Predigt vom 27. Februar 2022 – Humor und Glaube zu “Unzeiten”

(gehalten von Pfarrer Dr. Gerhard Wenzel in Rath-Heumar und Ostheim)

Die Gnade und der Friede Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen! Amen

Liebe Schwestern und Brüder in Christus,

ein guter Freund von mir ist seit Jahren im Kampf mit dem Krebs. Er ist auch schon seit mehreren Jahren durch verschiedene Operationen bedingt völlig berufsunfähig und muss mit seiner Frau und seinen zwei Kindern irgendwie dennoch finanziell überleben. Als er das erste Mal in der Klinik zwischen Tod und Leben schwebte und lange im Koma lag, war seine jüngste Tochter gerade mal 5 Jahre alt. Inzwischen ist sie 12 Jahre. Man kann sagen: sieben Jahre Leidensgeschichte. Man kann aber auch sagen: Toll, sieben Jahre lang überlebt.

Was hat meinem Freund geholfen? Sicher die Familie, aber ebenso sicher sein Galgenhumor oder schwarzer Humor, wie wir es auch nennen. Mit Sarkasmus können viele nicht umgehen. Für ihn selbst war das aber absolut wichtig und lebensbewahrend, dass er sich seinen Humor bewahrt, so schwarz der auch gewesen sein mag. Frei nach dem Motto: Humor ist, wenn man trotzdem lacht.

Und durch den Trotz seines Humors, da bin ich sicher, hat er es bisher schaffen können, dass er dem Krebs sieben Jahre Leben abtrotzen konnte.

Wenn er Witze über sich oder seine Situation machte, konnte einem das Lachen im Halse stecken bleiben. Ich habe aber sehr bald gelernt, mitzulachen. Denn das war viel hilfreicher, weil befreiender, als Trübsal zu blasen.

Humor kann also befreiend sein. Warum? Weil er auf Distanz zur eigenen erlebten Wirklichkeit geht und sich nicht von dieser Wirklichkeit total bestimmen lässt.

Und an dem Punkt haben Glaube und Humor etwas Gemeinsames. Beide gehen auf Distanz zur erlebten Wirklichkeit. Beide wissen, dass diese Wirklichkeit nicht alles ist. So gesehen ist also Humor ein wichtiges Lebenselexier, ja sogar eine wichtige Kraftquelle und vielleicht gerade dann wichtig, wenn wir der Totalität der Wirklichkeit ausgesetzt sind oder gar der Totalität von autoritären Staaten und Regimen.

Um das revolutionäre Potential des Humors und seine befreiende Kraft wussten auch schon immer totalitäre Regime und haben ihn deshalb verboten. Wer damals Hitlerwitze machte, landete im Gefängnis oder KZ. Und dass wir es auch in Russland nun schon lange nicht mehr mit einer Demokratie zu tun haben, sondern das nur noch Feigenblatt ist, merkte man spätestens an dem Indiz, dass in Russland nun auf einmal Witze über Stalin verboten und unter Strafe gestellt worden sind, der ja ein Diktator früherer Zeiten war und schon seit vielen Jahren nicht mehr lebt und regiert.

Der Humor ist in diesem Fall der Widerstand gegen den Anspruch der Wirklichkeit, die einzige Wirklichkeit zu sein.

Natürlich ist beim Humor auch immer die Frage, wer macht da Witze auf wessen Kosten. Es ist schon ein Unterschied, ob eine Mehrheit oder ein Autokrat Witze über Minderheiten macht oder eine verfolgte Minderheit über die fehlgeleitete Mehrheit und den menschenverachtenden Autokraten.

Humor und Glaube stellen den Anspruch der Wirklichkeit, die einzige Wirklichkeit sein zu wollen, in den Schatten. Die Bibel weiß zu erzählen von der Geschichte von Issak. Zu Deutsch heißt dieser Name einer der Stammväter Israels: „Gott hat mir ein Lachen bereitet“. Der Name ist Programm könnte man sagen – Gottes Programm, denn Abraham und Sarah sind trotz hohen Alters kinderlos und müssen beide lachen, als ihnen von Gott jeweils zu unterschiedlichen Zeiten und an unterschiedlichen Orten mitgeteilt wurde, dass sie trotz ihres fortgeschrittenen Alters noch ein Kind bekommen würden – ihr einiges und erstes.

Und tatsächlich Isaak wird geboren und erhält seinen Namen als Erinnerung an diese fantastische Geschichte. Als Erinnerung an dieses Lachen – als Zeichen der Hoffnung und Triumpf über die Wirklichkeit, die beansprucht die ganze Wirklichkeit zu sein und eben doch nicht ist.

