Lesung aus 1. Mose 28 nach der Übersetzung der Basis Bibel
10Jakob zog von Beerscheba nach Haran.11Unterwegs kam er an einen Ort, an dem er übernachtete. Denn die Sonne war schon untergegangen.
Er nahm einen von den Steinen dort und legte ihn neben seinen Kopf. Dann schlief er ein.
12Im Traum sah er eine Leiter, die von der Erde bis zum Himmel reichte. Auf ihr stiegen Engel Gottes hinauf und herunter.13Plötzlich stand der Herr vor ihm und sagte: »Ich bin der Herr, der Gott deines Vaters Abraham und der Gott Isaaks. Das Land, auf dem du liegst, will ich dir und deinen Nachkommen geben.14Sie werden so zahlreich sein wie der Staub auf der Erde. Du wirst dich nach Westen und Osten, nach Norden und Süden ausbreiten. Durch dich und deine Nachkommen sollen alle Völker der Erde gesegnet sein.15Siehe, ich bin bei dir und behüte dich überall, wohin du auch gehst. Ich bringe dich zurück in dieses Land. Ich werde dich nicht verlassen, bis ich vollbringe, was ich dir verheißen habe.«
16Als Jakob aus dem Schlaf erwachte, sagte er: »Der Herr ist an diesem Ort anwesend, und ich wusste es nicht.« 17Da fürchtete er sich und dachte: »Vor diesem Ort muss man Ehrfurcht haben! Hier ist gewiss ein Haus Gottes und ein Tor zum Himmel.«
18Am Morgen stand Jakob früh auf und nahm den Stein, den er neben seinen Kopf gelegt hatte. Er stellte ihn als Kultstein auf und rieb seine Spitze mit Öl ein.1 9Jakob nannte den Ort Bet-El, das heißt: Haus Gottes.
Die Gnade Christi und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes sei mit uns allen. AMEN
Liebe Gemeinde am Ewigkeitssonntag,
wer heute hier zum Gottesdienst am Ewigkeitssonntag eingeladen wurde, dem oder der liegt vielleicht noch ein Stein auf der Seele.
Ein geliebter Mensch ist aus diesem, aus meinem Leben gegangen und seitdem ist kein Stein mehr auf dem anderen geblieben.
Zu Schlafen wie ein Stein, fällt vielleicht noch schwer, weil derjenige nicht mehr da ist, der neben mir atmet. Und auch, wenn man sich im Leben oft Stolpersteine in den Weg legt – er oder sie fehlt. Marmor, Stein und Eisen bricht, aber unsere Liebe nicht.
Sie merken vielleicht, dass ich Sie mit lauter Sprichwörtern über Steine ins Predigtthema gelockt habe.
Mein Thema am heutigen Ewigkeitssonntag ist „die Spur der Steine“ und da habe ich weder an den alten DEFA-Film mit Manfred Krug gedacht noch an Sido und Mark Forster, die den Song „Eine dieser Steine“ zusammen rappen.
Sondern zunächst einmal ganz einfach daran, dass auf unseren Gräbern, die wir vielleicht heute besuchen – so uns das körperlich und wettermäßig möglich ist – Grabsteine stehen, die an unsere Verstorbenen erinnern. Und ich erlebe als Pfarrerin bei den vielen Friedhofsgängen, dass es uns immer noch oder wieder etwas wert ist, einen besonderen Stein, eine besondere Inschrift und Gestaltung auf das Grab zu setzen.
Haben Sie sich eigentlich schon mal gefragt – warum eigentlich Grab-Steine? Und das in vielen Ländern, den meisten christlichen Konfessionen und sogar im Judentum.
Dabei konnten sich die Israeliten, die in der Wüste lebten, natürlich nicht leisten, ihre Verstorbenen so aufwändig zu bestatten und legten auf das Erdgrab einen Steinhaufen, legten also viele Steine ab – um die Stelle wiederzufinden und zu verhindern, dass sich wilde Tiere am Grab zu schaffen machen. Freunde und Verwandte legen bis heute beim Grabbesuch kleine Steinchen ab, obwohl die 147 jüdischen Handlungsvorschriften zum Umgang mit Toten im Talmud nichts darüber steht. „Auch ich war hier“ könnte das sagen, oder auch „Unsere Lieben, unsere Verbundenheit ist unzerstörbar wie ein Stein“ oder einfach, um die Toten zu ehren und in Stille Anteil zu zeigen.
