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Betende Hände. Foto: Nahler (c) gemeindebrief.de

Predigt zum Sonntag Rogate “Betet” über das Beten

Predigt zu Matthäus 6,5-15
Liebe Gemeinde,
Was braucht es eigentlich für ein richtiges Gebet?
Also ich meine nicht so ein „bitte, bitte lass mich heute nicht zu spät zur Arbeit kommen“ – wenn man auf der A3 oder den Ringen im Stau steht und am Verkehr verzweifelt.
Auch nicht ein „bitte lass mich der Lehrer heute nicht drannehmen“ wenn ich die Vokabeln nicht gelernt habe und nicht an die Tafel geholt werden möchte in der Schule.
Auch nicht meine ich so ein „bin ich froh dass ich nicht so bin wie der andere neben mir, der Sünder an der Türe“ wie es schon in der Bibel steht.
Nein, jetzt mal in Echt – was braucht es für ein richtiges Gebet? Wodurch wird ein Gebet richtig und richtig wichtig?

Was gehört zu einem richtigen Gebet?
Als 1) eine Anrede. Im Gebet sagt man ja nicht „Halihalo“ oder „Na, wie geht’s“. Ich rechne mit einem Gegenüber und spreche ihn oder sie auch direkt an.
So hätten wir am 14. Mai vor wenigen Tagen die Heilige Corona im Gebet anreden können, ja, die gibt es wirklich, ihre Kapelle steht in Sauerlach unweit der Ev. Kirche, in der ein guter Freund Pfarrer ist. Sie soll übrigens einen christlichen Soldaten während seines Martyriums in der Zeit der Christenverfolgung fürbittend beigestanden haben und dann selbst gefoltert worden sein, und ihre Anbetung sei für Standhaftigkeit im Glauben und gegen Unwetter, Missernte und Krankheiten und Seuchen gut.

Nur – wir sind ja evangelisch. So beten wir nicht zu Heiligen.
Außer zu unserer Heiligen Trias: Zu Gott, dem Vater, Schöpfer, usw. / Zu Jesus, dem Bruder, Freund, Erlöser und Retter / Zu Gottes gutem Geist
Und ja – das gehört zu einem guten Gebet, dass es einen Anfang hat, eine Anrede.

Zu wem beten eigentlich Sie (direkte Frage mit der Bitte um Aufzeigen)?
Wer von Ihnen richtet sein Gebet immer zu Gott selbst?
Wer betet lieber zu Jesus und vertraut sich Jesus an?
Und wer hat schon mal den Heiligen Geist um Unterstützung gebeten?
Wer richtet sein Gebet an Maria?
Wer schickt schon mal Stoßgebete einfach so los, hin zu einer höheren Macht?

Mir geht es ja so – für mich ist Beten meist „Chefsache“. Ich hab schon als Kind vermittelt bekommen: Gott hört dich, auch wenn du ihn nicht siehst, und er hilft dir, auch wenn du es vielleicht gerade noch nicht spürst. Ich bete bis heute gerne direkt, unvermittelt und unmittelbar und direkt zu Gott.
Also: Gott, Vater, Mein Gott, Unser Vater……
Unser Vater…. Oder Vater Unser…..
Haben Sie sich auch schon mal gefragt, warum manche Kirchen „Vater Unser im himmel“ und manche „Unser Vater im Himmel“ das Gebet aller Gebete beginnen?
Die reformierten Kirchen kennen „Unser Vater im Himmel“, Ihnen wird vermutlich wie mir das „Vater Unser“ mehr bekannt sein. So wird es in der katholischen Kirche und den evangelischen Kirchen mit lutherischer Prägung begonnen.
So, die Anrede hätten wir also schon mal. Und dann?
Es geht noch nicht direkt zur Sache im Gebet, das ist so ähnlich wie beim Briefeschreiben. Da falle ich nach der Anrede auch noch nicht mit der Tür ins Haus, sondern sorge erst mit einigen Worten für gutes Klima.
Was also gehört noch zu einem Gebet:
2) Ein sich selbst und seines Gegenüber Vergewissern.
„Geheiligt werde dein Name“ – so geht es weiter in dem wohl berühmtesten Gebet, das wir kennen.
Wieso ich davon spreche?
Es ist der heutige Predigttext am Sonntag Rogate, Betet. Und zwar in der Fassung des Matthäusevangeliums, wo Jesus dieses Gebet seinen Jüngern vorstellt.
In Mt. 6, 5-15 heißt es so:
[5] Und wenn ihr betet, sollt ihr nicht sein wie die Heuchler, die gern in den Synagogen und an den Straßenecken stehen und beten, damit sie von den Leuten gesehen werden. Wahrlich, ich sage euch: Sie haben ihren Lohn schon gehabt. [6] Wenn du aber betest, so geh in dein Kämmerlein und schließ die Tür zu und bete zu deinem Vater, der im Verborgenen ist; und dein Vater, der in das Verborgene sieht, wird dir’s vergelten. [7] Und wenn ihr betet, sollt ihr nicht viel plappern wie die Heiden; denn sie meinen, sie werden erhört, wenn sie viele Worte machen. [8] Darum sollt ihr ihnen nicht gleichen. Denn euer Vater weiß, was ihr bedürft, bevor ihr ihn bittet. [9] Darum sollt ihr so beten: Unser Vater im Himmel! Dein Name werde geheiligt. [10] Dein Reich komme. Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden. [11] Unser tägliches Brot gib uns heute. [12] Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern. [13] Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen. [14] Denn wenn ihr den Menschen ihre Verfehlungen vergebt, so wird euch euer himmlischer Vater auch vergeben. [15] Wenn ihr aber den Menschen nicht vergebt, so wird euch euer Vater eure Verfehlungen auch nicht vergeben.