Und wo wir nun zur Karnevalszeit von allen Seiten von der Wirklichkeit des Corona-Virus und der Wirklichkeit des Ukraine-Krieges umgeben und förmlich gefangen genommen werden, ist es nicht nur legitim trotzdem zu lachen und das Leben zu feiern, sondern vielleicht sogar geboten und eine gute Kraftquelle, um sich bewusst zu machen: diese Wirklichkeiten sind nicht die ganze Wirklichkeit. Unser Leben ist in der Hand eines Anderen und es ist in Wirklichkeit ein wunderschönes. Es ist ein unverfügbares Geschenk, über das nicht die HERREN der Welt und die Wirren und Viren der Welt regieren, sondern der HERR dieser Welt, der vom Himmel aus das Sagen hat und diese Welt mit seiner Liebe segnet.

Es ist wichtig, von dieser Hoffnung auf eine andere Wirklichkeit und diesem Bewusstsein, dass die erlebte Wirklichkeit nie alles ist, zu zeugen. Und dazu kann der Humor verhelfen, ebenso wie der Glaube. Beides öffnet den Horizont für die andere Sichtweise, die andere Wirklichkeit und das bisher vielleicht noch nicht Dagewesene oder was vielleicht zunächst nicht sichtbar, aber doch längst gleichzeitig am Werke ist.

So komme ich endlich auf das Bibelwort zu sprechen, das ich für die heutige Predigt ausgesucht habe. Es befindet sich im Hebräerbrief, Kap. 11, Vers 1 und lautet: „Es ist aber der Glaube eine feste Zuversicht auf das, was man hofft, und ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht.“

Für mich einer der wichtigsten Verse in der Bibel, weil es eine Standortbestimmung des Glaubens ist und deutlich macht, was Glaube für unser Leben eigentlich bedeutet. Es ist eine Kraft, die nach vorn schaut und hinter die Kulissen aller vorgeblichen Wirklichkeiten. Es ist eine nach vorn gerichtete hoffnungsvolle Energie, die ganz aus dem Vertrauen lebt, dass sie mit Gottes Wirklichkeit rechnet, die unsere Wirklichkeiten relativiert und korrigiert.

Das ist eine Standortbestimmung des Glaubens, der ebenso wie der Humor den Totalitätsanspruch erlebter Wirklichkeit und erlebter totalitärer Regime und Autokraten in Frage stellt. Der Glaube ist darum ähnlich wie der Humor eine befreiende Kraft. Er rechnet mit Gott. Wir vertrauen auf Gott, auf seine Wirklichkeit und das gibt es eine ungeheure Freiheit. Immer wieder muss ich an meine Begegnungen mit vielen russlanddeutschen Menschen denken, die ich bisher in meinem Leben kennenlernen durfte. Mir war aufgefallen, dass vor allem die alte Generation von ihnen einen ausgeprägten Jenseitsglauben hat. Viel ausgeprägter als bei uns. Das Leben nach dem Tod usw. spielt bei uns im aufgeklärten westlich geprägten Christentum eher eine untergeordnete Rolle. Unser Christenleben ist doch irgendwie eher diesseits orientiert. In unseren Predigten usw. geht es sehr um unser Leben hier. Aber bei den Rußlanddeutschen der älteren Generation ging es immer auch um das andere Leben, was da noch irgendwo auf uns warten mag und das noch aussteht.

„Warum ist das so?“ habe ich mich oft gefragt. Und wir finden die Antwort in dem, was die ältere russlanddeutsche Generation in der UDSSR erlebt hat. Zwangsarbeit, Verschleppung, Verfolgung, Unterdrückung von Religion und Sprache über Jahrzehnte hinweg. Sie haben den Totalität der einen Wirklichkeit und ein totalitäres Regime, was ihre ganze Wirklichkeit bestimmte, erlebt und erlitten. Darum war der Glaube an das Jenseits, an ein Leben, das von Gott aus ganz anders aussieht und sich vielleicht erst nach dem Tode ganz erfüllt, so ungeheuer wichtig.

Dieser starke Glaube an Gottes Jenseits hat die Schrecken des erlebten Diesseits relativiert und geholfen, es zu ertragen und sich innerlich davon immer wieder frei zu machen. Man hätte ihnen gewünscht, dass es auch zum Handeln befreit hätte. Aber die erlebte Ohnmacht war insgesamt massiv. Aber diese Menschen haben einen langen Atmen bewiesen. Eine ältere russlanddeutsche Frau habe ich in meiner Zeit in der Dellbrücker Gemeinde kennengelernt. Ich weiß nur noch ihren Vornamen. Erna. Erna hat diesen lagen Atmen bewahren können und Anfang der neunziger Jahre, als das durch die Wende endlich in der UDSSR möglich wurde, in Königsberg 70 Unterschriften gesammelt für die Wiederherstellung und Nutzung der dortigen evangelischen Kirche. Diese Unterschriften brauchte sie, damit das genehmigt würde und das hatte sie auch geschafft. Der lange Atem im Vertrauen auf Gottes Wirklichkeit hat am Ende gesiegt.