In alter Zeit wurden zunehmend große Steine oder Steinplatten auf Gräber gelegt, bevor in der antike außerhalb griechischer und römischer Städte Gräberstraßen angelegt wurden, d.h. über den Gräbern und den Steinplatten bewegte man sich fort. Christliche Gemeinden setzten ihr Toten zunächst auch vor den Toren der Stadt bei, oder man begann im Innern von Kirchengebäuden damit, was sich später nur noch der del, Klerus oder reiche Bürger leisten konnten. Sicher haben Sie alle schon mal in Kirche oder Dom auf einem Grab gestanden.
Der im hinteren Teil eines Grabes stehende Grabstein entstand vermutlich, weil der Stein so weniger anfällig gegenüber Schmutz und Witterung ist und nicht so leicht mit der Zeit einsackt.
Manchmal sieht eine Friedhofsordnung heute vor, ein Grab rundherum mit Stein einzufassen oder man wundert sich beim Betrachten mancher Gräber, bei denen die Steine wie Paläste aussehen oder mit Fotos und Bildern geschmückt sind.
Wer auf einem Naturfriedhof bestattet, nimmt einen einfachen Findling in Kauf und im Bestattungsgarten nutzt man Stelen oder Mauern, um einen Namen zu hinterlassen.
Und heutzutage kann man Grabsteine aufgegebener Gräber auch recyceln oder in größeren Grabanlagen kann man sich auf einem bereits verwendeten Grabstein einkaufen.
Und es kommt nicht selten vor, dass der Name eines Menschen schon vor seinem Tod auf einem Grabstein „vorbereitet wird“, so dass bei der Beisetzung lediglich noch das Sterbedatum ergänzt wird. Das hat mich beschäftigt, ob ich es eher befremdlich oder tröstlich finde. Was denken Sie? …….
Nach der Beschäftigung mit der Spur der Steine muss ich sagen – ich finde es tröstlich, zu wissen wo ich einmal hinkomme, wo mein Platz ist und wo man sich an mich erinnern kann.
Ja, ich weiß, es gibt gute Gründe, sich anders zu entscheiden und es anders zu sehen.
Und auch die Bibel spricht durchaus differenziert über Steine.
Und der HERR sprach zu Mose: Komm herauf zu mir auf den Berg und bleibe daselbst, dass ich dir gebe steinerne Tafeln und Gesetze und Gebote. Und etwas später heißt es:
Und er, Josua, schrieb auf die Steine das andere Gesetz, das Mose den Kindern Israel vorgeschrieben hatte.
Die Gebote – Regeln des Zusammenlebens und der Gottesbeziehung – werden auf Steintafeln geschrieben.
Der Psalmist betet: Gott ist mein Fels und meine Burg.
Der Prophet Elia nahm zwölf Steine nach der Zahl der Stämme der Kinder Jakobs und baute von den Steinen einen Altar im Namen des HERRN.
Gott verspricht dem Beter, ihm seinen Engel zu schicken, damit er seinen Fuß nicht an einen Stein stößt.
Denn das Volk Israel erlebt nicht erst heute, sondern schon in alter Zeit, dass um Recht und Macht gekämpft wird und in den Auseinandersetzungen sich bewahrtheitet:
„Hier wird nicht ein Stein auf dem anderen bleiben“.
Aber: Wir erfahren auch schon:
Und David tat seine Hand in die Tasche und nahm einen Stein daraus und legte ihn in seine Schleuder und er traf den Philister an seine Stirn.
Steine sind hart, sie verurteilen, auch zum Tode.
Als eine Frau, des Ehebruchs beschuldigt, im Kreis von Menschen, die nicht an ihre eigene Fehlerbehaftetheit dachten, gesteinigt werden sollte, griff Jesus ein und sagte:
Wer unter euch ohne Sünde ist, werfe den ersten Stein – und wir wissen alle, das sich die Menge zügig zerstreute und die Frau am Leben blieb und auch von Jesus bzw. Gott nicht verdammt wurde.
Und auch Jesus erfuhr Gewalt und Tod – so sehen sich Maria und Maria aus Magdala sich der Frage gegenüber, als sie den Toten Jesus salben wollen: Wer wälzt uns den Stein von des Grabes Tür? Bevor sie erkennen, dass der Stein weggerollt und das Grab leer ist.
Steine sind da, um uns des Lebens wie des Todes bewusst zu werden.
Und Steine erinnern uns an die felsenfeste Beziehung Gottes zu uns Menschen.
