannte der Zeugen ist. Hier schimmert schon eine klassisch patriarchale Gesellschaftsordnung durch, die auch in der Gemeindeleitung die Führungspositionen eher in der Hand von Männern versteht. So wird Maria Magdalena mit ihrem Zeugnis zur weiblichen Führungskraft in Liebe und Erkenntnis, Petrus fast ein Gegenspieler in seiner männlichen Rolle von Macht und Dominanz in Gemeindeaufbau und -leitung.

2016 würdigte Papst Franziskus Maria Magdalena offiziell als „Apostola Apostolorum“. Diese Bezeichnung hatte sie in der Spätantike und Ostkirche wohlgemerkt bereits.
Kirchenvater Bischof Hieronymus wird das folgende Zitat zugeschrieben (4. Jhdt): „Als Jesus auferstanden war, erschien er zuerst den Frauen. Jene wurden Apostelinnen der Apostel. Und die Männer sollten schamrot werden, weil sie den nicht suchten, den das zartere Geschlecht längst gefunden hatte“.

Bleibt zum Schluss wieder zu fragen: Wie war Maria Magdalenas weiterer Lebensweg?
Man weiß nichts historisch Definitives über das Schicksal der Maria Magdalena nach Jesu Tod. Seit dem 6. Jahrhundert wird in Ephesus, einer in antiken Zeiten bedeutenden Stadt in Kleinasien, ungefähr 70 Kilometer südlich vom heutigen Izmir an der türkischen Westküste, ein Grab der Maria Magdalena verehrt. Die Legenda Aurea, das am weitesten verbreitete religiöse Volksbuch des Spätmittelalters, berichtet eine andere Überlieferung: Demnach wurde sie auf einem segellosen Schiff ausgesetzt, landete in einem französischen Fischerdorf bei Marseille und missionierte in der Provence. Ihre sterblichen Überreste wurden im 9. Jahrhundert in das Kloster in Vézelay überführt. Dieses Kloster wurde ab dem 11. Jahrhundert zu einem Wallfahrtsort und liegt heute auf einem der Pilgerwege nach Santiago de Compostela.

Für wen wird Maria Magdalena als Heilige besonders angerufen?
Maria Magdalena ist Patronin der Frauen, reuigen Sünderinnen und Verführten, der Kinder, die schwer gehen lernen, der Schüler und Studenten, Gefangenen, der Handschuhmacher, Wollweber, Kammmacher, Friseure, Salbenmischer, Bleigießer, Parfüm- und Puderhersteller, Gärtner, Winzer, Weinhändler, Böttcher. Sie wird angerufen gegen Augenleiden und Pest, gegen Gewitter und Ungeziefer.

Es gibt ganz verschiedene Maria-Magdalena-Gedenktage, der ökumenischste davon ist der 22. Juli, den die römisch-katholisch, orthodoxe, armenisch, koptische, anglikanische, syrisch-orthodoxe, und evangelische Kirche haben. Und: dieser 22. Juli hat (jedenfalls habe ich dazu nichts recherchieren können) nichts mit einer angeblichen Reliquienüberführung oder Umbettung oder einem bestimmten Ereignis zu tun).

Daher denke ich, dass wir auch in unserer protestantischen Tradition gut daran tun können, an Maria Magdalena zu erinnern. Nicht, um sie als Heilige zu verehren, sondern, um an sie, ihre besondere Beziehung zu Jesus und ihren Mut zur Verkündigung wach zu halten. In ihr gedenken wir der ersten Zeugin der Auferweckung, denken an eine Schwester im Glauben, die aufgehorcht hat, als Jesus sie beim Namen gerufen hat, die nicht im Alten stecken geblieben ist, sondern Anderen durch Worte des Lebens Mut zuspricht. Auch uns.
Ich schließe mit Worten von Hanna Strack:
„Maria Magdalena, wir danken dir dafür, dass du uns zeigst, wie Gottes Macht und Gottes Licht wirkt in der Verzweiflung und in der Trauer, im Tod. Mit dem, was du sagst, bist du eine Prophetin für unsere Zeit! Eine biblische Heilige, die die modernen Tugenden vertritt: Solidarität mit den Sterbenden, Mitleiden mit den Gefolterten, Mut zur Trauer, Phantasie, Ausdauer.“ AMEN

Und der Friede Gottes, der größer ist als all unser Denken und begreifen, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus unserem Herrn. AMEN