„Es ist aber der Glaube eine feste Zuversicht auf das, was man hofft, und ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht.“

Das, was vorher nicht zu sehen war, war endlich Wirklichkeit geworden – stand vor Augen – eine eigene Kirche und Glaubensfreiheit. Endlich ein Ende auch des Totalitarismus.

Aber nun ungefähr dreißig Jahre später sind die Menschen in Rußland und einigen anderen ehemaligen Staaten der UDSSR wieder in einer ähnlichen Situation. Das als Demokratie in Russland getarnte totalitäre Regime entfaltet immer mehr an Zerstörungskraft und isoliert Länder und Menschen.

Der Glaube und der Humor wird darum sowohl für Menschen in Russland als auch in der Ukraine wichtig sein, um all das erneute Leid und Unrecht zu ertragen und irgendwie zu bewältigen und auch Mittel und Wege zu finden, sich wie auch immer zur Wehr zu setzen und diabolische System zu entmachten.

Gaube und Humor muss auch uns hier in Deutschland helfen, einen klaren Kopf zu bewahren. Meine Putzfrau Betty German kommt aus der Ukraine. Ich musste sie am Freitag, als sie bei mir zum Putzen kam, ganz schön auffangen. Sie hat zwar keine Verwandten mehr dort, aber einige enge Freundinnen. Eine Freundin berichtete ihr, dass sie wegen einer Bombardierung in den Keller flüchten musste.

Ich habe Betty gesagt, dass wir heute im Gottesdienst und auch am Mittwoch bei uns im Friedensgebet in unserer Versöhnungskirche in Rath-Heumar für den Frieden und die Menschen in der Urkaine beten werden. Sie hat nicht etwa gesagt: „Was nützt schon beten? Da fallen Bomben“, was ja eine naheliegende Antwort hätte sein können, sondern war gerührt und hat sich bedankt. Als sie sich dann später nach der verrichteten Arbeit verabschiedet hatte, hat sie gesagt, dass es ihr jetzt viel besser ginge, weil sie mit ihrer Ohnmacht nicht mehr so allein sei.

Ich denke, das ist es: Gebet und Zeichen der Solidarität wie die heutige Demonstration statt des Karnevalszugs sind jetzt gerade für Menschen in der Ukraine oder aber auch die von dort stammen, sehr wichtig. Sie können das Gefühl der Einsamkeit in der erlebten Ohnmacht aufheben und sie können Verweis auf die andere Wirklichkeit sein, die noch aussteht:

„Es ist aber der Glaube eine feste Zuversicht auf das, was man hofft, und ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht.“ Betty ist Jüdin, aber darin sind wir verbunden und auch in dem Bewusstsein, dass uns Gott Gebote gegeben hat die zu achten sind.

Die Kinder unserer Kindertagesstätte haben sich am Donnerstag trotzdem verkleidet und haben trotzdem Karneval gefeiert und die Erzieherinnen haben mit ihnen eine schöne Aktion gemacht und sich die Freude an Karneval nicht ganz nehmen lassen. Richtig so. Sie sind zu den Eltern am Ort gezogen und haben überall an der Haustür ein karnevalistisches Liedchen geschmettert, wenn schon kein Umzug sein konnte.

Um das Lachen als Zeichen der Hoffnung zu erinnern und den Humor als Kraftquelle möchte ich deshalb in guter karnevalistischer Tradition abschließend zwei Witze erzählen, die man vielleicht auch unter schwarzem Humor einordnen könnte, aber die zeigen wie befreiend lachen sein kann und die auch deutlich machen, dass Glauben auch immer ein Hoffen und Setzen auf die Wirklichkeit Gottes ist.

Der erste Witz ist kurz und bündig:

Donald Trump, Recep Erdogan  und Wladimir Putin sitzen gemeinsam im Flugzeug. Das Flugzeug stürzt ab. Was meint Ihr, wer überlebt?

Antwort: die Menschheit!

Trump, Erdogan und Putin sterben. Sie kommen zwar in den Himmel, aber zur Buße für ihre Sünden müssen sie sich pro Lüge einmal um sich selbst drehen.

Trump muss sich 100 mal drehen, danach muss er sich übergeben.

Erdogan muss sich 200 mal drehen und fällt dabei zwischendurch zwei mal in Ohnmacht.

Nachdem sie sich davon wieder erholt haben, fragen sich die beiden: Wo ist denn auf einmal Putin abgeblieben?  Antwort: Der hängt an der Decke als Ventilator.

Möge Gott uns das Lachen bewahren und uns Nüchternheit und Besonnenheit verleihen in unserem Denken und Handeln und uns im Glauben einen langen Atem bewahren! Amen