Ihr Lieben,
zurück zum Vater Unser und zu der Frage – was gehört zu einem guten, richtigen Gebet?
Das wohl berühmteste und meist gesprochene Gebet der Welt, es wird von Jesus mit ein paar Regeln zum Beten eingeleitet. Er, der aramäisch gesprochen und genauso wie die meisten Menschen damals in Israel gebetet hat, kennt die strengen Gebetsregeln, zusammen mit Almosengeben und Fasten das, was ein gottesfürchtiger Mensch tun soll und auch gerne öffentlich zeigt und bezeugt.
Jesus sagt dahingehend überraschenderweise: Ein Gebet, das muss man nicht unter vielen und in alle Welt hinausposaunen. Das geht auch ganz leise.
Jesus möchte, dass wir in die Beziehung gehen. Heilig soll mir Gott sein, seine Gegenwart. Ihm, dem heiligen Gott, will ich mit Erfurcht und Respekt begegnen. Darum: Geheiligt werde dein Name.

Wie geht es weiter, was gehört noch zu einem guten Gebet?

3) Dein Reich komm, dein Wille geschehe.
Wir sind immer noch in der Beziehungsklärung und gehen weg von uns selbst. Wir schauen unser Gegenüber an, wie in einem guten Gespräch, bei einer ersehnten Begegnung. „Lass dich mal anschauen – gut siehst du aus“. Das würden wir zu Gott nicht sagen können, aber wir können uns seiner vergewissern.
„Nicht mein Wille, sondern dein Wille geschehe“, betet Jesus im Garten Gethsemane. In diesem Moment, in dem wir uns Gott anvertrauen, da sind diese beiden Bitten „Dein Reich kommen und Dein Wille geschehe“ wie eine Einladung an Gott selbst. Es ist die Bitte, dass er mit seinen Gaben kommt, wie Paulus es an die Römer schreibt: Das Reich Gottes ist nicht Essen und Trinken, sondern Gerechtigkeit und Friede und Freude in dem heiligen Geist.”
Wir wünschen uns, dass Gott mit diesen Gaben kommt und unsere Lebensbereiche erfüllt.
Und das „Dein Wille geschehe,“, das lenkt den Blick auf den Gestaltungswillen Gottes in dieser Welt. Wer so betet, will die Ziele Gottes verwirklicht sehen und erwartet sehnlichst, Gottes Gestaltungskraft möge sich im eigenen Leben entfalten.
Er helfe mir, meinen Beitrag dazu zu tun, dass sein Reich mitten unter uns aufgehen kann!
.
Machen wir mal weiter. Meine Ursprungsfrage war – was gehört zu einem richtigen Gebet?
Die Anrede, ein sich selbst und seines Gegenübers vergewissern, in die Beziehung gehen und zwar so in die Beziehung, dass ich auch tatsächlich etwas vom Gebet erwarte und mit meinem Gegenüber rechne.
Und, na klar, dann kommt das eigentlich im Gebet:
Die Bitte!
Und die ist – wie sollte es anders sein
Hier (Bauch reiben) angesiedelt.