Jesus erzählt ein Gleichnis: Alle, die nun meine Worte hören und entsprechend handeln, werden einer klugen Frau, einem vernünftigen Mann ähnlich sein, die ihr Haus auf Felsen bauten. Und Regen fällt herab, es kommen reißende Flüsse, Stürme wehen und überfallen dieses Haus – und es stürzt nicht ein! Denn es ist auf Felsen gegründet.
Und wenn wir uns nicht auf Gott gründen oder das Lob Gottes unterdrücken, zum Schweigen bringen ?
Wenn sie schweigen werden, werden die Steine schreien
Ob bewusst oder unbewusst, Steine sind unsere stillen Begleiter. Sie lassen mich demütig werden, sie stehen für meine eigene Gebrochenheit, manchmal holen sie mich vom hohen Ross.
Und dennoch. Da ist dann auch noch Ostern. Der Aufstand des Lebens gegen den Tod. Und wieder sprechen die Steine. In der Bibel. Aber diesmal schreien sie nicht. Sie singen.
„Man singt mit Freuden von Sieg in den Hütten der Gerechten … Denn der Stein, den die Bauleute verworfen haben, ist zum Eckstein geworden. Das ist vom Herrn geschehen und ist ein Wunder vor unsern Augen.“
Das sind Verse aus dem österlichen Freudenpsalm, den die Kirche zum Fest der Auferstehung singt. Der Eckstein im Tempel, das Fundament für Gottes Gegenwart, das ist ein Bild für den kommenden Messias. Für die christliche Gemeinde war sonnenklar, dass damit nur Christus, der Auferstandene gemeint sein konnte. Gottes Liebe – im Gekreuzigten, der lebt. Der Himmel ist offen. Und der Apostel im 1.Petrusbrief vergleicht uns Christen mit lebendigen Steinen. Wir sollen zum Eckstein Christus kommen, sollen so für uns neues Leben gewinnen und uns zu einem neuen Bau, zur Gemeinde verbinden. Eine Gemeinde aus lauter lebendigen Steinen
Und als eine solche kommen wir zusammen am Ewigkeitssonntag, an einem Tag, an dem wir auf die Steine blicken, die unser Herz schwer machen.
Und ich, den Steinen auf der Spur, möchte Ihnen und Euch heute den Gang hier nach vorne zu den Steinplatten, auf denen die Namen stehen und auf den Friedhof zu den Gräbern ein wenig leichter machen mit meiner liebsten Stein-Geschichte der Bibel. Welche es ist? Wir haben sie in der Lesung gehört.
Jakob, auf dem Weg zu Esau, dem Bruder den er um den Segen des Erstgeborenen betrogen hatte, ist auf einer langen Reise innerer und äußerer Auseinandersetzung. Auf dem Weg durch die steinige Wüste bleibt ihm zwischen Beerscheba und Haran nichts, als draußen zu übernachten, wo er seinen Kopf auf einen Stein bettet und eben diesen wunderbaren Traum hat, dass die Engel Gottes an dieser Stelle wie auf einer Leiter herauf und herabsteigen und er ein Gesegneter ist, weil Gott verspricht bei ihm zu sein auf allen seinen Wegen.
Und nach dem Erwachen am Morgen stellt Jakob seinen Kopfkissen-Stein aufrecht hin, salbt ihn – wie man einen König salbt – mit Öl und benennt den Ort als Bet-El, das heißt: Haus Gottes.
So großartig zu erfahren, dass Gott auch in den steinigen Momenten des Lebens bei uns ist, das wünsche ich Ihnen, nicht nur heute.
Dass ihnen und Euch in dem Moment am Grabstein eines lieben Menschen das Herz voll Dank und Hoffnung aufgeht und auch für Sie und Euch Engel herauf- und herabgehen.
Und ich wünsche es den Menschen, die im Leben durch Verlust und Krankheit oder Krieg und Vertreibung vor den Trümmern ihres Lebens stehen, dass sie angesichts vieler schwerer Steine auf ihrem Lebensweg die Hoffnung nicht verlieren nach Gottes neuer Welt, dem Kommen des Messias, dem Anbrechen eines großen Friedens.
Ein Dichter jüdischer Herkunft – Paul Celan – hat das einmal so beschrieben:
“Es ist Zeit, dass der Stein sich zu blühen bequemt.“ AMEN
Und der Friede Gottes, der größer ist als alles was wir denken und begreifen, der bewahre unsere Herzen und alle unsere Sinnen in Christus. AMEN