Unser tägliches Brot gib uns heute.
Ich habe genug zu essen, eher muss ich aufpassen, dass es nicht zu viel wird. Auch sonst habe ich alles, was ich zum Leben brauche. Aber ich weiß, wie vielen Menschen es am Nötigsten fehlt – vor allem in vielen Ländern Afrikas, in den Flüchtlingslagern, aber auch in unserer Nähe. Ich kann heutzutage nicht um das tägliche Brot bitten, ohne an all die Hungernden zu denken.
Was brauche ich eigentlich? Für Martin Luther gehörte zum „täglichen Brot“ alles, was „nottut für Leib und Leben, also Essen, Trinken, Kleider, Schuhe, Haus, Hof, Acker, Vieh, Geld, Gut, fromme Eheleute, fromme Kinder, fromme Gehilfen, fromme und treue Oberherren, gute Regierung, gut Wetter, Friede, Gesundheit, Zucht, Ehre, gute Freunde, getreue Nachbarn und desgleichen.“
ich darf Gott also 4) bitten um alles , woran es mir fehlt, um alles, was mir echter Mangel bedeutet. Ich kann bitten, wonach mir gerade der Magen knurrt……

„Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.“ So geht das Vater Unser weiter, und viele Menschen sagen, das sei die schwierigste Bitte im Vaterunser.
Aber es gehört zu einem guten Gebet, dass ich mich dabei von Gott mal betrachten lassen darf.
Und der sieht meine Schwachstellen. Dann kann ich sie ihm auch gleich anvertrauen.
5) Die sog. „Confessio“, das Bekenntnis, die Bitte um Schuldvergebung und um Unterstützung bei einer vergebenen eigenen Haltung, das gehört auch zu einem guten Gebet.
Ich darf mich Gott nähern mit meinen Licht- und mit meinen Schattenseiten. Wenn eine Katze einem Menschen vertraut, dann legt sie sich manchmal ganz nah und dreht den Kopf, so dass der Hals nach oben zeigt. Sie macht sich verwundbar, aber sie weiß: Bei dem wird mir nichts passieren. Der ist gnädig.
Und es ist gut, Gott so seine verwundbarsten Stellen entgegenzustrecken und zu wissen: Der wird mir nichts tun. Und ist die Gesellschaft noch so unbarmherzig mit Fehlern, Gott nicht.
Wir dürfen wissen, dass wir Vergebung erfahren und lernen, zu vergeben. Weil ich weiß, dass wir nur aus Vergebung leben können, darum bete ich: Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.

6) Und führe uns nicht in Versuchung.
Im Wort Versuchung steckt das Wort Suche, das wir auch im deutschen Wort Sucht wiederfinden. Von der Versuchung zur Sucht ist es nur ein kleiner Schritt. Versuchung und Sucht, zwei Worte für die gleiche Erfahrung, von etwas nicht genug zu bekommen, nicht so beachtet zu sein, wie wir es verdient hätten. Das beinhaltet den Wunsch, das Gefühl von Sinnlosigkeit durch eine Erfüllung mit schneller Zufriedenheit aufzufüllen. Der Sinn ist unerfüllt und soll wenigstens für die Gegenwart bestehen. Es geht also zugleich um Egoismus und um das Vertrauen auf eine schnelle und praktikable Lösung von Problemen.
Führe uns nicht in Versuchung, das kann bedeuten: Halte fern von uns, Gott, was uns schadet.
Jetzt können Sie mal überlegen, was Ihnen alles so schadet.
Zwei Dinge, da bin ich sicher, wollen wir alle von uns in diesen Zeiten gerade fernhalten: Am Covid19 Virus zu erkranken und Krieg so hautnah zu erleben, wie es in der Ukraine gerade geschieht.
Und da muss ich auch manchmal bitten: Gott führe mich nicht in Versuchung, wieder nachlässig zu werden. Lass mich weiter die Gesundheit der/des Anderen und meine Gesundheit achten.
Gott, führe mich auch nicht in Versuchung, zu meinen: Ich wüsste die Lösung für einen so schlimmen Konflikt, einen Krieg.

Aber – man ist zu allen Zeiten bei dieser Bitte des Vaterunsers auch auf den Gedanken gekommen – ist es denn tatsächlich Gott, der uns in Versuchung
Führen wir uns nicht im Prinzip immer selbst in Versuchung, indem wir aus unserer aussichtslose Suche nicht herauskommen? Gott hat uns zu einem freien Individuum gemacht.
Wir sollten die Bitte nicht so verstehen, dass die Versuchungen aus Gottes Hand kommen, sondern, dass Gott uns helfen möge, einen Weg in der Welt der Versuchungen zu finden, der gut für uns und die Menschen ist.
Also: Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen.
Weil ich weiß, welche Macht das Böse haben kann, und dass ich aus eigener Kraft der Versuchung nicht widerstehen kann, darum bete ich: Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen.
Zu einem guten Gebet gehört, dass ich anerkenne, wann ich an meine Grenzen komme. Dass ich versagen kann, dass ich schwach werde.

Liebe Gemeinde,
den sieben Bitten des Vater Unser ist im Laufe der Überlieferung der Bergpredigt noch ein Abschluss hinzugefügt worden.
Die ersten drei Bitten waren direkt auf Gott bezogen: dein Name, dein Reich, dein Wille.
In den anderen vier Bitten geht es um unsere Welt: Unser Brot, unsere Schuld, unsere Versuchungen, unser Böses.
Das Vater Unser wird mit Amen beendet. Davor kommt die nicht in allen Evangelien überlieferte Formel: „Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit“. Mit dem Abschluss wird der Blick noch einmal auf Gott gelenkt, dem wir alles verdanken: dein Reich, deine Kraft, deine Herrlichkeit. Weil mein Leben reich wird, wenn ich mich darauf ausrichte, darum bete ich: Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Das Gebet eröffnet Raum für Gott in dieser Welt. Wer betet, schafft diesen Raum für Gott in seinem eigenen Leben. Wozu ist es wichtig, im Leben Gott Raum zu geben? Die Frage wird in dieser Formel beantwortet. Wer Gott Raum gibt, gibt nicht nur, sondern empfängt auch: Gottes Reich, Kraft und Herrlichkeit sind wirksam. Also könnte man diesen Schluss auch als Bekräftigung verstehen, etwa wie bei einer Eidesformel etwa im Sinne von „So wahr mir Gott helfe“. Das Gebet schafft an keiner Stelle eine andere Wirklichkeit als die, in der wir sowieso leben. Aber es stellt die Ansprüche Gottes her.

Das Vater Unser ist daher Gebet und Glaubensbekenntnis in einem. Es ist auch jüdisch und christlich zugleich. Es ist ein Beispiel der Einstellung Jesu zum jüdischen Glauben, der die Wahrheit der Gegenwart Gottes bezeugt. Christus „nahm es nicht als einen Besitz, Gott gleich zu sein, sondern entäußerte sich selbst und nahm Knechtsgestalt an“, so wie es im Philipperbrief heißt. Der mächtige Gott verzichtet auf seine Macht, indem er Mensch geworden ist und immer wieder Mensch wird. Er stellt sich allen Menschen gleich und vertraut auf die Wirkung von Kraft, Reich und Herrlichkeit in den Worten der Liebe und des Friedens.
Und wir? Wir dürfen, ja wir sollen die Worte des Vater Unser auch in den Mund nehmen und aus unserem Mund und Herzen rinnen lassen.
Der Dichter Matthias Claudius hat einem Freund dazu in einem Brief geschrieben: „Das ‚Vater Unser‘ ist ein für allemal das beste Gebet, denn Du weißt, wer‘s gemacht hat. Aber kein Mensch auf Gottes Erdboden kann‘s so nachbeten wie der der‘s gemeinet hat; wir krüppeln es nur von ferne, einer noch immer armseliger als der andere. Das schadt aber nicht, … wenn wir‘s nur gut meinen.“
Wer mit dem „Vaterunser“ Tag für Tag lebt, in dessen Alltag wächst das Reich Gottes. Vielleicht langsam, aber stetig. Der erfährt Gottes Kraft. Der begreift die Herrlichkeit Gottes. In dessen Herz pflanzt Gott seine Ewigkeit.

Und zum Schluss frage ich nochmal….
Was gehört jetzt zu einem richtigen Gebet?
1) Eine Anrede, ein Gegenüber
2) ein sich seiner Selbst und seines Gegenübers vergewissern
3) Beziehungsklärung –
4) Ich darf Gott bitten, woran es mir mangelt, fülle ich!
5) Ich darf bekennen, was falsch läuft.
6) Bitte um innere Stärke.

Ja, liebe Gemeinde, das braucht es wohl für ein richtiges Gebet.
Obwohl ich sicher bin, Gott hört alle Gebete.
Mein Lieblingssatz:
Gott erfüllt nicht alle Wünsche, aber alle seine Verheißungen. (Bonhoeffer)

Und wenn ihnen das jetzt zum Formulieren eines eigenen Gebets doch noch zuviel oder zu schwierigen erscheint – nehmen Sie doch einfach das VaterUnser. Und sei es nur zum Händewaschen (empfohlene Länge zum Einseifen udn Waschen der hände in der Coronazeit…) AMEN

Und der Friede Gottes, der größer ist als alles, was wir denken und begreifen, der bewahre unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus, unserem Herrn. AMEN